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„Ganz Persönlich“

Virologe: „An Impfung führt kein Weg vorbei“

Österreich stehen noch ein paar harte Monate bevor, sagt der Virologe Norbert Nowotny im Gespräch mit noe.ORF.at. Der 63-jährige Virologe aus Niederösterreich ist überzeugt: Der Weg zurück in unser altes Leben ist nur mit der Coronavirus-Impfung möglich.

Seit Dezember wird auch in Niederösterreich geimpft, derzeit vor allem Personen aus Alters- und Pflegeheimen sowie Gesundheitspersonal. Im zweiten Quartal des Jahres soll die restliche Bevölkerung folgen. Gute Nachrichten, die allerdings von der neuen Virusmutation überschattet werden. Man müsse nun verstärkt Abstand halten, Hände waschen und am besten eine FFP2-Maske tragen, sagt der Virologe Norbert Nowotny.

Virologe für FFP2-Maskenpflicht in Supermärkten und Öffis

In der Rubrik „Ganz Persönlich“ in „NÖ heute“ spricht sich Nowotny außerdem für eine FFP2-Maskenpflicht in Supermärkten und in den öffentlichen Verkehrsmitteln aus. Er geht davon aus, dass die nächste Zeit besonders herausfordernd wird, die Lage sich dann aber bessert.

noe.ORF.at: Das mutierte Virus B.1.1.7 aus Großbritannien hat die Lage noch einmal dramatisch verschärft. Stecken wir momentan in der schlimmsten Phase der Pandemie?

Norbert Nowotny: Ja, ich fürchte, die Situation wird noch ein paar Monate herausfordernd sein, bevor sie dann deutlich besser wird.

noe.ORF.at: Kann man das mutierte, viel ansteckendere Virus überhaupt noch eindämmen?

Nowotny: Man kann es eindämmen, aber es bedarf zusätzlicher Anstrengungen. Wir müssen uns viel mehr Virus-Genome ansehen. Nur so können wir diese neue Variante feststellen. Und wenn wir sie feststellen, müssen natürlich entsprechende Maßnahmen gesetzt werden, um die Ausbreitung möglichst zu verhindern. Das heißt: Abstand halten, Hände waschen, FFP2-Masken tragen.

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Virologe Norbert Nowotny im Gespräch mit Eva Steinkellner-Klein

noe.ORF.at: Experten fordern angesichts der Lage bereits eine FFP2-Maskenpflicht. Was halten Sie davon?

Nowotny: Ich war immer ein großer Fan der FFP2-Masken. Der normale Mund-Nasenschutz wirkt nicht gegen Viren in der Luft. Wir wissen aber inzwischen, dass sich Viren durchaus einige Stunden in der Luft halten können. Eine FFP2-Maske filtert rund 95 Prozent der Viren aus der Luft heraus. So wie in Bayern angedacht, wäre es auch in Österreich sinnvoll, im Supermarkt oder in den öffentlichen Verkehrsmitteln FFP2-Masken zu tragen. Es würde definitiv helfen, die Infektionszahlen zu reduzieren.

noe.ORF.at: Die Infektionszahlen sind nach wie vor hoch, obwohl wir seit Ende Dezember im harten Lockdown sind. Wieso wirkt der Lockdown nicht mehr so wie das etwa im März der Fall war?

Nowotny: Die Bewegungsdaten der Mobilfunkanbieter zeigen, dass wir dieses Mal um rund 20 Prozent mehr Bewegung haben als noch im April. Das schlägt sich natürlich in den Infektionszahlen nieder. In Deutschland wird der Bewegungsradius nun auf 15 Kilometer eingeschränkt. Ich hoffe, dass das bei uns nicht notwendig wird, aber es gilt, an die Bevölkerung zu appellieren, vorsichtig zu sein.

noe.ORF.at: Es ist wie ein Wettlauf mit der Zeit. Mittlerweile gibt es zwar die Impfung, aber noch nicht genug Impfdosen. Und gerade jetzt lernt das Virus zu laufen…

Nowotny: Es hat nicht nur gelernt zu laufen, ich würde sogar sagen, es hat gelernt zu fliegen. Es ist tatsächlich ein Wettlauf mit der Zeit, denn bis die Impfungen ausgerollt sein werden, vergehen noch ein paar Monate.

noe.ORF.at: Was sagen Sie Impfskeptikern, die nicht ganz sicher sind, ob sie sich impfen lassen sollen?

