Contact Tracing BH Tulln
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Chronik

Contact Tracing: Haushalt als CoV-Hotspot

Im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus ist das Contact Tracing derzeit essenziell. Während einige Bundesländer das Nachverfolgen zum Teil schon einschränken mussten, sei die Situation in Niederösterreich noch im Griff. Die meisten Ansteckungen gibt es derzeit zu Hause.

„Bezirkshauptmannschaft Tulln, Gesundheitsabteilung, Grüß Gott, Sie stehen auf einer Kontaktpersonenliste, ich bräuchte deshalb noch ein paar Daten von Ihnen“ – ein Satz, den Contact-Tracerin Kerstin Majewsky-Ott jeden Tag dutzende Male wiederholt. 15 bis 20 Contact-Tracer sind bei der Bezirkshauptmannschaft Tulln jeden Tag im Einsatz. Wird jemand positiv auf Covid-19 getestet, versuchen sie so rasch wie möglich, die Kontaktpersonen zu ermitteln.

Das Nachverfolgen läuft derzeit gut, sagt Tullns Bezirkshauptmann Andreas Riemer: „Die meisten sind beim Telefonat kooperativ, und zumeist kann das Contact Tracing rasch abgearbeitet werden. Wir haben es sehr gut im Griff, aber wir sind ziemlich an der Grenze unserer Kapazität, das muss ich schon zugeben.“ Allerdings gebe es derzeit sehr hohe Steigerungen, „und nicht immer sind alle sofort erreichbar“.

Zwölf-Stunden-Arbeitstage

In den vergangenen Tagen kamen im Bezirk Tulln jeweils etwa 20 bis 40 neue Fälle dazu. Bei durchschnittlich zehn Kontaktpersonen pro Infizierten bedeutet das, dass jeden Tag 200 bis 400 Menschen kontaktiert werden müssen. Die Mitarbeiter arbeiten deshalb im Durchschnitt bis zu zwölf Stunden, betont Riemer: „Das gilt genauso an Wochenenden und Feiertagen, da gibt es keinen Unterschied.“

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Jeder der 15 bis 20 Contact-Tracer bei der Bezirkshauptmannschaft Tulln arbeitet bis zu zwölf Stunden pro Tag

Die langen Arbeitstage verlangen auch den Mitarbeitern einiges ab, sagt Contact-Tracerin Kerstin Majewsky-Ott: „Mir persönlich geht’s noch gut, aber wir schauen auch unter den Kollegen, dass jeder einmal frei hat.“ Neben Bediensteten der Behörde sind in Tulln auch drei Soldaten des Bundesheeres sowie mehrere Kindergartenpädagoginnen im Einsatz. Sollte es die Lage erfordern, könne auch die Landesregierung weiteres Personal jederzeit zur Verfügung stellen.

Ausgelastete Mitarbeiter

Niederösterreichweit sind derzeit mehr als 600 Contact-Tracer im Einsatz – darunter Personal aus der Verwaltung, Maturanten und Studierende sowie auch bis zu 80 Soldaten und Zivilbedienstete des Bundesheeres. Die Mitarbeiter seien ausgelastet, sagte Landessanitätsdirektorin Irmgard Lechner im „NÖ heute“-Interview, aber man sei nicht an den Kapazitätsgrenzen angelangt.

Der Grund dafür sei, dass viele Schritte bereits automatisiert erfolgen, schilderte Lechner, die aber betonte, dass dieses System so lange halten muss, „solange die Pandemie anhält und solange wir keine Impfung haben.“ Allerdings: Je mehr Menschen sich an einem Tag infizieren, desto schwieriger werde es auch für die Behörden nachzuvollziehen, wie sich jemand angesteckt hat.

Die meisten Ansteckungen im Haushalt

Über das Wochenende stabilisierte sich die Zahl der Neuinfektionen in Niederösterreich zwar etwas. Im Zeitraum Ende August bis Ende Oktober gab es aber fast 7.000 positive Fälle. Laut aktuellen Untersuchungen geschahen 42 Prozent der Ansteckungen innerhalb der eigenen Familie beziehungsweise im Haushalt. 15 Prozent steckten sich am Arbeitsplatz an, zwölf Prozent bei privaten Treffen mit Freunden.

