Physiotherapie in der Gruppe
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„Long Covid hat nichts mit Faulheit zu tun“

Tausende Menschen leiden österreichweit an Long Covid. Alleine in den Reha-Zentren der PVA wurden bisher mehr als 7.400 Betroffene behandelt. Viele kämpfen aber nicht nur mit den physischen und psychischen Folgen, sondern auch gegen Vorurteile.

Die Symptome von Long Covid sind vielfältig: von Atembeschwerden über Muskel- und Gelenksschmerzen bis hin zu Schlaf- und Konzentrationsstörungen sowie Depression. Viele leiden auch unter extremer Erschöpfung. „Die Patienten haben Phasen, in denen es ihnen besser geht. Aber manchmal setzt am selben Tag wieder extreme Erschöpfung ein“, sagt Physiotherapeutin Sarah Pimperl.

Im Reha-Zentrum Hochegg (Bezirk Neunkirchen) bringt sie Betroffenen bei, die eigenen Kräfte einzuschätzen und entsprechend einzuteilen. „Es gilt, die Balance zu finden: Wo müssen wir sie vielleicht bremsen, wo motivieren?“, so Pimperl. 7.428 Patienten wurden österreichweit von Mai 2020 bis November 2022 in den Reha-Zentren der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) behandelt, etwa ein Drittel davon am Standort Hochegg.

Hier ist man seit jeher auf die Rehabilitation bei Herz-Kreislauf- sowie Atemwegs-Erkrankungen spezialisiert. Aber nicht nur den Körper, sondern auch die Seele gilt es mitunter zu heilen. Dabei hilft neben individueller psychologischer Betreuung, dass man bei der Reha andere Betroffene kennenlernt, sagt Dominic Rychnovsky. Der 32-Jährige hat sich schon zwei Mal mit dem Coronavirus infiziert.

Atemmuskelübung in der Gruppe
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Physiotherapeutin Sarah Pimperl mit ihren Patienten beim Atemmuskeltraining

Über die Reha sagt Rychnovsky: „Es hat einen Selbsthilfegruppe-Charakter. Man lernt Leute kennen, die die gleichen Probleme haben und man kann sich austauschen. Es hilft auch, wenn man Leute im gleichen Alter kennenlernt, die genauso unter der Krankheit leiden und vielleicht auch ein bisschen damit hadern, dass sie auf einmal nicht mehr arbeitsfähig sind, und erst daran arbeiten müssen, um wieder dorthin zu kommen, wo sie vorher waren.“

Long Covid auch in der Medizin anfangs nicht anerkannt

Viele Betroffene leiden auch darunter, dass Long Covid in ihrem sozialen Umfeld nicht als Erkrankung ernst genommen wird. „Ich war vorher immer gerne mit meinen Freunden Turnen, aber ich habe im Bekanntenkreis einmal gehört, dass Long Covid reine Faulheit sei. Das hat wehgetan. Ich habe heuer schon sämtliche Ausreden verwendet, warum ich nicht mit zum Sport gehen konnte. Das ist nicht angenehm“, erzählt Markus Scherer. Als Patient in Hochegg fühle er sich jedoch „akzeptiert und verstanden. Das tut gut.“

Auch in der Medizin wurde Long Covid anfangs nicht als ernstzunehmende Erkrankung anerkannt. „Ich glaube, wir haben da in den letzten Monaten große Fortschritte erzielt“, sagt Roland Winkler, ärztlicher Leiter des Reha-Zentrums Hochegg. „Am Anfang war das sicherlich ein Problem, dass viele Patienten nicht oder nicht genug ernst genommen wurden, weil oft die Parameter, sei es jetzt Lungenröntgen oder Lungenfunktion, nicht widergespiegelt haben, was dieses Erschöpfungs- oder dieses Fatigue-Syndrom ausmacht.“

Die Akzeptanz für Long Covid wird also allmählich größer. Gleichzeitig gibt es im Reha-Zentrum Hochegg weniger Betroffene: Waren im Sommer 2022 noch 40 Prozent der 231 Betten mit Long-Covid-Patientinnen und -Patienten belegt, so sind es jetzt etwa 30 Prozent, sagt Winkler. Aber: „Das Thema wird uns sicherlich noch länger beschäftigen.“