Spraydosen, AMS Projekt Gänserndorf
ORF/Tobias Mayr
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Wirtschaft

Mit Spraydose und Säge zum richtigen Job

Ein neues AMS-Projekt richtet sich an Jugendliche, die besonders unter der Coronavirus-Krise leiden. Durch künstlerische und handwerkliche Projekte sollen die Jugendlichen wieder zurück in eine Tagesstruktur finden und ihre Stärken erkennen.

Es ist viel los in der kleinen Werkstatt in Gänserndorf. In der einen Ecke werden Paletten-Möbel gestrichen, an der Werkbank entsteht ein Bücherregal und an der Nähmaschine wird daran getüftelt, wie man einen Polsterüberzug in Herzform näht. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des AMS Projekts „Get up – stand up“ sind zwischen 15 und 18 Jahre alt und sie sind hochmotiviert. Sechs Stunden täglich verbringen die fünf Burschen und fünf Mädchen gemeinsam in der Werkstatt oder beim Versorgen der Schafe und Ziegen im Garten.

Was sie eint ist, dass sie mit dem starren Schulsystem nur schwer zurecht kommen. Oftmals finden sich in ihren Biographien auch Geschichten über Mobbing. Viele suchen schon länger nach der richtigen Tätigkeit im Leben, haben Vieles begonnen, aber nichts zu Ende geführt. Seit Anfang Jänner ist die 17-jährige Susanne Teil des Projekts. Die CoV-Pandemie hat für sie Einiges verschlimmert. „Die Motivation für das Lernen hat gefehlt, weil man ja mit niemandem gemeinsam lernen durfte“, erzählt sie.

Niemanden zurücklassen

So wie ihr geht es laut Beobachtungen des AMS Niederösterreich vielen jungen Menschen unter 25 Jahren: „Wir sehen, dass eine Gruppe von Jugendlichen den Anschluss verloren hat und in soziale Isolation geraten ist“, berichtet AMS-Landesgeschäftsführer Sven Hergovich. „Wir wollen ihnen zeigen, dass wir sie nicht zurücklassen.“ Deshalb startete das AMS Ende vergangenen Jahres vier Pilotprojekte für genau diese Jugendlichen. Neben Gänserndorf finden diese auch in Amstetten, Schwechat (Bezirk Bruck an der Leitha) und Ternitz (Bezirk Neunkirchen) statt. Ein fünfter Standort soll im März im Bezirk Lilienfeld folgen.

Die Philosophie der Projekte liegt im praktischen Arbeiten. „Wir glauben, dass das Arbeiten mit den Händen wichtig ist, weil es konkret Ergebnisse der Arbeit sehen lässt“, erklärt Hergovich. Ganz im Kontrast zum Distanzunterricht, in dem die Kinder seit zwei Jahren hauptsächlich am Computer arbeiten müssen. Handwerkliches und künstlerisches Arbeiten stabilisiere die Jugendlichen und helfe ihnen beim Einstieg in die Berufswelt oder in eine Lehre.

Spint wird bemalt, AMS Projekt Gänserndorf
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Kreativität und künstlerische Verwirklichung stehen bei „Get up – stand up“ im Vordergrund

Selbstständigkeit und Tagesstruktur

Stück für Stück finden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer so wieder in eine normale Tagesstruktur und zu einem stärkeren Selbstbewusstsein zurück. Dazu bekommen sie Raum für ihre eigene Kreativität. „Es gibt sehr viel Abwechslung und wir dürfen viel selbst entscheiden“, berichtet Susanne.

Sie hat in „Get up – Stand up“ vor allem ihre künstlerische Ader entdeckt. Gerade wird ein Spind nach ihrem Entwurf besprüht und bemalt. Sie möchte an eine Keramikschule im Burgenland wechseln und sich dort vertieft mit Kunst und Kreativität beschäftigen. Es sei eine gute Entscheidung gewesen, vor eineinhalb Monaten in der Werkstatt zu beginnen, meint sie. „Der Tag ist jetzt nicht mehr so langweilig, man macht etwas Sinnvolles, kann sich ausleben, und ich ich habe neue Freunde gefunden.“ Wenn das Pilotprojekt erfolgreich ist, möchte das AMS das Projektdesign im Jahresverlauf erweitern und ausbauen.