Sujet Kindergarten
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Politik

Niederösterreich reformiert Kinderbetreuung

In Niederösterreich werden Kinder ab zwei Jahren in den Kindergarten gehen dürfen. Möglich sein soll das ab September 2024. Damit sollen Familie und Beruf besser vereinbar werden, kündigte Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) an.

Nicht nur das Alter für den Kindergarteneintritt soll gesenkt werden. Bei einer Arbeitsklausur des ÖVP-Landesregierungsteams wurde ebenso beschlossen, ab September 2023 eine kostenlose Vormittagsbetreuung für alle unter Sechsjährigen anzubieten. Das Land, die Gemeinden, Experten, Eltern und Pädagoginnen und Pädagogen hätten an der „Bildungs- und Betreuungsoffensive“ mitgearbeitet, so Mikl-Leitner bei einer Pressekonferenz Mittwochvormittag.

Betreuung am Nachmittag soll leichter möglich werden

Die Kinderbetreuung sei eine Aufgabe, „die viele Gemeinden in unserem Land bisher unterschiedlich beantworteten“, so Mikl-Leitner. Sie gab das Ziel vor, Niederösterreich zum „Mutterland moderner Familienpolitik“ zu machen. Eine weitere Maßnahme sei deshalb, die Öffnungszeiten der Nachmittagsbetreuung zu verlängern und dieses Angebot flächendeckend auszubauen.

Eckpunkte

  • Eintrittsalter zwei Jahre ab September 2024
  • Kostenlose Vormittagsbetreuung für unter Sechsjährige ab September 2023
  • Betreuung nach 13.00 Uhr flächendeckend und mit längeren Öffnungszeiten
  • Kleinere Gruppen
  • Nur noch 15 Tage im Jahr geschlossen

Die Betreuung am Nachmittag wird kostenpflichtig bleiben, die Kosten sollen aber von durchschnittlich 400 Euro pro Jahr auf maximal 180 Euro gesenkt werden. Außerdem wird Nachmittagsbetreuung derzeit nur nach Bedarf angeboten. Damit das zukünftig flächendeckend besteht, müssen Gemeinden intensiver kooperieren, so die Landeshauptfrau, die sich vorstellen kann, dass eine Betreuung ab dem ersten Kind für jede Familie „in Reichweite zum Wohnort“ möglich ist.

Nur mehr 15 Tage im Jahr geschlossen

Auch die lange Schließzeit vieler Kindergärten, vor allem in ländlichen Regionen, im Sommer soll vorbei sein. Ab dem Sommer 2023 dürfen Kindergärten nur noch eine statt drei Wochen im Sommer geschlossen haben. „Damit liegen wir dann bei 15 Schließtagen im Jahr – und mit Wien an der Spitze der Bundesländer“, so Mikl-Leitner. In Niederösterreich hatten 85 Prozent aller Kindergärten 2021/2022 laut Statistik Austria 45 bis 48 Wochen von 52 geöffnet.

Zu übergroßen Gruppen in Kindergärten soll die Kindergartenreform nicht führen: Die Anzahl der Kinder in Gruppen würde man verkleinern und zusätzliche Fachkräfte für die Kleinkinderbetreuung anstellen, so Mikl-Leitner. Künftig würde im Kindergarten eine Pädagogin gemeinsam mit einer Betreuerin für 22 Kinder zuständig sein.

ÖVP-Klausur des Regierungsteams im Hotel Schachner in Maria Taferl
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Die ÖVP Niederösterreich traf sich in Maria Taferl (Bezirk Melk) zu einer Klausur, bei der man sich u.a. auf die Kindergartenreform einigte

Bildungslandesrätin Christiane Teschl-Hofmeister (ÖVP) rechnet mit 600 neuen Gruppen ab September 2024 und 450 neuen Pädagoginnen und Pädagogen im Kindergartenbereich sowie 150 für die Betreuung von null bis zwei Jahren. Das Alter für den Kindergarteneintritt werde erst ab September 2024 gesenkt, damit bis dahin genügend Personal gefunden werden kann und die Kindergärten für die zusätzlichen Gruppen ausbauen können, so die Landesrätin.

