Maske gegen das Licht gehalten
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Coronavirus

CoV-Krise belastet Kinder und Jugendliche

Die CoV-Krise belastet immer mehr Menschen auch psychisch, wie eine Studie der Donau-Universität Krems gezeigt hat. Betroffen sind aber nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder und Jugendliche. Sie wissen oft nicht, wie sie mit der Situation umgehen sollen.

Laut Studie stiegen Symptome für Schlafstörungen, Depressionen und Ängste um das Drei- bis Fünffache – mehr dazu in CoV-Krise setzt Psyche unter Dauerbelastung (noe.ORF.at; 12.10.2020). Auch Kinder und Jugendliche seien davon betroffen. Für sie ist vieles anders: Unterricht zu Hause statt im Klassenzimmer oder wenig Zeit, die mit Freunden verbracht werden kann. Hinzu kommt der Verzicht auf viele Hobbys.

So schlägt die Coronavirus-Krise auch Kindern und Jugendlichen auf die Psyche. Die seelischen Belastungen können körperliche Beschwerden hervorrufen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) wies bereits daraufhin, dass es sich besonders für Kinder um eine beispiellose Zeit handle. Diese würden Sorgen und Ängste erleben, die denjenigen von Erwachsenen sehr ähnlich seien, wie die Angst vor dem eigenen Tod oder vor medizinischen Behandlungen.

Die WHO rät dazu, Kindern die Coronavirus-Krise auf ehrliche und verständliche Weise zu erklären. Experten vermuten, dass die Zahl der jungen Menschen mit psychischen Problemen auch aufgrund der beiden Lockdowns zunehmen wird. Die Dimension sei „noch überhaupt nicht abzuschätzen“, sagte Judith Noske, ärztliche Leiterin der Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie am Standort Hinterbrühl, im „NÖ heute“-Interview.

Studiogespräch Noske
ORF
Judith Noske im „NÖ heute“-Interview mit Werner Fetz

„Kinder leiden oft im Stillen“

noe.ORF.at: Woran leiden Kinder und Jugendliche in dieser Coronavirus-Krise und wie merkt man das?

Judith Noske: Kinder leiden oft im Stillen, daher merkt man es oft leider nicht. Sehr wohl merkt man aber, dass sich die Kinder und Jugendlichen zurückziehen, dass sie verschlossener und aggressiver sind. Wenn sie ganz aus dem Gleichgewicht geraten, entstehen auch Symptome, die durchaus krankheitswertig sind. Wir sehen hier eine deutliche Zunahme an Angststörungen, Internetsucht. Auch Schulverweigerung ist ein großes Problem, ebenso Essstörungen und der Drogenkonsum nehmen deutlich zu. Wir haben vermehrt Kriseninterventionen mit Selbst- und Fremdgefährdungen.

noe.ORF.at: Von welcher Dimension der betroffenen Kinder und Jugendlichen gehen wir aus, lässt sich das in Prozent schätzen?

Noske: Eine Studie geht davon aus, dass schon jetzt, ohne Coronavirus, ca. 24 Prozent der Kinder und Jugendlichen an psychischen Problematiken leiden. Mit dem Virus ist noch einmal mit einer deutlichen Zunahme zu rechnen. Das lässt sich auch so erklären, dass die CoV-Situation auf vielen wichtigen Ebenen angreift, die für eine gesunde Entwicklung wichtig sind. Das natürliche Neugierverhalten ist gebremst, man kann nicht mehr so leicht Nähe suchen, die Eltern sind belastet, man wendet sich nicht mehr an sie und auch Großeltern oder andere ausgleichende Personen stehen nicht mehr so zur Verfügung. Auch die soziale Problematik, drohende Armut, all das wirkt hinein und wir gehen leider davon aus, dass uns die ganze Problematik noch länger beschäftigen und fordern wird.

noe.ORF.at: Sieht man schon jetzt das gesamte Ausmaß der Dimension? Es gibt Expertinnen und Experten, die vor allem die Langzeitfolgen dieser Krise bei den Kindern und Jugendlichen fürchten.

Noske: Das ist überhaupt noch nicht abzuschätzen und wird sehr davon abhängen, wie es uns – der Gesellschaft – gelingt, gefährdete Kinder und Jugendliche aufzufangen. Es ist auch sehr davon abhängig, wie groß die Belastung ist, wie die Umwelt auf diese Belastungsfaktoren reagiert und was sie auch an guten Möglichkeiten zur Verfügung stellen kann.

„Es ist wichtig, in Kontakt zu bleiben“

noe.ORF.at: Können Eltern oder Angehörige den betroffenen Jugendlichen helfen?

Noske: Es ist ganz wichtig, auch wenn selber Sorgen da sind, mit den Kindern und Jugendlichen in Kontakt zu bleiben. Es ist wichtig, dass man neugierig ist, dass man interessiert ist, dass man nachfrägt und man sollte auch über Dinge, die schwierig sind, auch in der Familie schwierig sind, reden. Die Kinder haben Antennen dafür, sie spüren das und wenn sie einbezogen sind und beteiligt werden, können sie leichter damit umgehen.

noe.ORF.at: Wann raten Sie, ist der Schritt notwendig, um professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen?

Noske: Ein Zuspruch an alle Eltern: Sie sind die Experten für die Kinder, sie können intuitiv sehr viel ausgleichen. Wenn sie merken, sie verlieren den Kontakt zum Kind, es entstehen Situationen, die sie schwer einordnen und verstehen können, oder es treten wirklich akute Gefährdungsmomente auf, dann bitte um Hilfe ersuchen – lieber einmal mehr als einmal zu wenig.