Der Treffpunkt für das erste Aufeinandertreffen des amerikanischen und des niederösterreichischen Wagram war symbolisch gewählt: Kulturstadtrat Franz Spehn (ÖVP) empfing die dreiköpfige Delegation aus North Carolina im Napoleonmuseum der Stadtgemeinde. Denn Napoleon ist der Grund, warum die beiden Gemeinden nun überhaupt miteinander zu tun haben.
Wie Recherchen von noe.ORF.at ergaben, wurde die amerikanische Gemeinde „Town of Wagram“ in North Carolina nach der napoleonischen Schlacht von Deutsch-Wagram (1809) benannt. Ein napoleonbegeisterter Lokführer nannte eine namenlose Siedlung an seiner Bahnlinie Anfang des 20. Jahrhunderts angelehnt an die Schlacht „Wagram“, und so heißt der Ort mit rund 800 Einwohnern noch heute – mehr dazu in Warum ein Ort in North Carolina Wagram heißt (noe.ORF.at; 13.2.2024).
US-Tageszeitung berichtete über Deutsch-Wagram
„Ich glaube, ich bin die erste Person aus Wagram in North Carolina, die einen Fuß nach Deutsch-Wagram setzt“, sagt die US-Wagramerin Mary Wayne Watson. Die 77-jährige Literaturwissenschafterin forscht seit Jahrzehnten zur Geschichte ihrer Heimat. Dass sie nun Deutsch-Wagram besuchen kann, sei ein emotionaler Moment, meint Watson zu noe.ORF.at.
Ausgang für den Besuch waren unter anderem die Recherchen von noe.ORF.at, die auch von der US-amerikanischen Zeitung „The Laurinburg Exchange“ veröffentlicht wurden. „Bevor der Artikel publiziert wurde, kannten wahrscheinlich dreißig Menschen diese Geschichte, jetzt wohl dreihundert“, sagt Watson.
Spehn: Niemand wusste von Wagram in Amerika
Die Berichte hätten großes Interesse in US-Wagram hervorgerufen, heißt es. Man wisse viel über die schottischen Wurzeln vieler Bewohner, aber über den Ursprung des Namens von Wagram kaum etwas, erzählt Rachel Bahler: „Endlich hier zu sein und die ganze Geschichte hier in diesem Museum zu sehen, ist sehr, sehr cool.“
In Niederösterreich war der amerikanische Namenszwilling bislang völlig unbekannt, erzählt Kulturstadtrat Spehn: „Dass es das in Amerika gibt, das hat keiner gewusst.“ Der Besuchergruppe aus North Carolina gab Spehn Napoleon-Gedenkmünzen mit, unter anderem für die US-Wagramer Bürgermeisterin Barbara M. Pierce.
Pierce ihrerseits ließ über die Delegation ihre besten Wünsche ausrichten und sandte ein offizielles Siegel des Wagramer Wappens nach Deutsch-Wagram, in dem u.a. die österreichischen Farben zu sehen sind. „Das ist ein Symbol der Verbundenheit der beiden Wagrams“, erklärte Überbringerin Watson. Spehn will es entweder im Napoleonmuseum oder im Rathaus aufhängen lassen.
Positiver erster Eindruck
Beide Orte trennen rund 7.500 Kilometer voneinander. Wie in Niederösterreich wird auch in North Carolina Wein angebaut und beide Orte liegen an einer Bahnlinie, darüber hinaus können die Besucherinnen und Besucher wenig Gemeinsamkeiten erkennen. „Offenkundig ist Deutsch-Wagram eine finanziell erfolgreiche Gemeinde“, meint David Barrow. Auch die hohe Zahl an Windrädern sei ihm positiv aufgefallen, sagt er.
„Große Teile von Wagram dagegen stehen finanziell schlecht da, weil die Wirtschaft in den 1950er und -60er Jahren von Fabrikarbeitern abhängig war“, erklärt Barrow. Durch die Abwanderung der Textilindustrie habe sich die wirtschaftliche Lage zunehmend verschlechtert. Deutsch-Wagram wirke wie ein attraktiver Ort zum Leben, meint auch Watson: „Es sieht aus wie ein glücklicher Ort.“
In Deutsch-Wagram wird nun darüber nachgedacht, ob und wie die Kontakte vertieft werden könnten. „Vielleicht fahre ich einmal auf Urlaub und schau mir Wagram an“, schmunzelt Kulturstadtrat Spehn.