Kultur

Sechstagespiel: Intensive Aktionen, viel Blut

Mit intensiven Aktionen, viel Blut und leidenschaftlichen Akteuren und Akteurinnen, deren Kleidung sich im Laufe des Tages rot färben wird, ging die Zweitfassung des Sechstagespiels am Sonntag in Prinzendorf los. Es ist der zweite und vorerst letzte Tag.

Mit schönerem Wetter als noch bei Tag eins grüßte der Sonntag das internationale wie österreichische Publikum. Idyllisch wirkt denn auch der Innenhof von Hermann Nitschs Schloss in Prinzendorf (Bezirk Gänserndorf), in dem Bänke, Tische und Speisen bereitstehen. Dass es sich hier nicht um einen gewöhnlichen Sonntagsausflug handelt, sondern um eine Aufführung von Nitschs Hauptwerk – daran erinnert hier zunächst nur ein von Blumen umringtes Kreuz auf rotgefärbtem Boden.

Später sollten im Hof riesige Schüttbilder mit ineinander verlaufenden, bunten Farben entstehen. Darüber hinaus wurde er Schauplatz einer für Nitsch charakteristischen Aktion, in der nicht nur Menschen an Kreuze – immer wieder spielte der Aktionist mit der christlichen Symbolik –, sondern auch tote Schweine an Menschen gebunden wurden. Bei lautem Glockengeläut warfen in Blut getunkte Akteure nicht nur Eingeweide, sondern auch Tomaten und Weintrauben, von denen man für das Fest je drei Tonnen anschaffte, durch die Lüfte.

Nitschs neue Partitur posthum aufgeführt

„Bombastisch“ sei es bisher gelaufen, freute sich Nitschs mit Blutsprenkeln übersäter Pflegesohn und Regisseur Leonhard Kopp. Die neue Fassung der Partitur, die Nitsch vorgegeben hatte, habe man „eins zu eins umgesetzt, ohne Verwaschung.“ „Ich habe das Gefühl, dass wir es in seinem Sinne gemacht haben“, zeigte sich auch die Künstlerwitwe und Organisatorin Rita Nitsch überzeugt. „Ich glaube, dass er zufrieden wäre.“ Das Spiel lauge jedenfalls aus, sagte der Sohn des verstorbenen Künstlers: „Man ist schon am Limit“.

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Sechstagespiel in Prinzendorf, Tag 1
APA/Hermann Nitsch GmbH/Foto Feyerl
Nach genauen Vorgaben des im April verstorbenen Aktionskünstlers Hermann Nitsch führen 70 Akteure und 100 Musikerinnen und Musiker am Wochenende den ersten und zweiten Tag des Schlüsselwerks des Orgien-Mysterien-Theaters auf
Sechstagespiel in Prinzendorf, Tag 1
APA/Hermann Nitsch GmbH/Foto Feyerl
Die Akteure stammen aus ganz Europa
Sechstagespiel in Prinzendorf, Tag 1
APA/Hermann Nitsch GmbH/Foto Feyerl
Die restlichen Tage sollen in den nächsten Jahren folgen

Ernst wurde es am Vormittag des zweiten Tages auf Nitschs „Schüttboden“. Die Zutaten für die dort veranstaltete Ausweidungsaktion: Ein totes Schwein, dessen Bauchraum bereits aufgeschlitzt und hohl war, eine an ein Kreuz angebundene Frau, die darunterlag, und eine Schar an Akteuren, die das Tier immer wieder mit Blut und Eingeweiden füllten.

Eine Räucherprobe und der allgegenwärtige Geruch von Fleisch und Blut sowie die an- und abschwellenden, lärmähnlichen Töne des Orchesters vervollständigten das Erlebnis, war es doch Nitschs Ziel, sein Orgien-Mysterien-Theater mit allen Sinnen erfassbar zu machen.

Blutbespritzte Kleidung als Erinnerung

Gewährte man den gedrängt stehenden Besuchern hier noch einen gewissen Abstand, wurden sie bei der darauffolgenden Schüttaktion mitten ins Geschehen versetzt. Akteure, die bereits bei den Bayreuther Festspielen in Nitschs Auftrag am Werk waren, verschütteten Blut auf horizontale und vertikale Leinwände.

Kein Ärgernis, sondern einzigartiges Erinnerungsstück sei die am Ende blutbespritzte Kleidung, lautete der Tenor unter den Zusehern. Brachte die Premiere des Sechstagespiels vor 24 Jahren noch umfangreiche Kritik, äußerte heuer lediglich die FPÖ Niederösterreich im Vorfeld angesichts der „Lebensmittelverschwendung“ Unmut.

Fotostrecke mit 2 Bildern

Impressionen des zweiten Tages des Sechstagespiels auf Schloss Prinzendorf
HERMANN NITSCH GMBH/FOTO FEYERL
Als „bombastisch" bezeichnete Nitschs Pflegesohn und Regisseur Leonhard Kopp den zweiten Tag
Impressionen des zweiten Tages des Sechstagespiels auf Schloss Prinzendorf
HERMANN NITSCH GMBH/FOTO FEYERL
Im nächsten Jahr soll Tag drei folgen, in den nächsten Jahren dann Tag vier bis sechs

Tag drei für 2023 angekündigt

Im nächsten Jahr soll, so Rita Nitsch, Tag drei über die Bühne gehen, in den nächsten Jahren Tag vier bis sechs folgen. Ob Prinzendorf in Zukunft immer wieder Bühne seiner Aktionen werde, wie es sich der Künstler gewünscht hatte, hänge von den Finanzen ab. „Wenn es mir finanziell möglich ist, werde ich weiter versuchen, Ausschnitte oder auch mehrere Tage von seinem Sechs-Tage-Spiel in regelmäßigen Abständen zu spielen“, sagte Nitsch.

In der Nacht wird eine Prozession mit Fackeln zu Nitschs Weinkeller führen. Sich küssen und umarmen heißt es für die Spielteilnehmer schließlich bei Sonnenaufgang am Montag, bevor sie das Schloss verlassen.