Höhlenforscherin Barbara Funk
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Wissenschaft

Seltene Thermalwasserhöhle entdeckt

Eine seltene Kalksteinhöhle ist vor Kurzem in einem Steinbruch im Leithagebirge entdeckt worden. Höhlenwissenschaftler gehen davon aus, dass Thermalwasser aus dem Erdinneren diese geschaffen hat. Nur rund ein Prozent aller bekannten Höhlen in Österreich sind auf diese Weise entstanden.

Bei Arbeiten in einem Steinbruch in Mannersdorf am Leithagebirge (Bezirk Bruck an der Leitha) haben Steinhauer vor Kurzem den Eingang zu einer rätselhaften Höhle freigelegt. Von außen weist nur ein schmaler Spalt auf den dahinterliegenden Hohlraum hin, der Großteil liegt in der Finsternis verborgen.

Höhlenforscherinnen und -forscher des Landesvereins für Höhlenkunde und des Naturhistorischen Museums Wien (NHM) begingen die Höhle nun erstmals gemeinsam mit noe.ORF.at, um herauszufinden, wie diese geformt wurde. Neben einigen Verästelungen und Schächten eröffnet sich nach dem Einstieg ein etwa zehn Meter langer Gang in den Felsen. Die Höhlenwände sind mit Tropfsteinen und anmutigen Kalkabscheidungen geschmückt. Mit Lasern vermessen die Wissenschaftler die Gänge und Schächte.

Warmes Wasser im Berg

„Diese Höhle ist eindeutig durch Wasser entstanden“, sagt Lukas Plan, Höhlenexperte am NHM und Höhlenforscher des Landesvereins für Höhlenkunde Wien-Niederösterreich. Das Wasser hat eindeutige Spuren hinterlassen: Die Wände sind glatt und in rundlichen Formen geschliffen. Allerdings kann nicht normales Grundwasser dafür verantwortlich gewesen sein, denn das löst Kalkstein nicht.

Höhlenexpeditionen im Leithagebirge

Um Kalk zu lösen, ist saures Wasser notwendig. „Mit hoher Wahrscheinlichkeit waren das Tiefenwässer“, sagt Plan, in der Umgebung von Mannersdorf gibt es seit jeher warme Thermalquellen, die auf natürliche Weise Kohlensäure führen. Wenn dieses Wasser aus der Tiefe nach oben dringt, kühlt es nahe der Oberfläche ab und löst dabei den Kalkstein, erklärt Plan. Der Boden der Höhle ist heute von Sedimenten verschlossen. Wie das Wasser in die Höhle strömte und wohin der Kalk abfloss, ist nicht mehr eindeutig rekonstruierbar.

Leithakalk besteht aus Algenskeletten

Leithakalk galt jahrhundertelang als beliebter Baustoff. Große Teile des Stephansdoms wurden mit Steinen aus dem Leithagebirge gebaut. Auch Steinmetze und Bildhauerinnen nutzen Leithakalk für Skulpturen, weil er sich gut formen lässt. Heute dient er hauptsächlich zur Zementproduktion.

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Höhlenexpedition
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Thermalwasser aus dem Erdinneren hat diese Formen geschaffen
Höhlenforscher Lukas Plan
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Schon nach wenigen Metern ist kaum Tageslicht vorhanden
Höhlenexpedition Boden
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Hier strömte einst das Thermalwasser von unten in die Höhle, heute ist der Zulauf verschüttet
Höhlenvermessung
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Die Höhle wird penibel mit Lasermessgeräten vermessen
Höhlenexpedition
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Jeder Winkel wird vermessen, oft ist der Ab- und Aufstieg in die Schächte Zentimeterarbeit
Leithakalk
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Leithakalk besteht aus den Skeletten der Kalkrotalge, vor 15 Millionen Jahren war das Wiener Becken ein Meer
Höhlenexpedition
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Im Leithakalk finden sich daher auch zahlreiche Fossilien, hier das Haus einer Babyschnecke
Höhlenexpedition
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37 Meter Länge und ein Höhenunterschied von sieben Metern – das ist das Ergebnis der Vermessung der Höhle

Diese Gesteinsform entstand vor 15 Millionen Jahren. Im Vergleich zum tiefer liegenden Dolomit mit einem Alter von 220 Millionen Jahren ist Leithakalk also eine relativ junge Gesteinsform. Er besteht aus den Überresten der Kalkrotalgen, die vor mehr als 15 Millionen Jahren in jenem subtropischen, warmen Meer lebten, das damals das Wiener Becken bedeckte.

Die Skelette der Kalkrotalgen bestehen aus Calzit, erklärt Plan. Als das Meer austrocknete, setzten sich die Skelette als Kalkstein auf dem Grund ab. Die charakteristische Maserung des Leithakalks lässt die Überreste der Kalkrotalgen noch heute deutlich erkennen.

4.400 Höhlen in Niederösterreich bekannt

Jene Kalksteinhöhle, die in Mannersdorf entdeckt wurde, verfügt über eine Gesamtlänge von 37 Metern und einen Höhenunterschied von sieben Metern, das konnten die Experten des Landesvereins für Höhlenkunde nun eindeutig dokumentieren. Wichtig sei die Vermessung, um besondere Funde auch in der Zukunft genau lokalisieren zu können, erklärt Plan: „Ohne Vermessung wären sie wertlos.“

Aber die Vermessungsdaten zeigen auch, wie umfangreich das Höhlensystem Niederösterreichs ist. Bekannt sind 4.400 Höhlen. Die Gesamtlänge aller bekannten Schächte und Gänge unter Tag in Niederösterreich beträgt immerhin 170 Kilometer – so weit wie einmal quer durch das Bundesland. Pro Jahr werden im Schnitt 20 bis 30 neue Höhlen gefunden und vom Landesverein vermessen. Von einer Höhle sprechen Fachleute ab einer Länge von mindestens fünf Metern.

Vom eigenständigen Höhlenforschen raten die Expertinnen und Experten allerdings dringend ab. Man wisse nie, was einen erwartet, betont Plan. Für Interessierte bieten Höhlenvereine Schulungen und Kurse an.