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CHRONIK

Gefährder müssen jetzt zur Gewaltberatung

Wer ein Betretungsverbot ausgesprochen bekommt, muss ab 1. September verpflichtend zur Gewaltpräventionsberatung. In Niederösterreich führt diese der Verein Neustart durch. Wer die Termine nicht wahrnimmt, kann von der Polizei vorgeführt werden.

Häusliche Gewalt hat viele Facetten, die Muster sind oft ähnlich. Von Erniedrigungen, Entwertungen und Beschimpfungen ist der Weg zur physischen Gewalt oft nicht mehr weit. Wenn die Polizei vor der Türe steht, ist für den Gefährder in vielen Fällen ein Betretungs- und Annäherungsverbot die Folge. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um Männer. Im Vorjahr wurden 2.264 Betretungsverbote ausgesprochen – das ist ein deutlicher Anstieg zum Jahr davor. Heuer wurden allein im ersten Halbjahr 1.493 Fälle verzeichnet, das entspricht zwei Drittel aller Fälle des Vorjahres.

Blieb es bislang den Tätern überlassen, ob sie sich Hilfe suchen, so sind sie ab 1. September verpflichtet, eine Gewaltpräventionsberatung zu absolvieren. Innerhalb von fünf Tagen müssen sie sich in Niederösterreich beim Verein Neustart melden und einen ersten Termin vereinbaren. Alexander Grohs, Leiter von Neustart in St. Pölten, befürwortet eine rasche Kontaktaufnahme, „weil die erste Zeit nach einem Betretungsverbot jene Zeit ist, in der es am ehesten zu einem Rückfall kommt und es erneut Übergriffe auf das Opfer geben kann“.

Suche nach Ursachen für Gewaltverhalten

Die Beratung dauert sechs Stunden. Erfahrene Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter schätzen dabei auch das Risiko ein, das vom potenziellen Gewalttäter ausgeht. „Wir schauen, ob eine Krise vorliegt und was die Ursachen für das Gewaltverhalten sind. Das erarbeiten wir gemeinsam mit den Gefährdern“, erklärt Grohs. Ziel ist, dass die Männer die Verantwortung für ihre Taten übernehmen und ihr Verhalten künftig ändern, um so Wiederholungstaten zu vermeiden. 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt Neustart in Niederösterreich, unter anderem in der Bewährungshilfe. Für die Präventionsarbeit kommen jetzt 19 dazu.

Wer innerhalb der ersten fünf Tage keinen Termin vereinbart, den muss der Verein Neustart der Sicherheitsbehörde melden. „Die Bezirksverwaltungsbehörde wird die Person vorladen. Wenn auch weiterhin kein Termin wahrgenommen wird, wird die Person von der Polizei vorgeführt“, so Johann Baumschlager, Sprecher des Landespolizeikommandos Niederösterreich. Auch eine Strafe von bis zu 2.500 Euro, im Wiederholungsfall von bis zu 5.000 Euro sei möglich. Bisher konnte die Polizei nur kontrollieren, ob das Betretungs- und Annäherungsverbot eingehalten wird.

Dass die Beratung verpflichtend ist, sei wichtig, heißt es bei Neustart. So erreiche man Personen, die niemals freiwillig eine Unterstützung in Anspruch nehmen würden. Meist seien das jene Personen mit einem höheren Rückfallrisiko. Die Gefährder sind übrigens auch zur Mitarbeit in der Beratung verpflichtet. Reicht die sechsstündige Gewaltprävention nicht, wird die betroffene Person an Therapeutinnen oder Therapeuten, Antigewalttrainings oder die Männerberatung weitervermittelt.