Ärztin bei der Untersuchung mit einem Stetoskop
APA/HELMUT FOHRINGER
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Gesundheit

Doppelte Studienplätze: „Ärzte fürs Ausland“

Landeshauptfrau Mikl-Leitner will dem Ärztemangel mit einer Verdoppelung der Studienplätze entgegenwirken – für die niederösterreichische Ärztekammer ein „notwendiger Schritt“. Laut bundesweiter Kammer würde man „mehr Ärzte für das Ausland“ ausbilden.

1.680 Medizinstudenten werden derzeit pro Jahr an den drei heimischen Medizin-Unis in Wien, Graz und Innsbruck aufgenommen. Die Zahl zu verdoppeln sei „der falsche Ansatz“, sagt Markus Müller, Rektor der Medizin-Uni Wien. Österreich sei jetzt schon Netto-Produzent von Ärzten für die Welt, ein Ausbau der Studienplätze „würde das nur weiter befeuern und wir würden mit österreichischem Steuergeld noch mehr Ärzte für andere Länder ausbilden.“

Müller verwies dagegen auf die „sehr hohe Ärzte-Dichte und die extrem hohe Absolventen-Dichte“ in Österreich. Als man vor Jahren eine „Ärzteschwemme“ beklagte, habe es 20.000 Ärzte gegeben, heute umfasse die Ärzte-Liste 45.000 Personen. Einen Ärztemangel gebe es nicht überall, Probleme bestünden vor allem am Land und in bestimmten Fächern, die Frage sei also die regionale Versorgung. Zudem gebe es in Österreich ein extrem krankenhauslastiges System mit sehr hoher Betten- und Krankenhausdichte, solche Strukturen würden viel Personal benötigen.

System „schreckt junge Leute ab“

Die Medizinische Universität Wien nehme jährlich so viele Studenten neu auf (740) wie die Harvard Medical School insgesamt habe. Österreich habe aber ein „ineffizentes System, das junge Leute abschreckt“, sagte er etwa unter Verweis auf Wartezeiten für Ausbildungsplätze nach dem Studium, zum Beispiel in Wien. Dies sei mit ein Grund, warum ein hoher Prozentsatz an Medizin-Absolventen Österreich verlasse und „wir Leute in die Schweiz, nach Deutschland und die angelsächsischen Länder verlieren“.

Bevor man über eine Erhöhung der Studienplätze nachdenke, müsste man das Abflussproblem klären. Laut Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres müsse man den Beruf finanziell attraktiver gestalten und die Arbeitsbelastung verringern: „Denn wir haben das Problem, dass von zehn Absolventen nur sechs in Österreich zu arbeiten beginnen.“ In dieser Frage sind laut Müller sowohl die Krankenkassen als Träger im niedergelassenen Bereich als auch die Länder als Spitalsträger gefordert.

Verdoppelung ist „notwendiger Schritt“

Die Ärztekammer Niederösterreich bezeichnet eine Verdoppelung der Studienplätze hingegen als „notwendigen Schritt, um dem mittlerweile außer Zweifel stehenden Ärztemangel entgegenzuwirken“. Diese mittel- bis langfristige Maßnahme könne im Zusammenspiel mit weiteren Maßnahmen, wie einer besseren Ausbildung, die Sicherstellung der medizinischen Versorgung gewährleisten. Gerade die Universitäten müssten höchstes Interesse daran haben, die Zahl der Studienplätze der langfristigen Entwicklung anzupassen, betont Vizepräsident Ronald Gallob: "Es ist bedauerlich, dass sich gerade eine dieser Institutionen gegen das Notwendige stellt.“

Laut deren Präsident Christoph Reisner muss zudem der Aufnahmetest für das Medizinstudium überarbeitet werden: „Wir schließen derzeit zahlreiche empathische junge Menschen, die sehr gute Ärztinnen und Ärzte wären, vom Medizinstudium aus.“ Laut Reisner sei es deshalb dringend an der Zeit, besser geeignete Kriterien für das Auswahlverfahren zu finden.