Mitglieder der Initiative Zusammenhalt im Landtag
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Politik

Politiker im Landtag unter Beobachtung

Seit Beginn der schwarz-blauen Zusammenarbeit in Niederösterreich beobachten Mitglieder der Initiative Zusammenhalt die Sitzungen im Landtag. Am Donnerstag wurde Bilanz gezogen: Die Regierung arbeite intransparent, die Opposition habe einen schweren Stand.

Wenn in St. Pölten eine Landtagssitzung stattfindet, dann sind seit einem Jahr auch sie mit dabei: die Mitglieder der Initiative Zusammenhalt Niederösterreich. Eine Gruppe von rund zwölf Personen, großteils Pensionisten, die aus allen Vierteln des Bundeslandes kommen. In ihren blauen T-Shirts sitzen sie auf den Zuschauerrängen und beobachten genau: die Politikerinnen und Politiker, was sie sagen und wie sie es sagen, die Vorgänge und die Stimmung bei den Sitzungen.

Die „Impressionen aus dem Landtag“ werden im Internet auf der Website der Initiative veröffentlicht, ergänzt mit weiterführenden Recherchen. „Wir tun das, weil wir meinen, dass unsere Politikerinnen beobachtet werden müssen. Und wir tun es, weil wir meinen, dass die Öffentlichkeit mehr davon mitbekommen sollte, was im Landtag passiert“, sagte Gundi Dick, Vorstand der Initiative bei einem Pressegespräch am Donnerstag in St. Pölten.

„Rauer Ton im Landtag“

Die Vertreterinnen und Vertreter von Zusammenhalt berichteten von einem rauen Ton, der im Landtag herrsche. Ministerin Leonore Gewessler (Grüne) werde von Abgeordneten als Ökokommunistin beschimpft, Klimaaktivisten als Terroristen, Chaoten oder Idioten. Landtagspräsident Karl Wilfing (ÖVP) und der Zweite Präsident Gottfried Waldhäusl (FPÖ) würden ihre Ordnungsrufe „höchst selektiv“ verteilen, vor allem an die Opposition.

Scharfe Kritik übte die Initiative an den Freiheitlichen. „Die FPÖ ist erstarkt. Sie bringt ihre Themen offensiver vor. Wir hören Hetze gegen Asylwerberinnen, gegen Migrantinnen und gegen Geflüchtete“, sagte Dick. Mit Blick auf den Asylbereich sei man zudem mit „Zahlentricksereien und irreführenden Informationen konfrontiert, das beschädigt Demokratie und Rechtsstaat“.

Anträge der Opposition „werden abgeschmettert“

Die Landesregierung „agiert intransparent und kommt ihrer Rechenschaftspflicht nicht nach“, erklärte Dick weiter. Anfragen würden mangelhaft beantwortet – hier steche besonders die ÖVP hervor. „Wir stellen fest, dass die Opposition einen schweren Stand hat. Mögen ihre Anträge noch so gut sein, ihre Vorschläge werden abgeschmettert“, so die Vertreterin der Initiative bei dem Pressegespräch. Obwohl es keinen Klubzwang bei Abstimmungen im Landtag gebe, sei es in der Praxis so, dass Parteien geschlossen abstimmen würden.

Pressekonferenz der Initiative Zusammenhalt in St. Pölten
ORF/Thomas Koppensteiner
Zogen eine kritische Bilanz nach einem Jahr Schwarz-Blau: Die Initiative Zusammenhalt gemeinsam mit Vertretern von SOS Mitmensch, Fridays for Future und Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb

Die Initiative Zusammenhalt wurde rund um die Causa des umstrittenen Flüchtlingsquartiers Drasenhofen (Bezirk Mistelbach) gegründet. Neben den zwölf Personen, die bei den Landtagsbeobachtungen aktiv sind, arbeitet man auch mit anderen Initiativen und Plattformen zusammen. Gemeinsam habe man zum Ziel „eine demokratische und nachhaltige Gesellschaft, die den Zusammenhalt fördert“, sagte Dick.

Mit Fridays for Future für mehr Klimaschutz

An dem Pressegespräch in St. Pölten nahmen etwa auch Klimaaktivistin Johanna Frühwald von Fridays for Future Niederösterreich, SOS-Mitmensch-Sprecher Alexander Pollak und Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb teil. Letztere erklärte in ihrem Statement, dass zu befürchten sei, dass meteorologische Prozesse unterschätzt wurden und Veränderungen viel schneller kommen als bisher gedacht. „Wir müssen Klimaschutz wesentlich beschleunigen, denn wenn die wissenschaftliche Gewissheit herrscht, ist es möglicherweise zu spät zum Handeln.“

Johanna Frühwald von Fridays for Future forderte eine Kursänderung bei der Bodenversiegelung und beim Straßenbau. Der Ausbau der Windkraft passiere zu langsam. Niederösterreich verpasse angesichts von ungenutzten Potenzialen für Wind- und Sonnenkraft die Chance, zur „Energiehochburg Österreichs“ zu werden. Frühwald wies zudem aufs Schärfste den Vergleich von Klimaaktivisten mit Extremisten oder Terroristen zurück und sprach sich dagegen aus, Klimabewegungen pauschal zu kriminalisieren.

SOS-Mitmensch-Sprecher Alexander Pollak ortete durch das am 17. März 2023 präsentierte Arbeitsübereinkommen von ÖVP und FPÖ einen „politischen Dammbruch“, der ein „verheerendes Signal“ sende. Weiters kritisierte er „Stimmungsmache gegen Drittstaatsangehörige“. „Wir erleben, dass sich die Spitze der Landespolitik an die Rhetorik der Spaltung der extremen Rechten teilweise angepasst hat. Sie ist in einen Wettkampf eingestiegen, in dem es nicht mehr um die besseren Lösungen und Konzepte geht, sondern darum, wer Spaltung und Frontenbildung am schrillsten und lautesten vertritt“, meinte Pollak. Er bezeichnete die Initiative Zusammenhalt als „Modellprojekt für gelebte Demokratie“.

Zauner: „Panik-Orchester trifft keinen Ton“

„Das vornehmliche linke Empörungs- und Panik-Orchester trifft auch nach einem Jahr in NÖ keinen Ton“, kritisierte ÖVP-NÖ-Landesgeschäftsführer Matthias Zauner die Initiative am Donnerstag. „Hauptsache laut, aber nicht richtig“, so Zauner weiter. Richtig sei, keine andere Landesregierung treibe den Ausbau der Erneuerbaren Energie engagierter voran als Niederösterreich, nannte Zauner als Beispiel. Richtig sei auch, Niederösterreich verschließe die Augen nicht vor dem politischen Islam und dem Antisemitismus, so der ÖVP-NÖ-Landesgeschäftsführer in einer Aussendung.