Yellow von Luc Perceval im NTGent mit Ensemble
Fred Debrock
Fred Debrock
Kultur

Nazis traut vereint in Percevals „Yellow“

„Yellow“ heißt die Produktion und ist doch meist in Schwarz-Weiß. Sie findet in Gent statt, ist eine Kooperation mit dem Landestheater Niederösterreich und kann weltweit gesehen werden. Es ist eigentlich ein Theaterstück, aber man kann nur auf einen Bildschirm schauen.

Schwarz, Gelb, Rot sind die Farben der belgischen Nationalflagge, an der sich Perceval für seine Trilogie „The Sorrows of Belgium“ orientiert. Nach dem Auftakt mit „Black“, der sich mit der Kolonialvergangenheit Belgiens auseinandersetzte und vor einem Jahr in St. Pölten gastierte, folgt nun „Yellow“ als Koproduktion mit dem Landestheater Niederösterreich.

Da auch in Belgien die Theater derzeit geschlossen sind, stellte Daniel Demoustier von der Aufführung eine filmische Version her, die sich „so stark wie möglich“ von der Live-Version unterscheiden sollte, die man hofft, ab Mai am NTGent live zeigen zu können und im Herbst auch nach St. Pölten kommen soll.

Am Donnerstagabend wurde der (auch mit deutschen Untertiteln verfügbare) Stream erstmals online geschaltet, am 19. März gibt es für 48 Stunden eine zweite Möglichkeit, sich die zweistündige Arbeit anzusehen.

Über die Absurdität von Geschichte

Perceval arbeitet in seiner Filmversion mit zusätzlichen ästhetischen Mitteln: Nur die Gegenwarts-Klammer zu Beginn und am Ende des Stücks bzw. in den 1970er-Jahren in Spanien spielende Szenen werden in Farbe gezeigt, der in den 1940-ern spielende historische Hauptstrang ist in Schwarz-Weiß. Der Regisseur lässt die Kamera den acht Spielern meist eng auf den Leib rücken, arbeitet gelegentlich mit Zwischenschnitten und unterlegt weite Strecken der Handlung mit atmosphärischer Musik. „Vor allem Letzteres muss man nicht unbedingt mögen“, meint Wolfgang Huber-Lang von der Austria Presse Agentur dazu.

Yellow von Luc Perceval im NTGent mit Ensemble
Fred Debrock
„(Es) ist rasch klar, in welcher Zeit wir uns befinden“: Peter Seynaeve, Oscar Van Rompay, Valéry Warnotte, Lien Wildemeersch, Philip Leonhard Kelz und Chris Thys (v.l.)

„Im Mittelpunkt des Raumes steht ein alter Billardtisch, er wird immer wieder auch als Bühne genützt, um ihn herum ein Flaggenwald. Sie zeigen keine Embleme, doch mit viel Geschrei und Gestampfe, zackigem Auftreten und emporgereckter rechter Hand ist rasch klar, in welcher Zeit wir uns befinden. Die auf Französisch oder Flämisch ausgedrückte völkische Begeisterung für den deutschen Rassismus wirkt anfangs übertrieben, schwer nachvollziehbar, ja sogar ein wenig satirisch distanziert. Doch wenn im weiteren Verlauf der Wallone Leon Degrelle (1906-1994), Anführer der faschistischen, mit den Nazis zusammenarbeitenden Rexisten, den Belgiern auf Französisch einhämmert, dass man doch immer schon mehr den Deutschen als den Franzosen zugehörig gewesen sei, ahnt man, dass hier die Absurdität der Geschichte ausgestellt wird“ (Wolfgang Huber-Lang).

Es geht um verblendete Menschen, die ihre Jugend für die Sache der Nationalsozialisten in den Krieg ziehen lässt, um bittere Fronterfahrungen in einem Vernichtungskrieg unter der Führung von sich als Angehörige der Herrenrasse gerierenden deutschen Offizieren, und um wenige Widerständige, die den Verstand nicht ausgeschaltet und das Herz am rechten Fleck hatten. Und mitten drinnen wird auch deutsch gesprochen: Landestheater-Niederösterreich-Ensemblemitglied Philip Leonhard Kelz „spielt Otto Skorzeny (1908-1975) und fügt sich mit einer starken Leistung und intensivem Spiel in das Ensemble der Kollegen aus Gent hervorragend ein.“

Wie sich Nazi-Karrieren gleichen

Wirkt Skorzenys persönliche Lebensgeschichte lange Zeit wie ein Fremdkörper in dem doch stark auf Belgien bezogenen Abend, so APA-Kritiker Huber-Lang, gelingt es Perceval gegen Ende der von der österreichischen Dramaturgin Margit Niederhuber mitbetreuten Produktion gut, die Parallelen seiner Karriere und seiner Führer-Begeisterung mit jener von Degrelle zusammenzuführen. Dass die beiden begeisterten Nazis es schafften, nach dem Krieg unbehelligt in Spanien zu leben und dort gute Freunde wurden, ist eigentlich unglaublich, doch historisch belegt.

Yellow von Luc Perceval im NTGent mit Ensemble
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Lien Wildemeersch und Philip Kelz (v.l.) in Luk Percevals „Yellow“

„Yellow“ verwendet diese Episode „genüsslich und zeigt die beiden in der Film-Fassung in Gängen, die offenbar zu einem Wellness-Hotel gehören sollen, im Bademantel beim Cocktail-Schlürfen. Ihr gemeinsames Kramen in alten Erinnerungen und Ansehen von Erinnerungsfotos ihrer persönlichen Begegnungen mit dem Führer zählt zu den Höhepunkten des Stücks.“

Das Leading Team von "YelloW sind Luk Perceval (Regie), Sam Gysel (Musik), Annette Kurz (Bühnenbild), Ilse Vandenbussche (Kostüme), Mark Van Denesse (Licht), Daniel Demoustier (Kamera und Schnitt) sowie Peter van Kraaij, Steven Heene und Margit Niederhuber (Dramaturgie). Auf der Bühne stehen Peter Seynaeve, Chris Thys, Lien Wildemeersch, Bert Luppes, Maria Shulga, Oscar Van Rompay, Philip Kelz und Valery Warnotte.

Der zweiter Live-Stream von „Yellow“ mit deutschen, holländischen, englischen und französischen Untertiteln ist am kommenden Freitag (19. März) ab 20.00 Uhr (für 48 Stunden). In einem Jahr soll dann in Gent mit „Red“ der Schlussteil der Trilogie herauskommen. „Es geht um die Anschläge in Brüssel und um die Tatsache, dass die meisten ausländischen IS-Kämpfer aus Brüssel gekommen sind“, sagt Perceval. Für Herbst 2022 ist eine Gesamtaufführung von „The Sorrows of Belgium“ geplant.