Chronik

„Anti-Homo-Haus“: Gesetzeslücke beklagt

Im Fall jenes Privatvermieters in der Wachau, der keine Homosexuellen beherbergt, beklagt die Gleichbehandlungsanwaltschaft eine Gesetzeslücke. Auch der Gemeinde, Wirtschaftskammer und den Tourismusverantwortlichen sind die Hände gebunden.

Versteckter Diskriminierung begegnen viele Homosexuelle in Österreich im privaten Alltag immer wieder. Manchmal passiert sie aber auch in aller Öffentlichkeit und Offenheit. Das ist etwa bei jenem Privatzimmervermieter der Fall, der seine Unterkunft in Aggsbach Markt (Bezirk Krems) „Anti-Homo-Haus“ nennt. Über die Causa hatten am Mittwoch zuerst die „Niederösterreichischen Nachrichten“ („NÖN“) berichtet. „Wir wollen nichts mit AIDS oder Syphilis zu tun haben“, ist unter anderem als Begründung auf der Website der Unterkunft zu lesen – mehr dazu in Aggsbach Markt: Entsetzen über „Anti-Homo-Haus“ (noe.ORF.at, 9.2.2022).

Zehn Zimmer vermietet Michael Hirschmann, die meisten davon an Arbeiter – sofern diese nicht homosexuell sind. „Wenn ich mir vorstelle, wie diese Leute Sex miteinander haben, graust mir“, sagte Vermieter Michael Hirschmann gegenüber noe.ORF.at. „Ich sehe ein, dass diese Menschen Probleme haben und krank sind, aber ich bin kein Therapeut und kann ihnen nicht helfen. Deshalb ist es mir lieber, sie kommen nicht zu mir.“

„Anti-Homo-Haus“ in Aggsbach Markt
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Jene Unterkunft in der Wachau, die die Diskussion angestoßen hat

Rechtlich belangt werden kann Hirschmann für diese Diskriminierung derzeit wohl nicht. Aus diesem Grund sind die schwulenfeindlichen Äußerungen bereits seit Jahren auf der Website der Privatzimmervermietung zu lesen. Auch Interventionen der Gemeinde und des lokalen Tourismusverbands haben nichts gebracht.

Unterkunft von Websites gestrichen

Beim Tourismusverband hatte sich bereits 2019 ein Gast beschwert. „Wir haben daraufhin sofort reagiert“, betonte Mario Pulker, Obmann des Tourismusverbands Wachau-Nibelungengau-Kremstal. Man habe die Unterkunft von den eigenen Websites gestrichen, „somit ist sie touristisch nicht mehr bei uns auffindbar und bekommt auch keinen touristischen Support mehr“, sagte Pulker.

Auf die Vermietung an sich habe man aber keinerlei Einfluss. Mehr könne man daher nicht tun, so Pulker, der auch als Spartenobmann der Gastronomie in der Österreichischen Wirtschaftskammer fungiert. Man habe keinerlei rechtliche Handhabe. Das hängt auch damit zusammen, dass Hirschmann als Privatperson vermietet und kein Hotelgewerbe betreibt. Er ist damit kein Mitglied der Wirtschaftskammer. „Wäre es ein gewerblicher Betrieb, könnten wir einen Entzug der Gewerbeberechtigung anstrengen“, sagte der Kammerfunktionär.

Mario Pulker
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Der Wachauer Gastronom und Tourismusfunktionär Pulker

Diskriminierung oft legal

Auch bundesweit hat der Fall mittlerweile hohe Wellen geschlagen. Zahlreiche LGBTQI-Organisationen zeigen sich entsetzt – und verweisen gleichzeitig auf ein deutlich größeres Problem im Rahmen der Privatautonomie. Diese besagt als Grundpfeiler des Privatrechts in Österreich, dass Personen ihre rechtlichen Beziehungen zu anderen nach eigenem Willen gestalten können. In diesem Zusammenhang ist derzeit selbst Diskriminierung gegenüber sexuellen Minderheiten bei Privatpersonen in den meisten Fällen erlaubt.

„Wenn ich als schwuler Mann in einem Cafe sitze und dort bei einem Date einen Kaffee trinke, könnte ich ganz legal aus dem Lokal verwiesen werden“, sagte etwa Markus Möller, Obmann der Homosexuellen Initiative in Tirol, am Donnerstag im Ö1-Mittagsjournal. „Ich habe genauso zu fürchten, aufgrund meiner Sexualität bei der Wohnungssuche ausgeschlossen zu werden. Man kann mir rein rechtlich einen Mietvertrag verwehren.“ Möller sei sogar bereits in einem Taxi verbal angegriffen und beleidigt worden, „und auch das war rechtlich möglich.“

Lehrbuchbeispiel für Gesetzeslücke

Heftige Kritik kommt auch von der Gleichbehandlungsanwaltschaft. Deren Leiterin Sandra Konstatzky ortet in Bezug auf den niederösterreichischen Vermieter eine „Schutzlücke im Gleichbehandlungsgesetz“, die sie bereits seit vielen Jahren kritisiere.

Dieses Gesetz schütze Homosexuelle lediglich im Bereich der Arbeitswelt vor Diskriminierung. Konstatzky spricht von einer „skurrilen Situation“: „Ein Homo-Feindlicher ist gegenüber seinem Angestellten schadensersatzpflichtig, wenn dieser schwul ist. Dieser kann sich dann gegen die Schwulenfeindlichkeit wehren. Der Gast, der ausgeschlossen wird, kann das nicht.“ Deshalb fordert die Gleichbehandlungsanwaltschaft schon seit Jahren eine Ausweitung des Schutzes auf weitere Lebensbereiche, etwa beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen. Im europäischen Vergleich sei dieses Schutzniveau in Österreich derzeit sehr niedrig.

SPÖ fordert Gesetzesänderung

Der SPÖ-Klub im Parlament spricht sich klar für eine Gesetzesänderung aus. „Dieser grausliche Fall zeigt einmal mehr, dass die Bundesregierung handeln und den Diskriminierungsschutz endlich gesetzlich verankern muss“, wird LGBTIQ-Sprecher Mario Lindner in einer Aussendung zitiert. Meinungsfreiheit höre dort auf, „wo die Freiheit unserer Mitmenschen endet und wo Hass geschürt wird. Dieser Betrieb hat diese Grenze auf grausliche Art überschritten.“

Es klingt ein wenig paradox: Ausgerechnet der Vermieter in Aggsbach Markt mit seiner offen zur Schau gestellten Schwulenfeindlichkeit könnte jetzt dafür sorgen, dass Homosexuelle künftig in Österreich besser geschützt werden.