Gregor Hradetzky Krems Olympiasieger Orgelbauer
Sammlung Gerhard Hradetzky
Sammlung Gerhard Hradetzky
„100 Jahre NÖ“

Der „Hradetzky-Marsch“ zu Olympia-Gold

Der Name Hradetzky steht heute weltweit für gute Qualität beim Orgelbau. 1979 half der Kremser Betrieb sogar maßgeblich beim Bau der Orgel der Oper in Sydney mit. Doch berühmt wurde Namensgeber Gregor Hradetzky einst als gefeierter Doppel-Olympiasieger 1936.

„Ich war ungemein nervös, so nervös wie noch nie in meinen Leben“, erzählte Gregor Hradetzky Jahre später in einem ORF-Interview. So kam es auch, dass er den Start über 10.000 Meter im Faltboot völlig verpatzte. „Ich bin überhaupt nicht weggekommen, ich bin sozusagen picken geblieben“, schilderte Hradetzky seine Erinnerung an den Bewerb am 7. August 1936.

Doch der sportliche Ehrgeiz prägte den Kremser sein ganzes Leben. Langsam kämpfte er sich nach vorne, erst nach drei Kilometern stieß er zur Spitzengruppe vor. Doch ab der Hälfte des Rennens bis zum letzten Kilometer lieferte er sich einen Dreikampf mit dem Franzosen Henri Eberhardt und dem Deutschen Xaver Hörmann. „Und von da an habe ich aufgedreht und bin den Leuten um fünf Sekunden davongefahren.“

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Gregor Hradetzky (2.v.r.), der bei der Siegerehrung 1936 – im Gegensatz zum drittplatzierten Deutschen – nicht die rechte Hand hob

„Olympiasieg war der größte Traum“

Es war die erste Sternstunde Hradetzkys. „Der Olympiasieg war für mich der größte Traum in meinem Leben.“ Doch nur 24 Stunden später folgte der zweite „Hradetzky-Marsch“, wie die „Olympia-Zeitung“ damals schrieb. Auch über 1.000 Meter Kajak-Einer paddelte er als Erster über die Ziellinie. Hradetzky krönte sich damit sowohl zum ersten Olympia- als auch Doppel-Olympiasieger Niederösterreichs bei Olympischen Sommerspielen.

Doch der Erfolg kam nicht von ungefähr. Sein Vater, Gregor Franz Hradetzky, der in Krems einen Orgelbaubetrieb führte, wollte zwar, dass sein Sohn ebenso „Orgeln baut und ein guter Handwerker wird“, erzählt Sohn Gerhard, ebenfalls ein Orgelbauer. Deshalb hielt er ihn auch immer zum Klavierspielen an. „Mein Vater ist aber heimlich weggegangen und hat lieber Fußball gespielt, er wollte nicht sitzen, sondern sich bewegen.“

Der Sport sei für Hradetzky immer schon an erster Stelle gestanden. „Weil man mit dem Sport nach dem Ersten Weltkrieg bekannt werden konnte, mit anderen Arbeiten nicht“, erzählt sein Sohn. Am Ufer der Donau kam Hradetzky schon bald mit dem Faltboot in Kontakt. Sein sportliches Talent wurde zwar erst mit 18 Jahren entdeckt, doch bereits ein Jahr später war er erstmals Österreichischer Meister im Kajak-Einer über 10.000 Meter.

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Gregor Hradetzkys erstes eigenes Faltboot am Donauufer

„Jetzt kommt der Trottel schon wieder“

Von da an packte ihn der sportliche Ehrgeiz. Einmal pro Woche paddelte er um 6.00 Uhr von Krems nach Melk. „Die Fischer haben oft gesagt, jetzt kommt der Trottel schon wieder“, erinnert sich Sohn Gerhard, weil Hradetzky die Fische nicht in Ruhe ließ. Und einmal im Monat fuhr er von Krems mehr als 80 Kilometer stromaufwärts ins oberösterreichische Grein. „Er hat natürlich dazwischen übernachtet, aber das war nicht zum Spaß.“

1933 errang er in Prag den ersten Europameistertitel. In dieser Zeit bis 1938 gewann Hradetzky beinahe jedes Rennen. Ein Spruch, der von damals erhalten blieb: „Der Gregerl siegt und siegt und siegt, wo immer er im Rennen liegt, ich glaube jetzt, er macht sich schon, zum Kajaksport Napoleon.“ Finanziert wurde ihm sein Hobby von der Firma Klepper, damals ein großer Betrieb für Faltboote und Kajaks in Deutschland, bei der Hradetzky angestellt war.

