Norbert Nowotny
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Coronavirus

Virologe Nowotny stellt Impfpflichtgesetz in Frage

Die gesamtstaatliche Krisenkoordination (GECKO) blickt wegen der Omikron-Welle durchaus zuversichtlich in den Herbst. Virologe Norbert Nowotny teilt die Einschätzung der Expertenkimmission, stellt das nun gültige Impfpflichtgesetz aber in Frage.

In Niederösterreich baute sich die Omikronwelle am Wochenende weiter auf und erreichte neuerlich Höchstwerte. Am Sonntag waren 56.489 Menschen gemeldet, die aktiv mit dem Coronavirus infiziert sind. Bei vorherigen Wellen waren die Infektionszahlen maximal halb so hoch.

Anders als bei bisherigen Wellenspitzen sind die Zahlen der Infizierten in Spitälern aber niedriger als bisher – besonders jene, die auf Intensivstationen behandelt werden müssen. Aktuell befinden sich 274 Menschen in Spitalsbehandlung (29 davon auf Intensivstationen), der bisherige Höchstwert war am 3. Dezember 2021 mit 591 Hospitalisierten (davon 112 in intensivmedizinischer Betreuung).

Optimismus für den Herbst

Die gesamtstaatliche Krisenkoordination (GECKO) empfahl erstmals, Covid-19 im Fall von niedrigen Infektionsahlen ab Herbst „in die klassischen Influenzaüberwachungsstrukturen einzubetten – vorausgesetzt, es bleibt bei ähnlichen Varianten wie derzeit“. Derzeit sei die Lage aber „nach wie vor volatil“, sagte die GECKO-Vorsitzende Katharina Reich am Freitag – mehr dazu in "Vorsichtige GECKO-Empfehlung für Herbst (news.ORF.at; 5.2.2022).

Norbert Nowotny im ORF-Interview
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Im ORF-Interview plädierte Norbert Nowotny dafür, die angekündigten Strafen bei Verstößen gegen die Impfpflicht auszusetzen

Virologe Norbert Nowotny hält das Szenario der GECKO-Kommission für realistisch. Durch die Omikron-Variante bewege sich das Virus „in die richtige Richtung“, sagt der Experte. Gleichzeitig stellt Nowotny im ORF-Interview die Impfpflicht in Frage, weil die Omikron-Welle „einen milderen klinischen Verlauf“ mit sich bringe. Zudem plädierte er für einen vorsichtigen Umgang mit Strafen bei Verstößen gegen die Impfpflicht.

noe.ORF.at: Laut aktuellem Lagebericht blickt die GECKO-Kommission durchaus zuversichtlich in den Herbst, im besten Fall braucht es nur eine Auffrischung mit einem Variantenimpfstoffen. Sind Sie auch so optimistisch?

Norbert Nowotny: Die Omikron-Variante ist bereits eine Coronavirus-Variante in die richtige Richtung, weg von einem pandemischen Virus hin zu einem saisonale Virus, das wir zwar alle Jahre im Herbst und Winter wieder haben werden, aber wogegen wir uns durch eine Auffrischungsimpfung im Frühherbst gut schützen können.

noe.ORF.at: Laut GECKO könne man Covid-19 bei niedrigen Zahlen ab Herbst „in die klassischen Influenzaüberwachungsstrukturen einbetten". Was heißt das konkret?

Nowotny: Das bedeutet, dass wir nicht mehr diese engmaschige Überwachung brauchen wie die letzten zwei Jahre und dass wir viele der restriktiven Maßnahmen wie zum Beispiel Lockdowns, Einschränkungen der Gastronomie oder Geschäfte hinkünftig nicht mehr brauchen.

noe.ORF.at: Seit Samstag gilt in Österreich die Impfpflicht. Manche Experten haben sich angesichts der Omikron-Variante bereits skeptisch gezeigt bzw. sie in Frage gestellt. Ist die Impfpflicht für Sie noch gerechtfertigt?

Nowotny: Das Impfpflichtgesetz wurde initiiert, als wir die Delta-Welle hatten, und damals war aus durchaus gerechtfertigt, weil unsere Spitäler absolut am Anschlag waren. Jetzt durch die Omikron-Variante, die einen leichteren klinischen Verlauf nach sich zieht, ist das in dieser Form nicht mehr wirklich notwendig.

Die Aufklärung sollte als Teil eins meiner Ansicht nach bleiben, Teil zwei und drei, wo es auch um Strafen geht, sollte man auf Eis legen – und zwar für den Fall, dass im Herbst doch noch eine bösartigere Variante kommen sollte, wovon ich aber nicht ausgehe. Ich bin jetzt sehr dafür, dass wir Gräben wieder zuschütten und Brücken bauen. Ich glaube das ist in der Bevölkerung sehr, sehr wichtig. Im Übrigen bin ich der Meinung, dass wir mit der Impfpflicht noch warten sollten bis die beiden alternativen Impfstoffe von Novavax und Valneva zugelassen sind und zur Verfügung stehen, denn ich kenne sehr viele Menschen, die auf diese alternative Impfstoffe warten und man sollte diesen Menschen die Möglichkeit dazu geben.

noe.ORF.at: Die Infektionszahlen sind derzeit auf einem Höchststand. Trotzdem wurden für die Volksschulen diese Wochen Lockerungen angekündigt, die Maskenpflicht am Sitzplatz fällt ab 14. Februar. Gibt das die aktuelle Situation her?

Nowotny: Ja, denn es ist ein ganz leichtes Zurücknehmen der Maßnahmen und betrifft nur die Volksschüler. Ich denke, das ist gerechtfertigt. Was mir viel wichtiger ist: Wenn jetzt nach den Semesterferien die Schüler wieder zurückkommen, dann sollen sie sich bitte nach Möglichkeit am Samstag und am Sonntag testen lassen.

noe.ORF.at: Bisher sind CoV-Tests für alle noch kostenlos, allerdings gibt es bereits die ersten Forderungen, diese – vor allem für Ungeimpfte – künftig kostenpflichtig zu machen. Was halten Sie davon? Ist das sinnvoll oder würde man dadurch wissenschaftliche Screenings unmöglich machen?

Nowotny: Es macht für mich durchaus Sinn, denn die Tests kosten sehr viel, wesentlich mehr als der Einkauf aller Impfstoffe gekostet hat, und wenn es Menschen gibt, die sich partout nicht impfen lassen wollen, dann sollten sie auch einen Kostenbeitrag für die Tests aufbringen.