Die Kindergartenpädagoginnen und -pädagogen sowie die Betreuerinnen und Betreuer kritisierten in den vergangenen Jahren mehrmals die Arbeitsbedingungen. Zu viele Kinder, zu wenig Platz und zu wenig Gehalt war oft der Tenor – mehr dazu in Kindergartenpersonal unter hohem Druck (news.ORF.at; 18.5.2021).

750 Millionen Euro für Kindergartenreform

Dieser Druck soll durch das gesenkte Kindergarteneintrittsalter nicht größer werden, in den nächsten fünf Jahren würden Land und Gemeinden 750 Millionen Euro investieren: „Investitionen, die notwendig und wichtig sind, wo Land und Gemeinden an einem Strang ziehen“, so Mikl-Leitner. Sie bezeichnete die Reform als „enorme Kraftanstrengung für Land und Gemeinden zum Wohle unserer Familien“. Das Paket soll zeitnah beschlossen werden, so die Landeshauptfrau.

Dass das Kindergarteneintrittsalter bald auf zwei Jahre gesenkt werden könnte, hatte am Montag bereits die SPÖ angekündigt – mehr dazu in Kindergarteneintrittsalter könnte sinken (noe.ORF.at; 5.9.2022). Die SPÖ sieht hier eine ihrer langjährigen Forderungen umgesetzt. Bislang besteht eine Lücke zwischen Karenz – der Kündigungs- und Entlassungsschutz endet vier Wochen nach dem zweiten Geburtstag – und dem Kindergarteneintritt, der erst ab einem Alter von zweieinhalb Jahren möglich ist.

Gemischte Reaktionen bei anderen Parteien

Das Kinderprogramm der SPÖ in großen Teilen umgesetzt sah LHStv. Franz Schnabl, Landesparteivorsitzender der niederösterreichischen Sozialdemokraten. Es sei schade, dass im Jänner die Vorschläge seiner Partei „noch blockiert“ worden seien. Bleiben würden nun „noch viele große Fragezeichen, die geschickt auf die Zeit nach der NÖ-Landtagswahl verschoben werden“. Unklarheit herrsche etwa darüber, wie zusätzliche Pädagogen gewonnen werden sollen und welche Unterstützung die Gemeinden bei der Umsetzung der Pläne erhalten. Der Vorsitzende des Sozialdemokratischen GemeindevertreterInnenverbands Österreich (GVV), SPÖ-Kommunalsprecher Andreas Kollross, forderte einen Rechtsanspruch auf einen ganztägigen, kostenfreien Kinderbetreuungsplatz.

Udo Landbauer, Landespartei- und Klubobmann der FPÖ Niederösterreich, ortete eine Wahlkampferöffnung durch die ÖVP. „Vor der Wahl wird alles versprochen und nachher kann sich niemand mehr daran erinnern“, der Volkspartei fehle es diesbezüglich an Glaubwürdigkeit. Die Reform sei zudem nicht fertig gedacht. „Mehr Qualität in der Kinderbetreuung kann nur heißen, dass Eltern so gut finanziell abgesichert werden, dass sie die freie Wahl haben, ab welchem Alter sie ihre Kinder in die Betreuung geben.“

Kritik kam auch von LAbg. Georg Ecker von den Grünen: „Was nach wie vor fehlt, ist zumindest mittelfristig ein Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung in Niederösterreich. Dieser kann nur auf Landesebene umgesetzt werden.“ Um den für die geplanten Maßnahmen benötigten Personalbedarf decken zu können, wurde per Aussendung weiters eine Attraktivierung des Pädagogen- bzw. Betreuerberufs samt besserer Bezahlung gefordert.

Neben der Arbeiterkammer NÖ heißen auch die niederösterreichischen NEOS den Ausbau der Kinderbetreuung grundsätzlich gut. In Regionen „ohne entsprechende Infrastruktur“ bleibe aber die Frage offen, „wo und von wem die Kinder betreut werden sollen“, sagte Landessprecherin Indra Collini in einer Aussendung. Sie schloss Befürchtungen an, dass von der Ankündigung nach der für Anfang 2023 geplanten Landtagswahl „wenig übrig bleibt“.