Gesundheit

Covid & Teuerung: Kostenlose Beratung bei Krisen

Viele Menschen sind während der CoV-Lockdowns vereinsamt, aktuell stürzt die Teuerung Menschen in psychische Krisen. Immer gefragter ist daher die psychosoziale Beratung – ein kostenloses und anonymes Angebot, das etwa die Caritas anbietet.

Wenn die Situation aussichtslos erscheint, ist die psychosoziale Beratung der Caritas eine von zahlreichen Anlaufstellen. Allein die Caritas der Diözese St. Pölten hat im Mostviertel, im Waldviertel, in Tulln und in der Landeshaupstadt St. Pölten 15 Familienberatungsstellen. Hierher können Familien, Paare und Einzelpersonen mit ihren Anliegen kommen.

Die Beratungen sind kostenlos und anonym. Alleine im vergangenen Jahr wurden etwa am Standort Amstetten rund 1.500 Beratungsgespräche geführt. Geholfen wird bei der Bewältigung schwieriger Lebenssituationen genauso wie bei Konflikten. Hier können sich die Klientinnen und Klienten jemandem anvertrauen und sich aussprechen. Beziehungs- und Erziehungsprobleme sind dabei oft Thema, aber auch Ängste und Existenzsorgen. Die Caritas-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter klären zudem in den Gesprächen, ob sie die richtige Anlaufstelle sind.

Einen Überblick über das psychsosoziale Beratungs- und Betreuungsangebot gibt es auf der Internetseite des Landes. Im Jahr 2019, also vor der Coronaviruskrise, verzeichnete die Caritas an ihren 15 Familienberatungsstellen etwa 13.500 Beratungsgespräche, vergangenes Jahr waren es knapp 15.000. Offenbar suchen immer mehr Menschen Wege aus belastenden Krisen.

„Soziale Krisen verschärfen die Lage“

Die Probleme hätten sich nicht verändert, sagt Sabine Steinböck, die Leiterin der Familienberatung der Caritas St. Pölten, im Interview mit ORF-NÖ-Chefredakteur Benedikt Fuchs in der Fernsehsendung „Niederösterreich heute“ am Freitag. Es gehe meist um Überforderung, Probleme in Beziehungen und Einsamkeit, sagt sie. Die sozialen Krisen der vergangenen Jahre hätten die Lage allerdings verschärft. Besonders Kinder und Jugendliche seien „stark belastet“.

Inwiefern merken Sie, dass das Angebot der niederschwelligen psychosozialen Hilfe momentan besonders nachgefragt wird?

Sabine Steinböck: Im Jahr 2022 sind die Anfragen für Beratungen bei uns kontinuierlich gestiegen. Personen, die vor Jahren schon einmal bei uns eine Beratung in Anspruch genommen haben, haben sich aufgrund der Pandemie wieder gemeldet, weil die Probleme wieder zutage getreten sind beziehungsweise sich aufgrund dieser Krise verstärkt haben.

Alleine in den letzten drei Jahren hat es sehr viele Krisen gegeben – angefangen von der Pandemie über den Ukrainekrieg bis hin zu den Auswirkungen der Teuerung. Sind die Menschen an einer Belastungsgrenze angelangt?

Steinböck: Die Probleme, mit denen die Menschen zu uns in die Beratung kommen, haben sich jetzt per se nicht verändert. Es geht viel um Überforderung, um Konflikte bei Paaren, Konflikte in Familien, Einsamkeit. Aber aufgrund dieser zusätzlichen sozialen Krisen verschärft sich die Lage.

Wir Menschen haben mehrere Säulen, auf denen wir unsere Identität aufbauen, wo wir uns Anerkennung holen können oder wo unser Selbstwert gestärkt wird. Wenn eine davon wegbricht, also wenn man zum Beispiel Beziehungsprobleme hat, dann kann man das vielleicht noch alleine bewältigen. Aber wenn es einfach zu viel wird, wenn dann soziale Krisen oder durch die Teuerung finanzielle Probleme dazukommen, dann wird es für manche Menschen einfach zu viel und sie brauchen Unterstützung.

Leiterin der Familienberatung der Caritas St. Pölten Sabine Steinböck
ORF
Steinböck: „Beratung kann Blickwinkel erweitern“

Inwiefern hilft dann oft auch nur ein einziges Gespräch? Nicht alle Menschen brauchen gleich eine Psychotherapie.

Steinböck: Genau, nicht alle Menschen brauchen eine Psychotherapie. Es kann in vielen Fällen eine Beratung eine gute Unterstützung sein. Es ist in vielen Fällen schon hilfreich, wenn man sich einmal jemandem anvertrauen kann, wenn man über das, was belastet, sprechen kann. Unsere Berater und Beraterinnen hören zu, stellen gezielte Fragen. Wenn man in einem Problem verhaftet ist, hat man oft einen Tunnelblick. Die Beratung kann helfen, diesen Blickwinkel wieder zu erweitern und dann selbstbestimmt Konflikte zu lösen oder den Mut zu finden, eine belastende Situation zu verändern.

Inwiefern haben sich denn die Gesellschaftsschichten oder auch die Altersstrukturen der Menschen verändert, die eine derartige Hilfe beanspruchen? Stichwort: Kinder und Jugendliche.

Steinböck: Kinder und Jugendliche – das merken wir sehr stark – sind durch die Pandemie und auch durch den Ukrainekrieg und die damit verbundenen Ängste stark belastet. Soziale Phobien sowie Essstörungen bei Kindern und Jugendlichen haben zugenommen, Psychotherapie für Kinder und Jugendliche wird sehr stark bei uns nachgefragt.

Was auch zugenommen hat, sind Scheidungsberatungen. Wir bieten eine kostenlose juristische Beratung am Bezirksgericht an, die Anfragen sind deutlich gestiegen. Es kommen auch mehr Männer in unsere Männerberatung, was uns freut, weil Männer eher zögerlich sind, Beratung in Anspruch zu nehmen – auch mit dem Thema Beziehungsprobleme, aber auch mit dem Thema Überforderung im Beruf.

Was ist Ihr erster Ratschlag, wenn ein Mensch Probleme hat?

Steinböck: Zu uns kann man relativ niederschwellig kommen. Man ruft einfach an und macht sich einen Ersttermin aus. Wir bieten auch Telefonberatung, Onlineberatung und Videoberatung an. Es gibt viele Wege, wie man zu uns kommen kann. Manchmal hilft ein Gespräch schon, es gibt aber auch Klienten und Klientinnen, die über Wochen oder manchmal sogar Jahre zu uns kommen.