Verkehr

Ortschefs wollen Plan B für S8 prüfen lassen

Die Zukunft der geplanten Marchfeld Schnellstraße S8 liegt derzeit bei Gericht. Der Ausgang des Verfahrens ist ungewiss. Wegen der massiven Verkehrsbelastung in der Region mehren sich die Stimmen, die einen Plan B prüfen lassen wollen. Das Land ist aber weiterhin dagegen.

Auto an Auto schiebt sich die Kolonne beim Lokalaugenschein von noe.ORF.at im Frühverkehr Richtung Wien. Tausende Fahrzeuge fahren täglich durch Deutsch-Wagram und die angrenzenden Gemeinden Strasshof (beide Bezirk Gänserndorf) und Gänserndorf. An einer Kreuzung am Rande von Deutsch-Wagram sind es sogar bis zu 35.000 Fahrzeuge pro Tag. Die Verkehrsbelastung entlang der Angerer Straße (B8) ist unbestritten.

Doch die seit 20 Jahren versprochene Entlastung mit der Marchfeld Schnellstraße S8 ist nicht in Sicht. Für die Bevölkerung sei es mit Blick auf die Lebensqualität „höchst an der Zeit“, über einen Plan B nachzudenken. „Eine Alternative wäre auf jeden Fall besser, aber ich sehe da keine Chance, dass da etwas rauskommt, bei der Politik“, sagt Irene Lanzel aus Markgrafneusiedl (Bezirk Gänserndorf) etwas resigniert.

S8 Marchfeld Schnellstraße Strasshof Deutsch-Wagram Plan B
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Auto an Auto schiebt sich die Kolonne im Frühverkehr durch Deutsch-Wagram Richtung Wien

„Zum Sterben verurteilt“

Für Christa Jöchlinger aus Deutsch-Wagram ist das ganze Projekt „sowieso zum Sterben verurteilt“. Angesichts dessen habe man ohnehin „schon viel Zeit versäumt, über Alternativen nachzudenken“. „Der Stau ist ja da“, betont Peter Mosböck aus Strasshof: „Eine lokale Umfahrung würde da etwa schon eine sehr große Entlastung liefern.“

Das Projekt S8 liegt beim Bundesverwaltungsgericht. Vor einem Monat wurde dabei das Beweisverfahren geschlossen, bis zum Sommer soll es eine Entscheidung geben. Allerdings wurden mehrere Beschwerden, etwa zu den Bereichen Lärm, Luftschadstoffe oder Grundwasser noch gar nicht behandelt. Die Zeichen stehen daher eher auf Ablehnung, danach dürfte der Fall zum Höchstgericht wandern. Selbst im besten Fall ist ein Baustart daher vor 2030 nicht realistisch.

Sorge vor S8-Absage

Auch deshalb zeigen sich die Bürgermeister von Deutsch-Wagram und Strasshof mittlerweile offen, über Alternativen zu reden. Denn die Gefahr, am Ende ohne S8 und einen Plan B dazustehen, wäre „die allerschlechteste Variante“, sagt Ulrike Mühl-Hittinger (ÖVP). Möglich wäre aus ihrer Sicht eine „verschobene Version, eine leicht abgeänderte Variante der jetzigen Trasse.“

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Auch eine alternative Tasse müsse laut den Bürgermeistern wie die geplante S8 südlich der B8 verlaufen

Gespräche über so einen Plan B zu führen seien „ein wichtiger Punkt“. Mühl-Hittinger würde sich in dieser Frage auch „sofort mit Bund und Land zusammensetzen, um eine Lösung zu finden“. Entscheidend sei, dass diese Alternativen „goutiert“ und am Ende auch realisiert werden können, „das müsste als allererstes abgeklärt werden“, meint die Ortschefin.

Ganz ähnlich klingt Ludwig Deltl (SPÖ), Bürgermeister in Strasshof. Wichtig sei aus seiner Sicht, dass die Trasse weiterhin südlich der B8 geführt wird, im Bereich der geplanten S8, aber sie „dort zu versuchen ein paar hundert Meter weiter oben, unten, links, rechts zu verschieben, wo es einfacher mit den Naturschutzgebieten und Einsprüchen ist, warum nicht.“ Derzeit gebe es aber von Bund oder Land in diese Richtung keine Signale.

Umfahrung im Norden?

Laut der Umweltschutzorganisation Virus, die mehrere Beschwerden gegen die S8 eingebracht hat, braucht es Überlegungen bezüglich lokaler Umfahrungen, „die dann natürlich diesem Naturschutzgebiet, das der S8 Schwierigkeiten macht, ausweichen müssen, sonst habe ich dasselbe Problem wieder“, sagt Virus-Sprecher Wolfgang Rehm.

Die Organisation plädiert deshalb für eine Umfahrung nördlich der B8 und zusätzlich kleinere Umfahrungen im Süden, um die Gemeinden vom Schotterverkehr zu entlasten. Auch diese Variante sei bei der Prüfung zwar kein Selbstläufer, sagt Rehm: „Das hängt auch nicht von uns ab, aber wenn man so etwas realisieren möchte, ist das der Weg, der einzuschlagen ist.“

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Die Umweltschutzorganisation Virus plädiert für eine Umfahrung nördlich der B8 und kleinere Umfahrungen im Süden

Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) erneuerte erst im März in einem Brief an den für Verkehr zuständigen Landeshauptfrau-Stellvertreter Udo Landbauer (FPÖ) die Einladung, über Alternativen nachzudenken und „gemeinsam an einer zukunftsorientierten Mobilitätslösung für den betroffenen Raum zu arbeiten“. Gegenüber Anrainern sei es nicht verantwortbar, "dass der mögliche negative Ausgang dieses Gerichtsverfahrens die notwendigen Maßnahmen (…) verzögert, obwohl diese Entwicklung lange absehbar war“.

Landbauer warnt vor Alternative

Das Land zeit sich davon unbeeindruckt und hält weiter am Projekt S8 fest. Vielmehr warnt Landbauer „ausdrücklich vor dem rettenden Versuch, sich hier in Richtung alternativen Möglichkeiten weiterzuschwindeln, denn das würde bedeuten, dass eine allfällige S8, wie auch immer sie dann vielleicht heißen würde, weitere zehn, wenn nicht 20 Jahre dauern würde bis zur Realisierung.“

Stattdessen schiebt Landbauer die Verantwortung für das langwierige Bauprojekt auf Gewessler, „die dem BVwG (Anm.: Bundesverwaltungsgericht) keine Lösungen anbietet und sich deshalb dieses Verfahren so lange zieht.“ Im Ministerium heißt es wiederum, dass die Entscheidung eine Sache unabhängiger Gerichte sei. Und unabhängig davon, wie deren Entscheidung ausfällt, werden Staus und Fahrzeugkolonnen die Region noch viele Jahre begleiten.