Nowotny: Die Impfgeschichte ist eine Erfolgsstory in der Virologie. Pocken wurden ausgerottet, Kinderlähmung, Masern, Mumps, Röteln – ich hatte sie als Kind noch alle. Durch die Impfungen wurden sie völlig zurückgedrängt. Vorbeugende Impfungen sind im Bereich der Viruserkrankungen die einzige Möglichkeit, Viruskrankheiten einzudämmen. Wenn wir uns aus dieser Nummer irgendwie – wie man auf gut Wienerisch sagt – „herauswurschteln“ wollen, dann führt kein Weg an Impfungen vorbei.

noe.ORF.at: Es stehen bereits weitere Impfstoffe in den Startlöchern. Wird man sich den Impfstoff aussuchen können?

Nowotny: Nein, weil es nicht genügend davon gibt. In Zukunft wird es aber so sein, dass Ärzte bestimmten Gruppen der Bevölkerung raten werden, welcher Impfstoff besser für wen ist. Es ist ja ein Zufall, dass beide der bei uns zugelassenen Impfstoffe gerade bei der älteren Bevölkerung sehr gut wirken. Das ist natürlich ein besonders schöner Zufall, weil es sich um die größte Risikogruppe handelt.

noe.ORF.at: Wann können denn alle geimpft werden, die das wollen?

Nowotny: Das wird erst ab April möglich sein. Wenn wir bedenken, dass wir eine zweifache Impfung im Abstand von zwei bis vier Wochen für die Grundimmunisierung brauchen und etwa zwei Wochen später ein Schutz gegeben ist, wird es vermutlich bis Sommer dauern, bis wir alle geschützt sind.

noe.ORF.at: Sie waren in Krems in der Schule, in Wien haben sie Biologie studiert und mit der höchsten Auszeichnung der Republik Österreich abgeschlossen. Warum haben Sie sich für Biologie entschieden?

Nowotny: „Schuld“ daran ist mein Biologielehrer, der es einfach verstanden hat, uns für Biologie zu motivieren. Ich habe mich auf Viren spezialisiert – ganz faszinierend, denn sie sind so klein, sie leben ja nicht einmal. Viren haben keinen eigenen Stoffwechsel. Und wie wir sehen, können sie furchtbar böse sein. Die ganze Menschheit kämpft seit einem Jahr gegen ein Virus, dessen Erbsubstanz aus 30.000 Buchstaben besteht und das ist es. Trotzdem kann es unser Leben total verändern.

noe.ORF.at: Treten wir Ihrer Meinung nach jetzt in ein Zeitalter der Pandemien ein?

Nowotny: Nein, ich gehe nicht davon aus, dass wir schon im nächsten Jahr oder im übernächsten Jahr die nächste Pandemie haben. Aber wir sollten aus dieser Pandemie lernen, was wir besser machen können. Der Mensch greift viel zu sehr in den Lebensraum von Tieren ein, da kann es nun einmal zum Überspringen von Infektionen kommen. Wenn wir daraus lernen, dann sollten wir künftig Pandemien einschränken können.

noe.ORF.at: Wann werden wir unser altes Leben wieder zurück haben?

Nowotny: Ich weiß, viele Menschen sagen, wir bekommen unser altes Leben nicht wieder zurück. Aber ich kann beruhigen, wir werden es wieder zurückkriegen. Die Impfung ist da ein bedeutsamer Faktor. Ich denke, im Sommer, spätestens im Spätherbst, wird es soweit sein.