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Gerhard Hradetzky
Eine Auswahl von Hradetzkys Erfolgen, der zwischen 1933 und 1938 fast alle Rennen gewann

Verletzung verhinderte Olympische Winterspiele

Den Winter überbrückte Hradetzky mit Trainingseinheiten im Skilanglauf, aber auch auf der Skisprungschanze war er zu Hause und flog bis zu 80 Meter weit. Im Jahr 1936 sollte er deshalb auch bei den Winterspielen in Garmisch-Partenkirchen in der Nordischen Kombination teilnehmen. Doch beim letzten Trainingslager Ende Dezember 1935 zog er sich eine Handverletzung zu und fiel aus.

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Den Winter überbrückte Hradetzky mit Trainingseinheiten im Skilanglauf, aber auch mit Rennen im alpinen Bereich

Daraufhin galt die ganze Konzentration den Sommerspielen. Das Training war genau vorgegeben, erzählte Hradetzky später in einem Interview: „Ich habe mir das Training so eingerichtet, dass ich die ersten 1.000 Meter vom Bootshaus hinauf immer im Tausend-Meter-Tempo gefahren bin, dann nur ein paar Schläge langsamer durchzog, um dann sofort wieder auf das schnelle Langstreckentempo überzugehen, daher bin ich allen Konkurrenten davongefahren.“

„Aus heutiger Sichte wäre mein Vater mit seinen Erfolgen wohl ein steinreicher Mann“, meint Sohn Gerhard, aber damals durften Amateursportler „nichts nehmen“. Nach dem Olympiasieg sei ihm etwa zunächst ein Auto als Geschenk versprochen worden, „doch dann hat es geheißen, dass das gegen das Amateurprinzip verstoße, und er hat nichts bekommen, man hatte nur die Ehre.“

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Österreich dominiert ganze Sportart

Österreich erlebte bei den Olympischen Sommerspielen 1936 eine seiner größten Sternstunden. Mit 17 Medaillen (fünfmal Gold, siebenmal Silber und fünfmal Bronze) übertraf man sogar die bis dahin erfolgreichsten Winterspiele. Maßgeblichen Erfolg daran hatten die Kanuten, die ihre Olympia-Premiere feierten. In neun Bewerben gewann man drei Gold-, drei Silber- und eine Bronzemedaille, und dominierte das bisher einzige Mal bei Sommerspielen eine Sportart.

Nach Hradetzkys bis dahin größtem Erfolg wollte er seine Siege bei den Olympischen Spielen 1940 verteidigen. Doch wegen des Zweiten Weltkrieges wurden die Spiele abgesagt. Hradetzky trat in dieser Zeit für Deutschland an und feierte nationale Erfolge. „Er musste nach den Goldmedaillen zum Deutschen Sportverein übersiedeln und wurde von der Politik als deutsches Aushängeschild verkauft“, erzählt sein Sohn.

Trotzdem musste auch er ab 1944 an die Front. Im Kaukasus war er als Elitesoldat auf Skiern im Einsatz und kämpfte gegen die Partisanen. Während eines Heimatsbesuchs 1945 – „er wollte nochmals zu meiner Mutter“ – wurde er von den Amerikanern aufgegriffen und in Gefangenschaft genommen. In der Nähe von Salzburg kam er bis 1947 in ein Gefangenenlager.

Das Ende der sportlichen Karriere

Nach seiner Freilassung wusste er aber nicht, „was er machen sollte, den Sport konnte er als ehemaliger deutscher Athlet nicht mehr betreiben“. Weil er aber eine Beschäftigung brauchte, übernahm er 1948 die Werkstatt seines 1942 verstorbenen Vaters, die in der Zwischenzeit als Witwenbetrieb weitergeführt worden war und sich mit Reparaturarbeiten über Wasser gehalten hatte. „Er wusste ja, wie es funktioniert, weil er seinem Vater immer geholfen hatte.“

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Hradetzky verlegte die Werkstatt aus der Kremser Innenstadt in die Nähe des Steinertores

