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Phong Truyen Thong / Hanoi Universität
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SOZIALES

Pflegekräfte aus Vietnam gegen Personalmangel

Niederösterreich setzt beim Mangel an Pflegekräften auf Personal aus Vietnam. Das Projekt läuft auf Hochtouren, wie sich nun eine Delegation aus dem Bundesland in Hanoi überzeugte. In einem Jahr kommen die ersten Pflegekräfte zur weiteren Ausbildung nach Niederösterreich.

Es liegt eine Dunstglocke aus Smog und Nebel über der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi – laut Einheimischen ein typisches Bild für diese Jahreszeit. Ebenso typisch ist das pausenlose Hupen von Autos und dutzenden Mopeds im mehr als lebendigen Verkehr. „Wer vorher fährt, hat Vorrang“, so lautet hier das Motto. Ebenso typisch ist, dass man sehr viele junge Menschen sieht. Das ist kein Zufall. Vietnam hat eine der jüngsten Bevölkerungen weltweit, das Durchschnittsalter liegt bei etwa 32 Jahren.

Immer mehr Menschen in Vietnam bekommen Zugang zu höherer Bildung, etwa auf der Hanoi Universität. Schon seit mehr als zehn Jahren gibt es eine Partnerschaft zwischen der IMC Fachhochschule Krems und der Hanoi Universität. Für das gemeinsame Pflege-Pilotprojekt wurde beim Besuch der niederösterreichischen Delegation ein Festakt veranstaltet – samt gesanglicher Einlagen, die die Vietnamesinnen und Vietnamesen besonders gerne mögen.

150 Studierende lernen derzeit Deutsch

Seit Juni des Vorjahres lernen 150 Studierende an der Universität die deutsche Sprache. Vor Ort berichten sie noe.ORF.at von ihren Zielen: Krankenpfleger sein, Biologie und Medizin studieren und den Menschen helfen, gesund zu bleiben.

Die Studierenden gestalteten außerdem eine Ausstellung über Niederösterreich und setzen sich auch schon mit der Kultur auseinander. „Die Studierenden sagen, dass dies eine großartige Gelegenheit für sie und auch für ihre Familien ist“, so Nguyen Van Trao, Präsident der Universität Hanoi. „Ich habe mit einigen Regierungsverantwortlichen der Provinzen gesprochen, von woher einige kommen. Sie sagen, dass dieses Programm so wichtig ist, damit alle Menschen dort erfahren, dass sie gute Arbeitsplätze bekommen können und ausgebildet werden.“

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Hanoi, die Hauptstadt Vietnams, hat in etwa so viele Einwohnerinnen und Einwohner wie in ganz Österreich
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Eines fällt in Hanoi sofort auf: Der extreme Verkehr
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An der Universität Hanoi lernen die Teilnehmenden des Pflegeprogramms derzeit die deutsche Sprache
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Für das gemeinsame Pflege-Pilotprojekt wurde ein Festakt veranstaltet
Hanoi Vertragsunterzeichnung
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Im Zuge der Delegationsreise wurde auch eine Kooperationsvereinbarung unterzeichnet
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Beim Lokalaugenschein wurde auch ein SOS Kinderdorf besucht
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Soziallandesrätin Christiane Teschl-Hofmeister beim Besuch in Hanoi
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Die Teilnehmenden des Ausbildungsprogramms wollen die Welt sehen und die Chance auf Bildung nützen
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In vielen Provinzen Vietnams können sich die Menschen keine Bildung leisten
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… das Programm sei daher eine große Chance
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In einem Jahr kommen die ersten Pflegekräfte aus Vietnam nach Niederösterreich
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Beim Besuch war natürlich auch die vietnamesische Kultur Thema

In etwa einem Jahr werden die ersten 75 Studierenden nach Niederösterreich kommen und danach ein Jahr zur Pflegekraft ausgebildet. Das Projekt soll auch danach fortgesetzt werden. Dafür wurde in Vietnam ein Kooperationsvertrag unterzeichnet.

