Kurz vor 14.00 Uhr heulten auf dem Areal der damaligen Papierfabrik in Ortmann in der Nähe von Pernitz (Bezirk Wiener Neustadt) die Sirenen. In der neu gebauten, cirka 100 Quadratmeter großen Papierverarbeitungshalle war Feuer ausgebrochen.
Franz Wöhrer, ehemaliger Bezirksfeuerwehrkommandant von Wiener Neustadt, war damals als 17-Jähriger im Einsatz. „Jedes Mal, wenn man hier vorbeifährt, wird man daran erinnert. Es war einer der größten und schwersten Feuerwehreinsätze der damaligen Zeit“, sagt Wöhrer im Gespräch mit noe.ORF.at.
„Man denkt immer wieder daran, man wird eingeholt von den Ereignissen“, sagt Johann Batey. Er war damals knapp über 20 Jahre alt und Mitglied der Betriebsfeuerwehr. „Gottseidank hat es im gesamten Abschnitt so ein gleiches Feuer nicht mehr gegeben.“
Schweißarbeiten als Auslöser
Der Brand war aufgrund von Schweißarbeiten ausgebrochen. In der Halle sollten Klappen montiert werden, die im Brandfall den Rauchabzug steuern. Brandmeldeanlagen wie heute gab es damals noch nicht. Binnen weniger Minuten stand die gesamte Halle, in der Papier gelagert worden war, in Flammen. Die etwa 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konnten sich ins Freie retten.
Die Situation war aussichtslos, gegen 16.00 Uhr wurde die Halle aufgegeben und der Befehl erteilt, dass sie niemand mehr betreten soll. Ein Trupp von fünf Feuerwehrleuten wollte offenbar dennoch in den Abendstunden neuerlich einen Löschversuch von innen starten. In dem Moment stürzte eine Betondecke ein, die Feuerwehrmänner aus Felixdorf und Piesting (beide Bezirk Wiener Neustadt) wurden unter den Trümmern begraben. Für sie kam jede Hilfe zu spät.
Unfall bei Einsatz gilt heute als Arbeitsunfall
Das Unglück in der damaligen Papierfabrik in Ortmann war mit ein Anlass dafür, dass der Versicherungsschutz für Feuerwehrleute vorangetrieben wurde. Die Helfer waren bis zu diesem Zeitpunkt nicht versichert. Ein Unfall bei einem Einsatz galt als Freizeitunfall. Die Familien der fünf verstorbenen Kameraden standen plötzlich vor dem Nichts.
„Der Vorfall hat zum Denken angeregt“, sagt Franz Wöhrer, „es wurden daraufhin Initiativen zum Schutz der Feuerwehrmitglieder gesetzt.“ Der Landesfeuerwehrverband rief einen Unterstützungsfonds ins Leben, aus dem Geld an Feuerwehrleute fließt, die sich bei einem Einsatz oder einer Übung verletzen. Zudem gab es eine Spendenaktion, an der sich zahlreiche Menschen aus ganz Österreich beteiligten. Mit dem Geld wurde etwa die Ausbildung der elf minderjährigen Kinder finanziert, die die fünf verstorbenen Feuerwehrmänner hinterlassen hatten.
Heute sind Feuerwehrleute wie Arbeitnehmer versichert, heißt es seitens des niederösterreichischen Landesfeuerwehrverbandes. Das bedeutet, dass Unfälle im Feuerwehrdienst – egal ob bei einem Einsatz, einer Übung oder einer Ausbildung – als Arbeitsunfall gelten.

Kameraden bauten Haus fertig
Die Kameraden der Verstorbenen standen deren Familien nach dem Unglück zur Seite. „Ein Feuerwehrmitglied hatte ein Haus und vier Kinder. Das Haus war ein Rohbau. Die Feuerwehrmitglieder und Privatpersonen haben jeden Samstag und Sonntag an dem Haus gearbeitet und es fertiggestellt“, erinnert sich Wöhrer. „Bei einem anderen Haus waren nur noch der Zaun und einige Kleinigkeiten zu machen. Es sind 2.700 freiwillige Stunden in die Fertigstellung der Häuser geflossen.“
Für die betroffenen Familien sind die Ereignisse von vor 50 Jahren noch immer belastend. Speziell in der Vorweihnachtszeit kommen die Erinnerungen immer wieder hoch. „Das Unglück ist eine Woche vor Weihnachten passiert, das Begräbnis war nur einen Tag vor dem Heiligen Abend“, sagt Wöhrer. „Man erinnert sich daran, wie schlimm es war, wenn der Vater zu einem Einsatz fährt und nicht mehr heimkommt.“
Die abgebrannte Halle wurde nach dem Unglück wieder aufgebaut. Seit 2017 ist das Gelände im Besitz der Essity Austria GmbH, das unter anderem Toilettenpapier und Taschentücher produziert – mehr dazu in Nachfrage nach Klopapier weiter hoch (noe.ORF.at; 10.2.2021).