Nur sechs Prozent der Ansteckungen sind auf Schulen ab der Unterstufe zurückzuführen, vier Prozent auf Pflegeheime. Der Rest verteilt sich auf verschiedene weitere Quellen. Beim Contact Tracing sei die Bevölkerung derzeit gegenüber den Behörden jedoch sehr kooperativ, sagte Lechner im Interview mit ORF-NÖ-Chefredakteur Robert Ziegler.

Interview Irmgard Lechner
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Die Mitarbeiter seien ausgelastet, aber noch nicht an der Kapazitätsgrenze, sagte Landessanitätsdirektorin Irmgard Lechner im Interview mit ORF-NÖ-Chefredakteur Robert Ziegler

noe.ORF.at: Im Westen Österreichs stößt das Contact Tracing an seine Grenzen, droht das auch in Niederösterreich?

Irmgard Lechner: Das hoffe ich nicht. Unsere Philosophie ist es, das Contact Tracing so lange wie möglich bzw. bis zum Ende aufrechtzuerhalten, und wir werden dafür alle Maßnahmen setzen, die notwendig sind, und alle Ressourcen dort hineinlegen.

noe.ORF.at: Es kommen ja täglich hunderte Fälle dazu. Wie lange hält das System noch?

Lechner: Es muss halten. Solange die Pandemie anhält, solange wir keine Impfung haben, solange muss das System einfach halten.

noe.ORF.at: Man hört aber trotzdem, dass es manchmal recht lange dauert, bis ein Bescheid kommt. Kann sich das in Zukunft noch verzögern?

Lechner: Das denke ich nicht, gerade wir in Niederösterreich sind sehr schnell mit unseren Bescheiden. Wir haben sehr viel automatisiert, das geht von der Anmeldung bei 1450, die ergeht automatisch an die Bezirkshauptmannschaft, dort wird automatisch ein Absonderungsbescheid und eine Kontaktliste erstellt. Dadurch sind wir immer einen Schritt voraus und sehr schnell bei der Bescheiderstellung, was Verdachtsfälle betrifft, und auch beim Contact Tracing.

noe.ORF.at: Wie schnell können denn die Behörden weiter Personal aufstocken?

Lechner: Wir sind laufend dabei, neue Leute aufzunehmen. Im Moment haben sich die Zahlen etwas eingependelt. Das aktuelle Pensum können mit unserem Personal gut abdecken, aber wir nehmen natürlich – wenn es notwendig ist – weiter neue Leute auf.

noe.ORF.at: Die meisten Ansteckungen gibt es mit Abstand in der Familie – wie gut funktioniert denn das Contact Tracing da?

Lechner: Ich muss sagen, im Großen und Ganzen ist die Bevölkerung sehr kooperativ und gibt uns die Kontaktpersonen sehr ausführlich bekannt. In diesem Bereich funktioniert es also ganz gut.

noe.ORF.at: In welchen Bereichen ist das Contact Tracing am schwierigsten?

Lechner: Generell ist es schwierig, wenn es Sprachprobleme gibt. Es gibt immer wieder Einzelfälle, aber die sind eher selten, also im Großen und Ganzen funktioniert es sehr gut.

noe.ORF.at: Nimmt aus Ihrer Sicht die Bereitschaft der Menschen zur Zusammenarbeit mit der Behörde ab?

Lechner: Eigentlich nicht, das sehe ich nicht so.

noe.ORF.at: Werden oft falsche Angaben gemacht?

Lechner: Das merke ich so auch nicht, also zu mir ist diesbezüglich noch nichts vorgedrungen.

noe.ORF.at: Was ist ihr Plan B, wenn das Contact Tracing nicht mehr funktioniert wie bisher?

Lechner: Man wird dann in den Bezirkshauptmannschaften auch die anderen Verwaltungstätigkeiten herunterfahren, um dadurch noch mehr Leute für das Contact Tracing zur Verfügung zu haben.