Weltweite Suche nach Pflegekräften

„Die Pflegekräfte fehlen nicht nur in Niederösterreich, sondern in ganz Österreich und Europa. Das heißt, alle schauen sich weltweit um. Das ist eine Chance für beide Seiten, wie ich finde“, so die zuständige Landesrätin Christiane Teschl-Hofmeister (ÖVP) bei ihrem Besuch in Vietnam. „Wir haben in Niederösterreich schon viel vorgearbeitet. Wir haben das Stipendium als Erstes auf die Reihe gebracht. Wir unterstützen Studierende oder Auszubildende in der Pflege mit Geld. Wir haben neue Ausbildungsplätze geschaffen. Wir haben für die Lehre begeistert. Wir haben alle Ausbildungsformen in Niederösterreich, die es geben kann, wenn man in die Pflege hinein möchte. Und jetzt kümmern wir uns intensiv darum, auch noch Kräfte aus dem Ausland zu finden, die uns unterstützen.“

Dass immer mehr Länder und Regionen Europas die Lösung für den massiven Engpass an Pflegekräften suchen, zeigt sich daran, dass kürzlich die deutsche Bundesregierung auf Werbetour für Fachkräfte in Vietnam unterwegs war. Im internationalen Vergleich scheint noch kein Modell so konkretisiert wie das niederösterreichische.

Dass man nicht die schnelle Fachkraft, sondern die gut ausgebildete wolle, hörte man beim Besuch in Vietnam aus den Reihen der Delegation immer wieder. Daher setzt man zuerst auf die deutsche Ausbildung auf der Universität in Hanoi, dann folgt die Fachausbildung und die kulturelle Integration in Niederösterreich, gefolgt von einer Arbeitsplatzgarantie und einem unbefristeten Dienstverhältnis bei der Landesgesundheitsagentur. Das Gehalt ist viel höher als das Durchschnittsgehalt in Vietnam.

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150 Studierende sind Teil des Ausbildungsprogramms im Vietnam, in etwa einem Jahr kommen die ersten für die weitere Ausbildung nach Niederösterreich

Chance auf Bildung

Eine Verpflichtung, nach der Ausbildung zu bleiben, gibt es nicht, aber die Erfahrungswerte von SeneCura, dem größten privaten Pflegebetreiber Österreichs, der schon vor drei Jahren mit derartigen Rekrutierungsmodellen begann, zeigen ein klares Bild, erklärt Unternehmenssprecher Johannes Wallner. „Wir haben in den letzten drei Jahren ungefähr 300 Personen geholt – und von den 300 sind 290 noch da“, so Wallner.

Für die Vietnamesinnen und Vietnamesen ist die Motivation, an dem Projekt teilzunehmen und nach Niederösterreich zu gehen, unterschiedlich, erklärt Markus Golla, Institutsleiter der Pflegewissenschaft an der IMC FH Krems: „Die einen wollen die Welt sehen, die anderen haben hier einfach keine Chance auf eine Bildung, weil sie aus ärmlichen Verhältnissen oder aus dem SOS Kinderdorf kommen – und hier Bildung bezahlt werden muss.“ Das SOS Kinderdorf in Hanoi, das von der Delegation besucht wurde, ist eines von 17 in Vietnam. Im Dorf gibt es 14 Häuser und zwei Wohngemeinschaften. Zurzeit leben hier 168 Kinder. Drei Studierende des Pflegeausbildungsprogramms wuchsen hier auf.

Ein weiterer Termin für die niederösterreichische Delegation war das Militärspital in der vietnamesischen Hauptstadt. Bei einem Arbeitsgespräch wurden Pläne geschmiedet – etwa, dass Studierende des Programms auch schon während des Studiums in Vietnam im pflegerischen Bereich tätig sein können. In etwa einem Jahr ist es dann so weit: Dann kommen die ersten Studierenden nach Niederösterreich, sprachlich und auch gesanglich vorbereitet, wie sie beim Besuch in Hanoi mit der österreichischen Bundeshymne präsentierten.