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FHSTP/Georg Vogt
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Wissenschaft

NS-Zwangsarbeiterlager werden sichtbar

Viele NS-Lager Niederösterreichs sind heute umgebaut oder abgetragen. Ein Forschungsprojekt unter Beteiligung der Fachhochschule (FH) St. Pölten macht den NS-Terror vor Ort wieder greifbar. Im Zentrum steht ein ehemaliges Lager im Waldviertel.

Niederösterreich blickt auf die traurige Zahl 372 zurück. Sie drückt die Anzahl der Zwangsarbeiterlager aus, die während der Zeit des Nationalsozialismus landesweit betrieben wurden. Die wenigsten Lager erkennt man heute als solche. Auch der Granitsteinbruch zwischen Roggendorf (Bezirk Horn) und Pulkau (Bezirk Hollabrunn) ist aktuell ein Freizeit-Treffpunkt. Die grausame Geschichte der Zwangsarbeit erkennt man kaum.

Das neue Forschungsprojekt unter Beteiligung der FH St. Pölten macht den NS-Terror vor Ort mit einer App und der Gegenüberstellung von Luftaufnahmen wieder greifbar. Ziel sei auch, ein Modell für den digitalen Umgang mit Geschichte zu schaffen, so Georg Vogt von der Forschungsgruppe Media Creation der FH gegenüber der Austria Presse Agentur (APA).

„Spuren lesbar machen“ ist Programm

Zu Beginn des Projektes „Spuren lesbar machen im NS-Zwangsarbeitslager Roggendorf/Pulkau“ sammelte das Forschungsteam unter Einbeziehung der lokalen Bevölkerung Dokumente, Fotografien und Videos aus der NS-Zeit in der Region. Im dortigen Steinbruch arbeiteten damals sowjetische Kriegsgefangene sowie polnische, ukrainische und jüdisch-ungarische Zwangsarbeiter.

Die historische Aufarbeitung habe laut Vogt „einiges an Dokumenten und Zeitzeuginnenaussagen für das Projekt erschlossen“, hinzu kämen die Ergebnisse der im Rahmen des Forschungsvorhabens eingerichteten Geschichtswerkstatt. Jetzt würden die beteiligten Künstler an der medialen Umsetzung des Materials arbeiten. So stellt etwa Rosa Andraschek alte Luftaufnahmen des Steinbruchs aktuellen Abbildungen gegenüber. Der Künstler Martin Krenn wiederum verwendet die gefundenen Unterlagen als Basis für eine App, die mit Bild und Ton durch den Steinbruch führt und historische Informationen dazu liefert. „Man kann den Ort erzählerisch bewandern“, so Vogt zur APA.

Interviews mit Einheimischen
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Das Forschungsteam sammelte lange Zeit Informationen und Geschichten und interviewte dafür auch Ortsanässige

Ein Projekt gegen das Vergessen der Geschichte

Ergebnis sind auch Tools, Leitfäden und Tutorials, die für ähnliche Projekte als digitale Bibliothek auf der Homepage kostenfrei zur Verfügung gestellt werden. Auch die lokale Bevölkerung konnte durch das Projekt das „Lager vor der eigenen Haustür“ kennenlernen.

Zuvor war die NS-Geschichte des Steinbruchs unter den Einwohnern von Roggendorf wenig bekannt. Das Projekt sei Vogt zufolge jedoch auf allgemeines Interesse gestoßen und in der Geschichtswerkstatt finde noch immer eine rege Auseinandersetzung mit historischen Themen statt. An dem Projekt, das als eine Art Vorbild für andere Initiativen fungieren will sind auch die Donau-Universität Krems, das Institut für jüdische Geschichte Österreichs, die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW), der Verein OpenGLAM.at sowie verschiedene lokale Museen und Vereine beteiligt.