Tiefsttemperaturen von bis zu minus 29 Grad prägen die Wintermonate im Jahr 1929. Nicht nur das Land liegt unter einer dicken Schneedecke, auch auf der Donau bilden sich meterdicke Eisschollen. Am 9. Februar erreicht der Eisstoß Wien. „Wenn es noch einige Tage kalt bleibt, wird die Donau bis weit über Wien hinauf zufrieren“, schreibt damals die Arbeiter-Zeitung.
Und so kommt es auch. Am 14. Februar staut sich der Eisstoß bereits bis nach Krems, neun Tage später erreicht er Schönbühel (Bezirk Melk, siehe Karte). Viele Menschen kommen, um dieses seltene Naturschauspiel zu bewundern und gehen auf der Donau spazieren. Der zugefrorene Strom dient als Fotomotiv für viele Ansichtskarten. An der Wiener Stadtgrenze türmen sich die Eisschollen bis zu zehn Meter hoch. Stellenweise ist die Eisdecke 50 Zentimeter dick.
Extremer Eisstoß auf der Donau
Gastwirt machte „Bombengeschäft“
In Fischamend (Bezirk Bruck an der Leitha) nutzten die Menschen hingegen den kürzesten Weg, um ins „andere Land“ nach Schönau (Bezirk Gänserndorf) zu kommen, wie der Bezirksbote damals berichtet. Der Gastwirt machte dort ein „Bombengeschäft“, indem er an die Ausflügler Glühwein ausschenkte – um fünf Schilling pro Liter. Gleichzeitig besuchten viele Bewohner von Schönau und Mannsdorf (Bezirk Gänserndorf) Fischamend.
Immerhin war es damals der erste große Eisstoß in Niederösterreich seit 20 Jahren. Davor gab es im Jänner 1893 einen großen Eisstoß, der bis nach Ybbs (Bezirk Melk) reichte und mit 129 Kilometer einer der längsten in der jüngeren Geschichte war. In Nußdorf (Wien) konnte man damals ebenfalls lange Zeit über die zugefrorene Donau gehen. Der Weg war sogar mit Zweigen gekennzeichnet.
Wie sich ein Eisstoß aufbaut
Solche Eisstöße bauen sich langsam auf. Bei Frost bildet sich an den Ufern sogenanntes Randeis, das sich u.a. durch die Strömung löst. Während des Treibens auf dem Strom vergrößern sich die Schollen bis sie bei Krümmungen des Stromes, bei Einbuchtungen und an Stellen, wo die Strömung geringer wird, ansetzen. Die nachkommenden Schollen stauen sich immer mehr und bedecken bald die ganze Flussbreite mit Eis, die sich langsam stromaufwärts aufbaut.
Von der hydrographischen Abteilung der niederösterreichischen Landesregierung werden die Eismassen damals genau beobachtet. Denn der Wasserspiegel stieg an manchen Stellen bereits um mehr als zwei Meter. „Hoffentlich nimmt der Eisstoß von uns Abschied, ohne besonderen Schaden anzurichten“ berichten Zeitungen.
Angst vor starkem Tauwetter
Denn auch wenn zunächst keine Gefahr bestand, könnte der Eisstoß schnell zu einer werden – vor allem für Wien. Wenn sich die Eismassen nach unten stauen und den Ablauf des Wassers unter der Eisdecke verhindern, tritt das nachströmende Wasser über die Eisdecke und überschwemmt die Ufer. „Man wird in den Kellern kniehoch im Wasser waten.“ Eine weitere Gefahr entstünde, wenn plötzlich starkes Tauwetter eintritt und die Schneemassen in den Bergen schmelzen.
In Niederösterreich werden deshalb Maßnahmen für ein erwartetes Hochwasser getroffen. Sandsäcke und andere Materiale werden vorbereitet, um die Donaudämme „im Augenblick der Gefahr“ sofort festigen zu können. Doch im Gegensatz zu früheren Eisstößen kommt es nicht zu Überschwemmungen. Nach einem Monat löst sich der Eisstoß Mitte März langsam wieder auf und der Donaustrom setzt sich wieder in Bewegung.
Gnadenstoß für das Donau-Eis
Es ist ein Extrembeispiel, doch auch in den folgenden Jahren friert die Donau immer wieder zu, etwa im Jahr 1958 beim Kraftwerk Ybbs-Persenbeug. Damit die Situation nicht gefährlich wird, setzt man drei sogenannte Eisbrecher ein, die im Stauraum das Eis aufbrechen und „kräftig umrühren“. Danach werden die Schleusen geöffnet, damit die Eisstücke abfließen können.
Mittlerweile liegt an jedem Donaukraftwerk zumindest ein Eisbrecher verankert, heißt es vom Betreiber Verbund. Die Eisschollen werden von den Schiffen weniger „gepflügt, viel mehr hüpft“ das Schiff auf die Eisplatten drauf und zermalmt sie von oben, erklärt Verbund-Sprecher Florian Seidl. Die Schiffe fassen immerhin ein Eigengewicht von etwa 80 bis 240 Tonnen. Damit können auch bis zu 60 Zentimeter dicke Eisplatten gebrochen werden.
Sendungshinweis
„NÖ heute“, 28.1.2022
Zum Einsatz kommen die Eisbrecher vor allem am Ende der Eisperiode. Denn „es bringt nichts, festes Eis während der Frostperiode zu brechen, damit erzeugt man nur noch dickere Eisschollen“, erklärt Seidl. Ziel sei es, damit die Donau für die Schifffahrt zugänglich zu machen, wozu der Verbund auch verpflichtet ist. Zum bisher letzten Mal war ein Eisbrecher in Niederösterreich 2012 im Einsatz, damals vor dem Kraftwerk Greifenstein (Bezirk Tulln).