Medizinisches Personal legt auf einer Intensivstation des RKH Klinikum Ludwigsburg einem Covid-19-Patienten einen Zugang für die künstliche Beatmung
APA/dpa/Sebastian Gollnow
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Coronavirus

Mediziner: „Engpass bei Intensivpersonal“

In den niederösterreichischen Spitälern ist am Dienstag ein neuer Höchststand an Covid-19-Intensivpatienten erreicht worden. Einen Engpass gebe es aber nicht bei der Bettenkapazität, sondern beim Personal, sagt Intensivmediziner Christoph Hörmann.

Derzeit werden in fast allen Kliniken Niederösterreichs Covid-19-Patientinnen und -Patienten versorgt. Die Lage in den Spitälern ist ernst, heißt es von Seiten der Landesgesundheitsagentur. Zu den Covid-19-Patienten kamen Dienstagfrüh weitere 150 Patienten auf den Intensivstationen. Damit sind 80 Prozent der insgesamt 333 Intensivbetten im Bundesland belegt.

Christoph Hörmann, Primar des Universitätsklinikums St. Pölten, erklärte am Dienstagabend im Interview in der Fernsehsendung „Niederösterreich heute“ (19.00 Uhr, ORF2-N), wieso es so schwierig ist, dem Personalengpass entgegenzuwirken und warum es über Ostern auf den Intensivstationen noch „deutlich enger“ werden könnte.

noe.ORF.at: Die Situation auf den Intensivstationen spitzt sich zu. Gibt es tatsächlich zu wenig Betten oder liegt das hauptsächlich am fehlenden medizinischen Personal?

Christoph Hörmann: Physisch gibt es genug Orte in Niederösterreich, um auch noch viel mehr Intensivbetten zu betreiben. Der besondere Engpass ist in der Verfügbarkeit von Pflegepersonen zu sehen.

noe.ORF.at: Die Coronavirus-Krise hat vor mehr als einem Jahr begonnen. Hätte man in der Zwischenzeit nicht die Zahl an Intensivmedizinern und Pflegepersonal aufstocken können?

Hörmann: Intensivpflege und Intensivmedizin ist nichts, was man in drei Wochen, sechs Wochen oder einem halben Jahr lernen kann. Hier gibt es doch ein deutlich längeres Ausbildungscurriculum. Und wenn man jemanden ausbildet, dann muss man diese Kräfte von anderswo abziehen. Gerade nach der ersten Welle nach dem vergangenen Sommer war natürlich das Bestreben, die verschobenen, planbaren medizinischen Leistungen möglichst rasch nachzuholen. Wenn ich gleichzeitig einen Teil des Personals abziehe, um ihn auf der Intensivstation auszubilden, geht das im Großen und Ganzen nicht zusammen.

Christoph Hörmann
ORF
Intensivmediziner Christoph Hörmann: „Wenn der Anteil der Covid-19-Patienten steigt, wird es über Ostern deutlich enger werden“

noe.ORF.at Könnte Personal, das gerade intensivmedizinisch geschult wird, auch schon vor dem Ausbildungsende unterstützen? In Anlehnung etwa an die Schulen, wo auch teilweise Studenten unterrichten?

Hörmann: Die Erweiterung der Intensivkapazität ist nur dadurch gelungen, dass wir einerseits Personal, das sich in der Intensivpflegeausbildung befindet, voll in den Arbeitsprozess eingebunden haben, dass wir Personen, die früher auf den Intensivstationen gearbeitet haben, angesprochen haben, ob sie bereit wären zu helfen, dass wir kürzlich pensionierte Pflegepersonen gefragt haben, ob sie uns unterstützen könnten. All das ist passiert.

noe.ORF.at: Für den Fall, dass die Kontingente für Coronavirus-Patienten völlig ausgeschöpft sind: Würde man dann auch die verbleibenden Kapazitäten nützen oder müssen die für andere Fälle frei bleiben?

Hörmann: Dazu muss man zwei Dinge sagen: Normalerweise liegt ein Intensivpatient im Schnitt vier bis fünf Tage auf der Intensivstation. Ein Covid-19-Patient belegt ein Intensivbett durchschnittlich drei Wochen, wobei es Ausreißer nach oben und nach unten gibt. Wenn jetzt der Anteil an Covid-19-Patienten so steigt, wie in den letzten Tagen, wird es wahrscheinlich über Ostern bzw. im Lauf der nächsten Woche doch deutlich enger werden als derzeit.

noe.ORF.at: Am Donnerstag kommt der Osterlockdown. In Wien wird er fix bis 11. April verlängert. Braucht es aus ihrer Sicht einen längeren Lockdown?

Hörmann: Ich glaube, was es ganz dringend braucht, ist, dass die täglichen Infektionszahlen heruntergehen. Denn was wir heute auf den Intensivstationen sehen, sind die Infektionszahlen von vor einer Woche, wenn nicht sogar noch länger zurück. Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass die Leute nicht das machen, was gerade noch erlaubt ist, sondern das Vernünftige.