Chronik

Böllerverletzungen vergleichbar mit Kriegswunden

Nach dem Unfall mit einer Kugelbombe in St. Johann am Steinfelde (Bezirk Neunkirchen), bei dem ein 18-Jähriger getötet wurde, schwebt ein Gleichaltriger nach wie vor in Lebensgefahr. Böllerverletzungen seien mit Kriegsverletzungen vergleichbar, heißt es.

Wer kaufte den pyrotechnischen Gegenstand und wer zündete ihn? Das sind die beiden brisanten – und nach wie vor offenen – Fragen in den Ermittlungen um den tödlichen Pyrotechnikunfall zu Silvester, sagte Polizeisprecher Stefan Loidl am Montag gegenüber noe.ORF.at. Ein 18-Jähriger ist bei der Explosion der Kugelbombe ums Leben gekommen, ein weiterer 18-Jähriger und ein 16-Jähriger wurden schwer verletzt.

Die Ermittlungen gestalten sich deshalb so schwierig, weil die Verletzten, die den Unfall überlebten, nach wie vor nicht vernehmungsfähig seien, hieß es von der Polizei. Am Sonntag wurden von Beamten des Landeskriminalamtes und Experten des Entschärfungsdienstes des Einsatzkommandos Cobra „alle Spuren am Unfallort gesichtet und dokumentiert“, so Loidl. Es würden nach wie vor „unermüdlich Vernehmungen und Anrainerbefragungen“ durchgeführt.

22.000 illegale Raketen und Böller sichergestellt

Woher die Kugelbombe stammte, ist also nach wie vor unklar. Klar ist aber, dass oft illegale pyrotechnische Gegenstände im Ausland gekauft und nach Österreich gebracht werden. Seit Anfang November führte die Polizei am Grenzübergang Kleinhaugsdorf (Bezirk Hollabrunn) stichprobenartige Kontrollen durch, seit Anfang Dezember täglich. Am Montag bilanzierte Polizeisprecher Loidl: Über 22.000 pyrotechnische Gegenstände wurden sichergestellt, fast 600 Menschen angezeigt.

Polizisten stellen illegale Böller sicher
ORF / Gernot Rohrhofer
Schwerpunktkontrollen in Kleinhaugsdorf: 22.000 Böller und Raketen wurden sichergestellt

Böllerverletzungen wie Kriegsverletzungen

Einer der schwer verletzten Jugendlichen wird im LKH in Graz behandelt. Dort bekommen Ärztinnen und Ärzte immer wieder die verheerenden Folgen von Pyrotechnik-Unfällen zu spüren. Die meisten Opfer können sich an den Unfallhergang nicht erinnern, sagt Lars-Peter Kamolz, Leiter der plastischen Chirurgie am LKH Graz. Wichtig sei daher nach dem Unfall die Aufklärung gemeinsam mit Psychologinnen und Psychologen.

„Wir hatten auch einige Patienten aus dem Ukraine-Krieg behandelt, von der Verletzungsschwere und der Verletzungsintensität ist das durchaus damit vergleichbar. Es können Patienten sterben – wie im aktuellen Fall. Es können auch Extremitäten oder Finger zerrissen oder abgerissen werden. Meist handelt es sich um schwere Gesichts- oder Handverletzungen“, erklärt der Chirurg.

Kugelbomben „ausschließlich für Pyrotechniker“

Kugelbomben seien „ausschließlich für Pyrotechniker gedacht“, betonte Rudolf Jost, Branchensprecher des Pyrotechnikhandels in der Wirtschaftskammer und auch selbst Pyrotechniker. „Selbst wir brauchen eine eigene Bewilligung dazu. Wir dürfen nicht einfach schießen, wenn wir wollen.“ Er bezeichnet Kugelbomben als „extrem gefährlich“.

Kugelbombe explodiert

Kugelbomben der Kategorie F4 dürfen nur von geschulten PyrotechnikerInnen gezündet werden. Im Video sieht man mit welcher Wucht eine derartige Bombe explodiert.

Jost erklärt im Interview in „Niederösterreich heute“, wie eine Kugelbombe funktioniert: „Sie wird in einen sogenannten Mörser geladen. Das ist ein ziemlich starkes Rohr aus Kunststoff mit einem festen Boden unten. Die Kugelbombe hat eine Treibladung, die aus Schwarzpulver besteht und wird dann elektrisch gezündet, weil sie sofort zünden sollte, wenn man auf den Knopf drückt. Je nach Kaliber geht sie dann bis zu 250 Meter in die Luft. Da kann man sich vorstellen, welche Wucht dahinter steckt.“

Pyrotechniker zu Böller-Unfällen

Der Pyrotechniker Rudolf Jost ist Branchenspecher des Pyrotechnikhandels in der Wirtschaftskammer. Er ist zu Gast im Studio und spricht über die Unfälle mit Feuerwerkskörper zu Silvester.

Das Problem sei, dass Kugelbomben meist keine Verzögerungszündschnur haben, so der Experte. „Das heißt, wenn ich anzünde, zündet sie durch. Die Zündschnur ist extrem schnell, mehr als 300 km/h. Da kommt man nicht mehr weg mit dem Körper.“

Jost betont, dass ihm ausschließlich Unfälle mit illegalen pyrotechnischen Gegenständen bekannt seien. Daher sei ein generelles Verbot nicht sinnvoll. Das österreichische Pyrotechnikgesetz sei „sehr streng“, strengere Regeln brauche es daher nicht, sondern noch mehr – und vor allem schon frühere – Kontrollen.