Hradetzky verlegte die Werkstatt aus der Kremser Innenstadt in die Nähe des Steinertores. Ein Auto gab es damals noch nicht, deshalb lief Hradetzky „von Orgel zu Orgel zu Fuß“, der Lehrling fuhr mit dem Fahrrad, auf dem Packsattel war das Werkzeug, sagt sein Sohn. „Und wenn es bergauf ging, hat er das Fahrrad gezogen.“ Die erste Orgel wurde in Kirnberg an der Mank (Bezirk Melk) installiert, die erste größere in Hollabrunn. „Die Mitarbeiter haben am Tag gearbeitet, der Vater in der Nacht, weil die ersten Orgeln etwas länger gedauert haben als geplant.“

Bis 1963 baute Gregor Hradetzky Orgeln mit elektropneumatischer Traktur, ehe er zu einem Vorreiter bei der Umsetzung der Prinzipien der Orgelbewegung wurde, die die Rückkehr zur mechanischen Schleifladenorgel forderte. Das System dahinter sei zwar überall gleich, erklärt Gerhard Hradetzky, aber: „Bei pneumatischen oder elektrischen Orgeln wird das Ventil von einem Magneten gezogen, aber das ist nicht der Finger, der manchmal langsamer oder schneller ist.“

Mechanik bringt großen Durchbruch

Der Anschlag klingt somit immer gleich. „Nur das mechanische System wie beim Klavier trägt den Tastendruck bzw. die Tastenbewegung auf die Pfeifen über.“ Dadurch wurde Hradetzky schließlich zum international anerkannten Orgelbauer. 1966 wurde die erste Orgel nach St. Louise in Missouri (USA) geliefert. „Eine mittelgroße Orgel mit 20 Registern, das war der große Durchbruch“, erzählt Sohn Gerhard. In den folgenden Jahren folgten elf weitere nach Amerika, außerdem nach Polen, Italien, Großbritannien und Japan.

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Besonders hervorzuheben ist seine in Kooperation mit Ronald Sharp 1979 für das Opernhaus Sydney errichtete Orgel mit 131 Registern. „Sharp ist damit nicht fertig geworden, der Termin für die Orgelweihe wurde immer wieder verschoben, die Verantwortlichen wurden sehr ungeduldig“, erzählt Gerhard Hradetzky. Über eine Empfehlung aus Manchester, wo man kurz zuvor eine große Orgel installiert hatte, wurde schließlich der Kremser Familienbetrieb hinzugezogen.

Sportliche Ehrgeiz nicht losgelassen"

Doch am Höhepunkt der Firma kam es schließlich zum Bruch. Laut Sohn Gerhard wollte er „immer besser als sein Sohn“ sein, „der sportliche Ehrgeiz hat ihn nicht losgelassen“. Wegen unterschiedlicher Ansichten gingen die beiden getrennte Wege, wenn auch nicht weit voneinander entfernt. Gregor behielt die Werkstatt in Krems, Gerhard gründete in Oberbergern (Bezirk Krems), am anderen Donauufer, seine Firma. „Der Vater hat bis 1983 weitergemacht und man hat nie gewusst, welcher welcher ist.“

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Für seine Verdienste um die Republik Österreich wurde Hradetzky das Große Goldene Ehrenzeichen verliehen

Vom guten Ruf seines Vaters profitiere er aber bis heute. „Der Namen ist schon noch mit Qualität verbunden.“ Dass Hradetzky zum weltweit geschätzten Orgelbauer wurde, sei auch dem Sport zu verdanken. „Weil man immer gesagt hat, der Olympiasieger muss ja auch gute Orgeln bauen, dadurch hat er auch Respekt und Anerkennung in Österreich bekommen.“ In Krems ist Hradetzky Ehrenbürger, zudem wurde ihm das Große Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich verliehen.

Sendungshinweis

„Radio NÖ am Nachmittag“, 21.2.2022

Dem Sport ist Hradetzky ein Leben lang treu geblieben – sowohl passiv vor dem Fernsehgerät als auch aktiv als Langläufer. 1984 brach der damals 75-Jährige beim Langlaufen auf einer Loipe in Bad Kleinkirchheim (Kärnten) plötzlich zusammen und starb. Doch in ein Faltboot stieg der ehrgeizige Sportler nach 1944 nie mehr: „Er hat gesagt, das hat keinen Sinn, ich gewinne ohnehin nicht mehr.“