Struthiosaurus Austriacus Visualisierung
Fabrizio De Rossi
Fabrizio De Rossi
Wissenschaft

Österreichs Dino war viel größer als gedacht

Der einzige jemals in Österreich gefundene Dinosaurier dürfte beinahe doppelt so groß gewesen sein wie bisher angenommen. Das zeigt eine Neuuntersuchung der Knochen, die 1859 in Muthmannsdorf (Bezirk Wr. Neustadt) gefunden wurden.

Schuppenteile, Halswirbel und Hörner – um die hundert Knochenteile des Struthiosaurus austriacus werden heute in der Paläontologischen Abteilung der Universität Wien verwahrt. Gefunden wurden die Knochen 1859 in einem Kohlestollen in Muthmannsdorf.

Jahrzehntelang galt der Struthiosaurus als wissenschaftlich gut erforscht. Nun hat sich der Paläontologe Sebastian Stumpf von der Universität Wien mit einem Team die Knochen noch einmal genau angesehen und wurde dabei stutzig.

Oberschenkelknochen verwechselt

„Es war offensichtlich, dass irgendwas nicht hinhauen kann“, erzählt Stumpf im Gespräch mit noe.ORF.at. Bisher war man davon ausgegangen, dass der Dinosaurier aus Muthmannsdorf eine Länge von zweieinhalb bis drei Metern, gemessen vom Kopf bis zur Schwanzspitze, hatte. Ausgangsbasis dieser Berechnung war ein gut erhaltener Oberschenkelknochen. Stumpf wurde allerdings auf einen zweiten, deutlich größeren Oberschenkelknochen aufmerksam, der nur in Teilen erhalten ist.

Der Paläontologe ist sich sicher: Es liegt eine Verwechslung vor. Der kleinere Knochen dürfte von einem jugendlichen Struthiosaurus stammen, der große hingegen gehörte einem ausgewachsenen Tier. Damit muss die Größe des einzigen österreichischen Dinosauriers nun völlig neu berechnet werden. „Momentan gehen wir von einer Größe von vier bis fünf Metern aus, was natürlich um einiges größer ist als vormals angenommen“, sagt Stumpf. Auch das bisher angenommene Gewicht von rund 300 Kilogramm muss nach oben korrigiert werden. Der „Struzi“ dürfte bis zu einer Tonne auf die Waage gebracht haben.

Fotostrecke mit 2 Bildern

Struthiosaurus Austriacus Visualisierung
Fabrizio De Rossi
Einem Menschen wäre der Struthiosaurus laut aktueller Forschung wohl bis zur Brust gegangen
Knochenvergleich Struthiosaurus Austriacus
Sebastian Stumpf
Der Grund für den Irrtum: Bei den größeren Oberschenkelknochen (rechts) fehlt rund ein Drittel

Suche nach dem Lebensalter des „Struzi“

Um letztlich sicher zu sein, hat der Paläontologe einen Knochen zersägen lassen und eine feine Knochenscheibe entnommen. In Labors in Polen und Deutschland wird diese aktuell histologisch untersucht. Dadurch lässt sich feststellen, welches Lebensalter die Tiere zum Zeitpunkt ihres Todes erreichten.

„Es ist so ähnlich wie bei den Baumringen eines Baumes“, erklärt Stumpf: „Es werden jahreszeitlich bedingt neue Ringe angesetzt, und somit können wir im besten Fall das Alter des Tieres schätzen.“ Die Analyse wird erst in einigen Monaten vorliegen, erste Ergebnisse deuteten jedoch darauf hin, dass die These vom jugendlichen Struthiosaurus stimme, sagt Stumpf.

Österreichische Dinoforschung revolutioniert

Warum der Irrtum Generationen von Paläontologen nicht früher aufgefallen ist, liegt laut Stumpf wohl an der Unvollständigkeit des Oberschenkelknochens. Rund ein Drittel fehlen, weswegen der Größenunterschied auf den ersten Blick nicht eklatant ist. „Anders kann ich mir das nicht erklären“, meint der Forscher.

Stumpfs neue Erkenntnisse bringen nicht nur die heimische Dinosaurierforschung gehörig durcheinander, auch Struthiosaurus-Knochen, die in Spanien und Rumänien gefunden wurden, müssen nun neu geprüft werden. Möglicherweise gehören sie gar nicht zur Struthiosaurus-Familie, meint der Wissenschaftler.

Fotostrecke mit 5 Bildern

Horn, Dorne Struthiosaurus
ORF
Zwei Hörner trug der Struthiosaurus zur Verteidigung
Rückenplatte Struthiosaurus
ORF
Mit solchen Schuppen war er gegen Fressfeinde geschützt
Rückenplatte Struthiosaurus
ORF
Der Panzer bedeckte den gesamten Körper
Schulterknochen Struthiosaurus
ORF
In Muthmannsdorf wurden die Überreste verschiedener Tiere gefunden, die unterschiedlich alt waren
Wirbelknochen
ORF
Über die Größe der Halswirbel kann die Länge des Schwanzes ermittelt werden

Der Struthiosaurus lag mit vier bis fünf Metern übrigens größenmäßig exakt im Durchschnitt unter den Dinosauriern. Er ernährte sich ausschließlich von Pflanzen und war zum Schutz vor Feinden am ganzen Körper gepanzert. Zur Verteidigung prangten rechts und links auf den Schultern zwei spitze Hörner. Große Teile dieser Panzerplatten sowie zwei Hörner sind im Fundus der Uni Wien erhalten.

Durchschnittlich schlau, aber schwerhörig

Besonders wertvoll ist außerdem das Fragment eines Schädels, das die Forscher auf ein lediglich walnussgroßes Gehirn schließen lässt. Der Struthiosaurus war deshalb allerdings nicht unbedingt denkfaul, betont Stumpf: „Es ist ein Standarddinosaurier mit dementsprechendem Gehirn.“ Der Struthiosaurus dürfte weder besonders intelligent noch besonders dumm gewesen sein.

Was der Schädelknochen aber mit Sicherheit zeigt: Der Hörsinn des „Struzi“ war eingeschränkt, weil die Gehörgänge sehr kurz sind. Der Urzeitbewohner konnte nur tiefe Laute wahrnehmen, den Großteil des menschlichen Klangspektrums dagegen nicht. Möglicherweise spielte der Hörsinn für das Tier aber gar keine entscheidende Rolle, weil die Panzerung gegen Feinde half und keine Kommunikation zu Artgenossen notwendig war. „Das hat uns zu der These gebracht, dass der Struthiosaurus vielleicht gar nicht in Gruppen lebte, sondern eher alleine unterwegs war“, meint der Wissenschaftler.

„Struzi“ war Insulaner

Die Gattung der Struthiosaurier lebte vor 90 Millionen Jahren und damit relativ nah am Aussterbezeitpunkt der Dinosaurier vor 66 Millionen Jahren. Der Grund, warum Dinosaurierfunde in Österreich so selten sind, liegt in der landschaftlichen Beschaffenheit zu Zeiten des Erdmittelalters. Das heutige Österreich war ein Inselarchipel, erklärt der Experte. „Struthiosaurus war ein Bewohner einer dieser kleinen Inseln.“

Da durch die geringe Landfläche die entsprechenden Sedimente und Gesteine fehlen, die Dinosaurierknochen sonst konservieren, sind die Funde rar, erklärt Stumpf. Im Fall von Muthmannsdorf konnten die Knochen in der Kohle überdauern, was übrigens auch der Grund ist, warum sie schwarz gefärbt sind.