Ein Covid-Patient auf der Intensivstation des Universitätsklinikums Tulln
APA/HELMUT FOHRINGER
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Coronavirus

Intensivpersonal am Limit: „Weihnachten wird hart“

In Niederösterreichs Spitälern geht man davon aus, dass die Zahl der Covid-Patientinnen und -Patienten weiter steigen wird. Das Intensivpflegepersonal ist am Limit. „Wir wissen schon jetzt, dass Weihnachten eine harte Zeit werden wird“, sagt eine Pflegerin.

Lange haben Expertinnen und Experten davor gewarnt, seit Donnerstag ist es soweit. Die niederösterreichischen Spitäler haben die sogenannte „systemkritische Auslastungsgrenze“ überschritten. Das heißt, dass ein Drittel der Intensivbetten mit CoV-Patientinnen oder -Patienten belegt ist. In den Spitälern geht man davon aus, dass die Belagszahlen weiter steigen werden.

Die Aussicht auf die kommenden Wochen bereitet den Krankenpflegerinnen und -pflegern große Sorge. Eine von ihnen ist Maria Herzog, die auf der Intensivstation am Landesklinikum Mödling arbeitet. Ihrer Meinung nach ist der Lockdown zu spät gekommen, die Intensivstationen seien schon voll.

„Wir wissen jetzt schon, dass Weihnachten eine harte Zeit werden wird. Denn die Patienten, die auf die Intensivstation kommen, sind nach ein bis zwei Wochen noch nicht gesund. Da reden wir von wochenlangen Intensivaufenthalten", so Herzog.

Intensivpflegerinnen am Landesklinikum Mödling
ORF
Für wenige Minuten legen einige Pflegerinnen am Landesklinikum Mödling ihre Schutzausrüstung ab, um mit noe.ORF.at über ihre Arbeitssituation zu sprechen. Die Aussicht auf die kommenden Wochen bereitet ihnen große Sorge.

Erholungsphasen hatten weder Herzog noch ihre Kolleginnen und Kollegen seit Pandemiebeginn kaum. „Auch im Sommer hatten wir genug zu tun, weil wir von der vorigen Welle noch einiges aufarbeiten mussten und die Intensivstation daher auch im vorigen Sommer ganz gut gefüllt war. Jetzt sind wir wirklich am Limit“, sagt Wolfgang Stöcklmayer, ebenfalls Intensivpfleger am Landesklinikum Mödling.

Die Betreuung der zahlreichen Covid-Fälle belastet körperlich und seelisch. „Viele Patienten sind am Anfang, wenn sie auf die Intensivstation kommen, noch ansprechbar. Sie äußern ihre Angst und haben Atemnot. Sie haben Angst davor, in den Tiefschlaf versetzt zu werden. Viele Patienten sagen dann auch, sie hätten sich geirrt. Sie hätten gedacht, es ginge nur um ein Grippe und sie bereuen, dass sie sich nicht impfen haben lassen“, erzählt Maria Herzog.

Claudia Ploner, die auf der Covid-Station im Landesklinikum Mödling arbeitet, ergänzt: „Sobald sie erkranken und ungeimpft sind, tritt sofort ein Umdenken ein. Die Patienten wollen das dann auch nach außen weitertragen. Dafür bin ich sehr dankbar.“

Noch keine Triage, aber OPs werden verschoben

Markus Klamminger, Direktor für Medizin und Pflege in der niederösterreichischen Landesgesundheitsagentur, versteht den Hilferuf der Pflege sehr gut: „Unser Personal hat jetzt seit eineinhalb Jahren wirklich Unglaubliches geleistet. Es ist nicht nur die Anstrengung, in der Schutzkleidung arbeiten zu müssen, sondern es ist auch die Sorge, sich selbst oder andere anzustecken. Man muss immer wieder, auch wenn man frei hat, für andere Dienste einspringen.“

Von einer Triage sei man in den niederösterreichischen Spitälern „Gott sei Dank“ noch entfernt, so Klamminger am Donnerstag in der Fernsehsendung „NÖ heute" (19.00 Uhr, ORF2-N). Man könne sowohl die Covid-Intensivpatienten als auch die anderen Intensivpatienten jetzt noch gut versorgen, „aber dort, wo wir an Kapazitätsgrenzen stoßen, helfen wir zusammen und verlegen Patienten von einem Standort an einen anderen.“

Markus Klamminger, Ärztlicher Direktor Landesgesundheitsagentur
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Markus Klamminger, Direktor für Medizin und Pflege bei der Landesgesundheitsagentur: „Man bekommt kaum Personal“

Eingriffe, die nicht zwingend notwendig sind, würden gleichzeitig heruntergefahren, um Personal frei zu machen, das auf den Intensivstationen unterstützen kann. Dass geplante Operationen verschoben werden müssen, sei „unangenehm und bitter“, aber „unbedingt notwendig“, meint Klamminger.

Das Personal aufzustocken sei nicht so einfach, denn die Ausbildung für die Intensivpflege sei eine extrem komplexe und schwierige Ausbildung, die über ein Jahr dauere, betont Klamminger. „Der Arbeitsmarkt – sowohl bei den Plegekräften als auch bei den Ärztinnen und Ärzten – ist in Österreich extrem ausgefischt und angespannt. Man bekommt kaum Personal und das ist in ganz Österreich so.“

Personal zwischen Müdigkeit und Zorn

„Ich wünsche mir, dass auch nicht so viel auf Fake News gehalten wird. Wenn man nach einem Zwölf-Stunden-Dienst nach Hause geht und mitbekommt, dass auf Social Media zu Corona-Partys aufgerufen wird, dann denkt man sich schon: Wo sind wir?“ sagt Maria Herzog.

Wolfgang Stöcklmayer ergänzt: „Das ganze Team ist ziemlich angespannt. Zwischen Müdigkeit, Mattheit, Abgeschlagenheit und Zorn wechseln unsere Gefühlslagen hin und her. Wir hoffen, dass wir trotzdem ein Weihnachtsfest mit der Familie feiern können und auch in dieser Zeit, wo wir dann nicht hier sind, abschalten können.“