Bergretter
ORF/Rohrhofer
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Chronik

Bergrettung: 20 Alarmierungen pro Woche

Die Zahl der Rettungseinsätze auf den Bergen steigt. Seit dem Shutdown verzeichnet die Bergrettung in Niederösterreich jede Woche bis zu 20 Alarmierungen. Oft wird sogar mit Flip-Flops auf den Berg gegangen. Davor warnt man nun mit einer neuen Aktion auf der Rax.

Die Lust, auf die Berge zu steigen und zu Wandern, ist natürlich verständlich, heißt es bei der Bergrettung. Viele Wanderer seien auch gut ausgerüstet. Doch leider gebe es auch sehr leichtsinnige Ausflügler, die sehr viel riskieren und nicht nur sich, sondern auch die Rettungskräfte unnötig in Gefahr bringen.

Auf der Rax warnt man nun die Gäste davor, leichtsinnig zu sein. Mit Schautafeln, auf denen explizit vor dem Tragen von Flip-Flops gewarnt wird, soll dieser Leichtsinn verhindert werden – mehr dazu in „End of Flip-Flop Zone“ auf Raxalpe gestartet (noe.ORF.at; 13.7.2020) . Die niederösterreichische Bergrettung verzeichnet derzeit landesweit ständig steigende Zahlen bei den Einsätzen. Dazu nahm der Landesleiter der Bergrettung für Wien und Niederösterreich, Matthias Cernusca, im „Niederösterreich heute“-Interview Stellung.

Matthias Cernusca, Landesleiter Bergrettung NÖ und Wien
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NÖ heute Moderator Thomas Birgfellner im Gespräch mit dem Landesleiter der Bergrettung für Wien und Niederösterreich, Matthias Cernusca

noe.ORF.at: Immer mehr Menschen bringen sich in Bergnot. Welche Gefahr gibt es da auch für die Retter selbst?

Matthias Cernusca: Die Gefahr für die Retter ist immer bei unseren Einsätzen präsent und wir ärgern uns schon sehr über die Vollkasko-Mentalität, die bei manchen Bergportlerinnen und Bergsportlern vorherrscht. Das Bewusstsein, mich holt eh die Bergrettung oder der Hubschrauber, wenn mir etwas passiert – so zu denken ist nicht in Ordnung. Wir arbeiten allesamt ehrenamtlich, riskieren viel bei den Einsätzen, aber wir sind keine lebensmüden Helden, wir wägen immer auch das eigene Risiko ab.

noe.ORF.at: Immer mehr Unerfahrene sind nun am Berg unterwegs, was ist denn bei der Ausrüstung unerlässlich?

Cernusca: Wenn man sich in den Bergen bewegt, ist ein gutes Schuhwerk wichtig, natürlich auch ein Rucksack mit einer Notfallapotheke, mit Verbandszeug, ein aufgeladenes Handy und jetzt im Sommer vor allem auch eine gefüllte Trinkflasche. Man benötigt bei einer Wanderung auch bald einmal drei Liter Wasser und da sollte man dann genug mithaben.

noe.ORF.at: Gerade ungeübte Alpinisten überschätzen oft ihre Kondition. Wie weiß ich, ob ich fit genug bin für eine Tour?

Cernusca: Es gibt im Internet sehr viele Möglichkeiten, sich über den Schwierigkeitsgrad einer Tour zu informieren. Wir sehen einfach in der letzten Zeit, dass die Einsätze wegen Überschätzung der eigenen Kondition und wegen Überschätzung der technischen Kenntnisse steigen. Man geht hinaus in die Natur, glaubt, dass man da leicht hinauf kommt, und dann kommt ein Steig und er entpuppt sich als schwierig, weil man schwindelfrei und trittsicher sein sollte, und wenn man das dann nicht ist, kommt man leicht in Bergnot und braucht die Bergrettung.

noe.ORF.at: Jetzt unterschätzen viele auch das Wetter am Berg, das kann ja rasch umschlagen. Was sollte ich da beachten?

Cernusca: Ich habe auch im Hochsommer, wenn es im Tal 35 Grad hat, immer einen Pullover oder eine Regenjacke bei mir, denn das Wetter schlägt wirklich sehr schnell um. Wichtig ist auch, wenn ein Gewitter aufzieht, rechtzeitig die Tour abbrechen und Schutz suchen und kein Risiko eingehen.

noe.ORF.at: Viele fordern, dass Menschen, die die Bergrettung rufen, selbst den Einsatz bezahlen sollen, wie stehen Sie dazu?

Cernusca: Wir verrechnen unsere Bergrettungseinsätze zu sehr geringen Pauschalsummen. Da geht es nicht darum, dass sich die Bergrettung bereichert, sondern das sind kleine Beiträge, mit denen wir unsere Aufwendungen für das Material decken. Oft gibt es auch Versicherungen, die das abdecken, und jeder Bergsportler sollte eine Versicherung abschließen, um dann nicht von den Kosten überrascht zu sein.

noe.ORF.at: Niemand wünscht es sich, aber was sollte man tun, wenn man im Bergnot gerät, um Hilfe zu bekommen?

Cernusca: Man sollte die Notfallnummer 140 im Handy eingespeichert haben und möglichst rasch den Notruf wählen, wenn man das Gefühl hat, in Bergnot zu kommen. Wir sehen leider immer öfter, dass erst in der Nacht alarmiert wird, nachdem schon viele Stunden verstrichen sind. Dann ist es für die Rettungsmannschaften umso schwieriger, zum Einsatzort zu kommen.