Stations-Schwester richtet ein Krankenbett
APA
ORF
Gesundheit

Gesundheitsagentur „auf Höhe der Zeit“

Die Landesgesundheitsagentur wird ab 1. Jänner alle Landeskliniken und Pflegeheime vereinen. Der Medizinrechtler Wolfgang Mazal beurteilt das große Umstrukturierungsprojekt als zeitgemäß und sieht unter den neuen Strukturen Verbesserungen auf Patientinnen und Patienten zukommen.

Es ist die voraussichtlich entscheidendste Umstrukturierung im niederösterreichischen Gesundheitswesen, die am Donnerstag im Landtag beschlossen wurde. Alle Landeskliniken und die Pflegeeinrichtungen des Landes wandern dann unter das gemeinsame Dach der Landesgesundheitsagentur. 27.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von 77 Standorten. Am Freitag sprachen bei einer Informationsveranstaltung alle vier zuständigen Landesregierungsmitglieder von einem großen Wurf und betonten die Vorteile der neuen Landesgesundheitsagentur. Mehr dazu in Die Ziele der Landesgesundheitsagentur (noe.ORF.at; 22.11.2019).

Derzeit sind die 27 Standorte der Landeskliniken noch in einer Holding organisiert, die insgesamt 48 Pflege- und Betreuungszentren sowie zwei Pflege- und Förderzentren werden vom Amt der Landesregierung verwaltet. Künftig werden alle 77 Standorte in der Landesgesundheitsagentur vereint sein. Ab 1. Jänner werden mit der Umstellung etwa 27.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und 13.600 Spitals- und Pflegebetten gemeinsam verwaltet, gesteuert und geplant. Am Donnerstag wurde das Gesundheitsreformgesetz 2020 im Landtag beschlossen. Der Medizinrechtler Wolfgang Mazal erkennt in der neuen Dachorganisation ebenfalls Vorteile für Niederösterreichs Patientinnen und Patienten.

noe.ORF.at: Was haben die Patientinnen und Patienten in Niederösterreich von dieser Änderung der Organisation im Gesundheitswesen?

Ich glaube, es ist eine Systemänderung, die das Gesundheitswesen auf die Höhe der Zeit bringt. Wir haben in den letzten Jahrzehnten gesehen, dass sich in Medizin und Pflege vieles wissenschaftlich entwickelt hat und das schreit geradezu danach, dass man die Organisationen auch zusammenführt. Bisher haben wir ja getrennte Strukturen für Spitäler und Pflege und wenn man das jetzt zusammenführt, kann die Versorgung der Patientinnen und Patienten optimiert werden.

Lässt sich das an einem Beispiel festmachen? Wo genau profitiert man dann?

Das kann in vielfältiger Weise sein. Beispielsweise kann die Bürokratie erleichtert werden. Aber das wichtigste ist, dass man heute zum Beispiel Patientinnen und Patienten in Spitälern liegen lassen muss, weil sie noch nicht ins Pflegeheim kommen können, weil die Organisationen nicht gut genug zusammenarbeiten. Hier wäre dann rasch eine Entlastung des Spitals und eine bestmögliche Versorgung des Patienten gewährleistet, wenn man innerhalb des gleichen Rechtsträgers nicht mehr lange in einer geriatrischen oder internen Einheit liegen muss, obwohl man bereits in eine pflegerische Einrichtung kommen kann und soll.

Wolfgang Mazal im Gespräch mit ORF-NÖ-Chefredakteur Robert Ziegler
ORF
Medizinrechtler Wolfgang Mazal (re.) im Gespräch mit ORF-NÖ-Chefredakteur Robert Ziegler

Die Ärztinnen und Ärzte mit ihren Ordinationen sind nicht dabei im neuen System. Wäre es nicht sinnvoll gewesen, diesen Bereich auch einzubinden?

Es wäre zweifellos sinnvoll, wenn man hier noch besser zusammenarbeitet, aber da stößt man auf verfassungsrechtliche Grenzen. Das Land hat hier kaum Kompetenzen. Gerade in Niederösterreich hat man aber mit dem Versuch der Landarztgarantie begonnen, hier einen Schritt zu gehen, um auch den niedergelassenen Bereich zu versorgen, wenn das Gesundheitssystem in den Krankenkassen das nicht leisten kann. Hier sind aber zweifellos in den nächsten Jahren noch weitere Schritte notwendig.

Im Gesundheitssystem stecken Milliardenbeträge. Sind solche Projekte nicht eigentlich auch Sparprogramme?

Unter Einsparung stellt man sich vor, dass damit auch Versorgung zurückgenommen wird und die Menschen kaputtgespart werden. Das ist hier aber nicht der Fall. Es geht letztlich darum, dass man das System nicht künstlich verteuert. Wir werden alle in den nächsten Jahren deutliche Steigerungen der Ausgaben für Gesundheit und Pflege erleben. Wenn hier etwas möglich wird, dann ein etwas langsameres Anwachsen der Ausgaben. Aber es muss sich niemand fürchten, dass hier etwas geschlossen oder niedergespart wird.

Die Debatte um Schließungen steht immer wieder im Raum. In Niederösterreich gibt es mit den Landeskliniken und Pflegeeinrichtungen insgesamt 77 Institutionen, die in der Landesgesundheitsagentur zusammengefasst sind. Werden es aus Ihrer Sicht in ein paar Jahren bereits weniger sein?

Das ist nicht zu erwarten, im Gegenteil. Aufgrund der Alterung der Gesellschaft und aufgrund des medizinischen Fortschritts wird es notwendig sein, dass man zusätzliche Einheiten baut – vor allem im Pflegebereich. Im Gesundheitsbereich wird man vielleicht die eine oder andere Einheit neu aufstellen und spezialisierter machen, weil man eben nicht mehr durch Betten belastet wird, die eigentlich schon in den Pflegebereich gehören.

Gerade bei der Spezialisierung von Einrichtungen taucht immer wieder die Sorge auf, dass Patientinnen und Patienten sehr weite Strecken zurücklegen müssen, um zu ihrer jeweiligen Behandlung zu kommen. Was bedeutet das dann für die Zukunft? Muss man für spezielle Behandlungen quer durchs Land fahren?

Das ist nicht zu erwarten. Wir haben heute schon immer bessere Mobilitätsbedingungen. Selbst wenn es ein paar Kilometer mehr sein sollten, ist es heute gerade auch aufgrund des gut ausgebauten Straßennetzes zweifellos zumutbar, dass man die Wege zurücklegt, die zwar ein bisschen länger sind aber zeitlich viel kürzer dauern als es etwa noch vor 20 Jahren der Fall war.

Das Gespräch mit Wolfgang Mazal führte Robert Ziegler, noe.ORF.at