Pater Michael
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„Interview am Karsamstag“

Der spätberufene Pater Michael

Seit zehn Jahren ist Pater Michael Hüttl Prior im Stift Altenburg (Bezirk Horn). Der Sohn eines Fleischers ist ein Spätberufener, erst mit 30 Jahren ist er in den Orden eingetreten. Im Interview am Karsamstag spricht er u.a. über die hohe Zahl der Kirchenaustritten.

Pater Michael Hüttl beschloss erst im Alter von 30 Jahren, in den Benediktinerorden einzutreten. Zuvor war er in die Fußstapfen seines Vaters getreten, der Fleischer in Pulkau (Bezirk Hollabrunn) war.

Seit nunmehr zehn Jahren ist Hüttl Prior im Stift Altenburg. Im Interview mit noe.ORF.at erzählt er, warum er seinen Job als Fleischermeister aufgegeben hat, um Priester zu werden. Außerdem nimmt er zu aktuellen Problemen der katholischen Kirche Stellung. Die Zahl der Kirchenaustritte hatte erst im Vorjahr einen Rekordwert erreicht.

noe.ORF.at: Pater Michael, 1996 sind Sie in den Benediktinerorden eingetreten. Aber Ihr Lebensweg, der war eigentlich ganz anders vorgegeben.

Pater Michael Hüttl: Die Frage ist immer: Was ist vorgegeben? Aber es hat auf jeden Fall anders begonnen. Ich habe mit 14, 15 Jahren in der Unterstufe des Gymnasiums für mich festgestellt: „Nie mehr Schule!“ Das habe ich gegen den Willen meiner Eltern in Pulkau durchgesetzt. Meine Eltern waren ganz strikt dagegen, aber ich habe dann meine Gesellenprüfung als Fleischermeister abgelegt und im Jahr 1984 war ich dann Niederösterreichs jüngster Fleischermeister.

Ich war dann lange Jahre in Wien im Verkauf tätig und habe in dieser Zeit die Kirche, meine Pfarre, die Pfarre Pulkau, wirklich auch als Heimat gefunden, weil ich dort Freunde fand, weil ich dort Mitstreiter fand, die eben ihre Zeit investiert haben in die Idee Pfarre und in die Idee Kirche. Da hat sich eben so eine Beziehung in Jugendjahren ergeben.

Pater Hüttl: Warum er Priester geworden ist

noe.ORF.at: Das Stift gibt es seit 880 Jahren. Wie viele andere Klöster und Stifte hat man vor allem Probleme mit dem Nachwuchs. Zu Hochzeiten waren es bis zu 35 Mönche im Stift Altenburg. Nun sind es neun. Woran liegt es, dass sich so wenige Menschen für eine Ordensgemeinschaft entscheiden?

Pater Michael: Wir sind immerhin neun! Neun Mönche, die zusammenarbeiten, können die Welt aus den Angeln heben. Ich glaube, wir haben hier ein Phänomen, das es in fast allen Bereichen der Gesellschaft gibt. Es wird heute für junge Menschen immer schwieriger, von einem Punkt aus ihr Leben in etwas zu investieren. Das ist ja auch ein Problem in Partnerschaften oder Unternehmen, dass eine Bindung auf lange Sicht schwierig ist. Und die Idee, Mönch zu werden, ist eine Bindung auf Lebenszeit. Ohne diese Leidenschaft kommt man wahrscheinlich auch nicht auf die Idee, diesen Schritt wirklich zu setzen.

Pater Michael im Interview
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Ostern soll daran erinnern, die Frage nach der Auferstehung wieder ganz bewusst ins Zentrum zu rücken, so Pater Michael

noe.ORF.at: Ähnliches gilt auch für die katholische Kirche und die Zahl der Kirchenaustritte. Es gibt kaum ein Jahr, in dem es nicht einen Rekord an Kirchenaustritten gibt. Woran liegt es? Öffnet sich die Kirche zu wenig?

Pater Michael: Ich glaube nicht. Ich glaube, dass wir sehr bemüht sind, offen zu sein, einladend zu sein, zugänglich zu sein, in der Hoffnung, zuhören zu können. Vielleicht ist es ein Manko, dass wir oft viel zu viel und zu schnell reden und nicht mehr hören, was die Menschen wirklich bewegt, was wirklich die Fragestellungen sind. Aber auch hier gilt: Das haben viele Institutionen. Ob sie jetzt mit den Freiwilligen Feuerwehren reden, mit den Sportvereinen oder auch mit politischen Parteien – die haben alle ziemlich die gleichen Erfahrungen.

noe.ORF.at: Papst Franziskus hat für Aufsehen gesorgt, weil er den Krieg in der Ukraine kommentiert hat. Er hat gesagt, man müsse den Mut zur weißen Fahne haben, den Krieg in Verhandlungen beenden. Das hat für großes Aufsehen gesorgt, vor allem in der Ukraine. Darf sich die Kirche in solche Konflikte einmischen?

Pater Michael: Die Kirche ist eine Einmischung, eine Einmischung als Institution grundsätzlich. Denn wenn sie sich nicht mehr einmischt, dann passiert genau das, dass sie die Welt verlässt und wie die Welt ausschauen würde ohne Einmischung der Kirche, das wollen wir uns nicht vorstellen. Aber natürlich sieht der Papst das unglaubliche Elend, das Elend so vieler in der Zivilbevölkerung, bei den Kindern, bei den Alten. Ganz egal wo. Und dass der Papst natürlich jetzt nicht sagen kann: „Ja, das ist alles gut und das geht noch zehn Jahre“, und einfach nur Waffen zu schicken, das ist aus meiner Sicht zumindest mit einem Fragezeichen zu versehen.

Diese Aufforderung des Papstes gilt wahrscheinlich jetzt nicht nur der Ukraine, sondern den Verantwortungsträgern überall und dafür Sorge zu tragen, dass hier ein Ende gesetzt wird, ein Ende der Gewalt, ein Ende des Krieges. Und dann muss trotz alledem natürlich für Gerechtigkeit gesorgt werden. Das ist in der Ukraine nicht gut aufgenommen worden. Das kann ich nachvollziehen und das kann ich verstehen. Aber dass der Papst jetzt zu einem Krieg nicht nichts sagen kann, muss eigentlich klar sein.

noe.ORF.at: Ostern ist das höchste christliche Fest, Fest der Auferstehung. Man hat aber das Gefühl, dass es ein bisschen im Schatten von Weihnachten steht. Worauf führen Sie das zurück?

Pater Michael: Das große Thema von Ostern ist die Frage nach der Auferstehung. Das ist heute ein Thema, von dem ich glaube, dass wir da ganz viel Notwendigkeit haben, diese Frage zu stellen. Diese Frage „Was ist das? Von den Toten auferstehen? Reden wir noch darüber? Reden wir über die Auferstehung?“, das ist die Chance, die Ostern bietet. Das ist die Chance, die jetzt gegeben ist, wenn die Feste schon so verwässert sind, dass viele überhaupt nicht mehr wissen, was der eigentliche Inhalt ist. Ostern ist das Fest der Auferstehung. Alles andere verblasst.