leerer „Kirchenwirt“ in Hochneukirchen, Sessel, Theke, Tische
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Wirtshaussterben: Neue Ideen für alte Gaststätten

In Niederösterreich ist die Zahl der Gasthäuser in den vergangenen 20 Jahren um etwa 35 Prozent gesunken. Hochneukirchen-Gschaidt (Bezirk Wr. Neustadt) und Thomasberg (Bezirk Neunkirchen) steuern dem Wirtshaussterben auf ungewöhnliche Weise gegen.

Wer das Gasthaus Kirchenwirt in Hochneukirchen-Gschaidt (Bezirk Wiener Neustadt) betritt, steht in einem verlassenen Speisesaal und vor einer leeren Schank. Der Staub in der Luft verrät es: Hier wurde schon lange niemand mehr bewirtet. Das Wirtshaussterben macht auch vor der südlichsten Gemeinde Niederösterreichs nicht halt. Von 2.800 Gasthäusern im Jahr 2000 sind laut Daten der Wirtschaftskammer NÖ 2022 nur 1.819 übriggeblieben – das entspricht einem Rückgang um rund 35 Prozent.

Aber die Gemeinde Hochneukirchen-Gschaidt will ihr Wirtshaus nicht aufgeben. Seit drei Jahren steht der einstige Kirchenwirt inzwischen leer. Nun aber soll das Lokal umgebaut, modern ausgestattet und im Herbst neu eröffnet werden – betreiben soll es dann nicht etwa ein privater Pächter, sondern eine Genossenschaft. Nun werden potenzielle Miteigentümer gesucht, die einen oder mehrere Anteile zu je 150 Euro erwerben wollen. „Wir wollen ein nachhaltiger, sozialer Betrieb sein, der einerseits der Bevölkerung, aber auch Wanderern offensteht“, sagt Bürgermeister Thomas Heissenberger (ÖVP).

Wirtshaus „Grüner Baum“ in Edlitz, Pächterin an der Theke, Kamera, Gäste, Bürgermeister Ringhofer (2. v.r.)
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Die Gemeinde Thomasberg investiert seit fast 30 Jahren in das Gasthaus Grüner Baum im benachbarten Edlitz (Bezirk Neunkirchen), wo sich auch das Thomasberger Gemeindeamt befindet

Viele potenzielle Miteigentümer wohnen in Wien

Mehr als 300 Absichtserklärungen für einen Beitritt zur Genossenschaft wurden bereits gezeichnet, wobei auf eine Person durchschnittlich 2,4 Anteile entfallen. „Es haben bis jetzt viele Leute gezeichnet, die Bezug zu Hochneukirchen haben, aber momentan gar nicht in der Gemeinde wohnen. Viele wohnen mittlerweile in Wien, aber irgendwie ist es ihnen trotzdem ein Anliegen, dass in der Gemeinde wieder ein Wirtshaus zustande kommt“, sagt Elisabeth Kager, die an dem Projekt mitarbeitet und sich selbst als „Urhochneukirchnerin“ bezeichnet.

Damit die Pläne für das neue Wirtshaus verwirklicht werden können, wünscht sich die Gemeinde bis Ostern 1.666 Absichtserklärungen. Bereits gezeichnet hat Jaqueline Wieser, die bald mit ihrer Familie in ihr neues Haus in Hochneukirchen ziehen möchte. „Ich finde, es ist einfach wichtig, dass man rauskommt aus den eigenen vier Wänden, dass man sich wo entspannen kann, dass man nicht selber kochen muss“, sagt sie gegenüber noe.ORF.at. „Das Miteinander hat einfach gefehlt in den letzten Jahren, und ein neues Wirtshaus – innovativ, mit einer neuen Idee – das braucht es einfach.“

Gemeinde mit eigenem Gasthaus

Keine 20 Autominuten von Hochneukirchen entfernt steht eine andere Gemeinde vor einem ähnlichen Problem: Auch in Thomasberg (Bezirk Neunkirchen) schwindet die Zahl der Gasthäuser. Schon Anfang der 1990er Jahre hat die Gemeinde sich daher dazu entschlossen, das Gasthaus Grüner Baum zu kaufen und zu verpachten. „Man hört immer wieder, wenn ein Gasthaus zugesperrt und zum Verkauf angeboten wird, dass es ein Privater nicht leicht übernimmt, weil die Kosten zu hoch sind. Das kann sich nur noch die Gemeinde oder eine öffentliche Institution leisten“, sagt Bürgermeister Engelbert Ringhofer (ÖVP) gegenüber noe.ORF.at.

Seit bald 30 Jahren wird das Wirtshaus daher von der Gemeinde finanziert – mit Mitteln, die die Einnahmen aus dem laufenden Betrieb mindestens drei bis viermal übersteigen. „Wir wollen uns das leisten“, sagt der Bürgermeister. „Man braucht ein Gasthaus im Ortszentrum, damit man Bälle und Familienfeiern wie Hochzeiten, Taufen und Geburtstagsfeiern abhalten kann. Das gehört einfach dazu.“ Und weil Thomasberg um seine Nachbargemeinde Edlitz herum gewachsen ist, liegt dort auch das Ortszentrum, inklusive Gemeindeamt und Gasthaus – mehr dazu in Edlitz: Eine Gemeinde mit zwei Rathäusern (noe.ORF.at, 16.12.2018).

Regierungsmaßnahmen erschweren Betrieb

Beim Lokalaugenschein von noe.ORF.at stehen zwei Gäste an der Schank, einer sitzt im Gastraum. Gerade sind Cordon-bleu-Wochen. Richtig gut besucht sei das Lokal nur am Wochenende, sagt die Pächterin Uschi Gauss. Seit 1999 betreibt sie das Lokal gemeinsam mit ihrem Mann. Die Zeiten hätten sich geändert, sagt sie, besonders der Nichtraucherschutz und die Absenkung der Promillegrenze hätten den Betrieb erschwert. Das bestätigt auch die Wirtschaftskammer NÖ.

Außerdem sei es so gut wie unmöglich, Personal zu finden. Am Wochenende behelfen sie sich mit Aushilfen, an den anderen Tagen schmeißt das Ehepaar Gauss den Betrieb zu zweit: er in der Küche, sie an der Schank. Das zehrt an den Kräften. Uschi Gauss will trotzdem bis zur Pension weitermachen: „Weil wir es gern machen, wirklich sehr gern. Es ist einfach Liebe.“ Bleibt nur zu hoffen, dass sich dann auch eine Nachfolge findet. Damit den Menschen in und um Edlitz ihr Gasthaus erhalten bleibt.