Verkehr

Breitspurbahn: Verkehrminister kritisiert NÖ

Weil Niederösterreich die Verlängerung der russischen Breitspurbahn von der Slowakei bis nach Österreich am Dienstag deutlich abgelehnt hat, hat es noch am selben Tag Kritik aus dem Verkehrsministerium gegeben. Minister Andreas Reichhardt ortet in der Ablehnung „Fahrlässigkeit“.

„Im Hinblick auf das allgemeine Ansinnen, die CO2-Belastungen deutlich zu reduzieren, wäre es geradezu fahrlässig, sich der Option Breitspur von vorne herein zu verschließen“, stellte der Minister fest. Die Skepsis des Landes Niederösterreichs sei daher „überraschend“. Er ortete als Folge der Ablehnung der Verlängerung nach Österreich, dass man eine „ökologische Belastung in Kauf nehmen will“, statt an einem immensen wirtschaftlichen Nutzen teilzuhaben.

Wenn der Endpunkt der Strecke bei Wien läge, würden 63 Prozent der Güter mit der Schiene weitertransportiert, 37 auf der Straße. Wäre der Endpunkt hingegen in Bratislava, würde sich das Verhältnis mehr als umkehren und 29 Prozent Schienengütertransport stünden 71 Prozent auf der Straße gegenüber, argumentierte Reichhardt. Dadurch wäre die Verkehrsbelastung im Ostraum Wien bei dieser Variante deutlich höher, als wenn die Breitspur erst bei Wien enden würde.

Grafik mit Standorten Breitspurbahn-Hub
ORF
Aus der strategischen Prüfung sind fünf Standorte in Österreich herauszulesen, die bei einer Verlängerung in Frage kämen: Grammatneusiedl, Schwechat-Kledering, nördlich von Trautmannsdorf, zwischen Bruck an der Leitha und der Staatsgrenze und bei Parndorf im Burgenland.

Niederösterreich befürchtet Verkehrsbelastung

In Niederösterreich sieht man das anders. Die neue Verbindung würde zumindest 266.000 zusätzliche LKW-Fahrten pro Jahr in die Region bringen. Darüber hinaus sind durch die zusätzlichen 56 Güterzüge pro Tag Einschränkungen für den Personenverkehr zu befürchten, rechnete Verkehrslandesrat Ludwig Schleritzko (ÖVP) bei einer Pressekonferenz am Dienstag vor. Diese fand im Anschluss an eine Konferenz mit den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern des Bezirks Bruck an der Leitha statt, bei der diese geschlossen gegen das Projekt auftraten – mehr dazu in Niederösterreich gegen Breitspurbahn (noe.ORF.at, 23.10.2019).

Laut Schleritzko würde das Projekt nicht nur den Raum Bruck an der Leitha überlasten, sondern stünde auch den Interessen der Europäischen Union entgegen. Eines der Kernziele der EU-Schienenpolitik sei nämlich, dass Schienenfahrzeuge möglichst durchgängig zwischen verschiedenen Schienennetzen verkehren können, der Bau einer Breitspur-Trasse stehe diesem Ziel diametral entgegen.

Projekt wird seit Jahren immer wieder diskutiert

Die ersten Pläne, die in Russland übliche Breitspurbahn nach Österreich zu verlängern, um dort einen großen Umschlagplatz für den Transfer auf die in Zentraleuropa übliche Spurbreite zu errichten, gab es bereits im Jahr 2005. Seitdem wurde das Projekt immer wieder von verschiedenen Seiten gefordert und forciert, aber auch von vielen Seiten abgelehnt – zuletzt von einer überparteilichen Bürgerinitiative, die sich im Burgenland und in Niederösterreich formierte. Im März dieses Jahres wurde schließlich erneut eine Absichtserklärung zwischen Österreich, der Slowakei und Russland zum Ausbau der Breitspurverbindung für Güterzüge unterzeichnet.

Dennoch geht man in Niederösterreich davon aus, dass die Kritik des Landes nicht ungehört verhallen wird – vor allem deshalb, weil „die Bahnstrecke an sich keinen Sinn hätte, wenn es keinen Umschlagplatz, keinen Güterterminal oder keinen Logistik-Hub gebe“, wie Schleritzko sagte. „Und dafür braucht es natürlich die Raumordnung, die Bürgermeister und die Regionen, um so etwas zu machen. Und da hat das Land Niederösterreich auch ein Wörtchen mitzureden in der Raumordnung, wenn es um die verkehrlichen Auswirkungen geht“, stellte er am Dienstag klar.

Realisierung noch in weiter Ferne

Von einer Realisierung ist man ohnehin noch meilenweit entfernt. Auch Bundesminister Reichhardt stellte in seiner Aussendung klar, dass derzeit nur die Frage im Raum stünde, ob die Planungen für die gegenständliche Weiterentwicklung der Verkehrsinfrastruktur überhaupt fortgesetzt werden soll. Ein positives Ergebnis der jetzigen Prüfung würde bedeuten, eine Rechtsgrundlage für diese zu schaffen, von einer Realisierungs- und Baugenehmigung des österreichischen Abschnitts sei man noch weit entfernt.

Sollte eine Weiterführung der Planungen zur Verlängerung des Breitspurnetzes empfehlenswert erscheinen, werde das Verkehrs- und Infrastrukturministerium der Bundesregierung einen entsprechenden Vorschlag in Form einer Hochleistungsstrecken-Verordnung unterbreiten. Die Regierung entscheide dann, ob die Planungen fortgesetzt und eine Trassenfindung für das Vorhaben eingeleitet werden sollen oder nicht.