„GANZ PERSÖNLICH“

ISTA-Chef: „Es war ein Erpressungsversuch“

Seit Jänner ist Martin Hetzer Präsident des Institute of Science and Technology Austria (ISTA) in Klosterneuburg. Im Interview mit noe.ORF.at spricht der Mikrobiologe über die Zukunft des Instituts und den Hackerangriff, der im Vorjahr enormen Schaden verursachte.

Der gebürtige Wiener Martin Hetzer übernahm am 1. Jänner 2023 das ISTA als Präsident und folgte damit Thomas Henzinger nach, der das Institut in den vergangenen 14 Jahren aufgebaut hatte. Hetzer promovierte 1997 an der Universität Wien in Biochemie und Genetik. In den vergangenen 19 Jahren arbeitete der Wissenschafter am renommierten Salk Institute in Kalifornien. Für seine Forschung wurde der Molekularbiologe mehrfach ausgezeichnet.

noe.ORF.at: Martin Hetzer, als vor knapp einem Jahr bekannt wurde, dass Sie Thomas Henzinger an der Spitze des Instituts folgen, haben Sie gesagt, es gibt kein spannenderes Projekt als das ISTA. Warum?

Martin Hetzer: Im internationalen Vergleich – und hier beziehe ich mich auf Nordamerika und Europa – gibt es meiner Meinung nach kein Institut, das ein derartiges Wachstumspotenzial aufweist. Wir sind jetzt quasi auf dem halben Weg. Wir haben zurzeit 75 Forschungsgruppen und werden bis 2036 auf 150 Gruppen wachsen. Ich kenne wirklich kein anderes Institut, das ein derartiges Wachstum ermöglicht und damit einen Gestaltungsraum schafft, der eigentlich so nirgendwo existiert.

Hetzer und Friess
ORF
ISTA-Präsident Martin Hetzer im Gespräch mit Robert Friess

noe.ORF.at: Sie waren mehr als 20 Jahre im Ausland wissenschaftlich tätig, unter anderem in Kalifornien. Die Sonne Kaliforniens haben Sie mit der Sonne Klosterneuburgs getauscht. Was war der Grund, dass Sie nach Österreich gekommen sind?

Hetzer: Wir waren sehr glücklich in Kalifornien, haben es sehr genossen, ich habe in einem traumhaften Institut gearbeitet mit Blick auf den Pazifik und ich habe zunächst keine Überlegungen gehabt, nach Österreich zurückzukehren. Aber die Möglichkeit, die ich hier vorfinde und dass ich hier eine Rolle spielen kann an diesem Institut – noch dazu so nah an meiner Geburtsstadt Wien, war einfach ein Angebot, das ich nicht ausschlagen konnte. Ich bin hier, weil ich an die Zukunft dieses Instituts glaube.

noe.ORF.at: Sie haben auch eine persönliche Beziehung zu Niederösterreich. Sie sind in Wien geboren, aber in Niederösterreich und Oberösterreich aufgewachsen.

Hetzer: Mütterlicherseits bin ich aus der Hainfelder, der Kleinzeller Gegend, väterlicherseits aus Oberösterreich. Ich bin zwar in Wien geboren, habe aber auch in früher Jugend viel Zeit in Niederösterreich und Oberösterreich verbracht.

noe.ORF.at. Was werden Sie anders machen als Ihr Vorgänger Thomas Henzinger?

Hetzer: Tom hat ein akademisches Start-up gemacht, das von null auf 100 auf eine Größe von jetzt mit über 1.000 Mitarbeitern aus 80 Ländern angewachsen ist. Jetzt geht es um ganz was anderes. Jetzt geht es darum, dieses Start-up in eine nächste Phase zu bringen, in ein wirklich reiferes und größeres Institut. Das heißt, hier geht es nicht darum, etwas anderes zu machen, sondern das, was er aufgebaut hat, fortzusetzen.

Ich bin ihm extrem dankbar für das, was er hier geschaffen hat, und alle Mitarbeiter verdienen auch enormen Dank, weil sie mit ihrer Leidenschaft ein international anerkanntes Forschungszentrum aufgebaut haben. Und jetzt muss es wachsen. Das sind ganz andere Anforderungen. Ich hoffe, dass ich mit meiner Erfahrung, die ich im Ausland gesammelt habe, auch wirklich hier wertvolle Beiträge leisten kann.

noe.ORF.at: Wohin soll sich das ISTA entwickeln?

Hetzer: Wir sind in den Naturwissenschaften, in der Mathematik schon sehr stark, wollen diese Bereiche weiter ausbauen und Brücken zwischen einzelnen Disziplinen bauen. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass die nächsten wissenschaftlichen Durchbrüche auch in diesen Grenzbereichen zwischen den einzelnen Disziplinen passieren werden. Aber wir haben auch die Möglichkeit, neue Wissenschaftsbereiche zu gestalten. Wir haben jetzt erst mit der Astrophysik begonnen, ganz wichtig sind auch die Umweltwissenschaften. Wir werden hier natürlich auch neue wissenschaftliche Kompetenz nach Klosterneuburg bringen.

noe.ORF.at.: Sie sind Molekularbiologe, ihr Schwerpunkt ist die Altersforschung.

Hetzer: Die Altersforschung ist jedem irgendwie bekannt. Wir werden nicht jünger und mit dem Alter steigen auch die Risikofaktoren, an Diabetes, Krebs und Alzheimer zu erkranken. Und wir haben eigentlich noch immer ein sehr schlechtes Verständnis, was wirklich in den einzelnen Organen wie zum Beispiel im Gehirn passiert, wenn wir älter werden.

Das ist als unser Hauptziel zu verstehen, was die Organe und die Zellen gesund hält. Da stellt sich heraus, dass über Dekaden ganz geringfügige, aber kumulative Veränderungen stattfinden, die letztlich zu irgendeiner Pathologie führen können. Und das wollen wir herausfinden. Wenn wir das verstehen, dann können wir vielleicht auch den Alterungsprozess etwas verzögern und die Leute einfach länger gesund halten.

ISTA
ISTA
Das ISTA in Klosterneuburg gilt mittlerweile auch international als sehr annerkannt

noe.ORF.at: Eines der wichtigsten Themen der Gegenwart ist der Klimawandel. Wie wichtig ist die Klimaforschung für den Standort?

Hetzer: Sehr wichtig – auf vielen Ebenen. Als Institut wollen wir einerseits über Nachhaltigkeit nachdenken. Wir haben einige Forschungsbereiche, die sehr energieintensiv sind. Wir haben viele Mitarbeiter, die von der Forschungsseite darüber nachdenken, was können wir als Institut machen, um die Forschung möglichst carbon-neutral zu halten, haben andererseits aber jetzt schon Mitarbeiter am Institut, die sich auch über die Wissenschaft mit Klimawandel beschäftigen.

Caroline Muller hat etwa vor zwei Jahren hier begonnen zu erforschen, wie sich Wolkenbildung im Zusammenhang mit Temperaturerhöhung global verändert. Das ist sehr relevant, weil durch die Temperaturerhöhung sehr viel mehr Wasser in der Atmosphäre gebunden wird und es zu enormen Niederschlägen kommt, wie wir sie auch jetzt gerade in Kalifornien sehen, aber auch hier in Europa. Das sind wirklich grundlegende Fragen, die hier gestellt werden, die unser Verständnis für Klimawandel und seine Auswirkungen vertiefen.

noe.ORF.at: Im November des Vorjahres ist das ISTA selbst Opfer der Technik geworden, konkret eines Hackerangriffs. Wie groß ist der Schaden?

Hetzer: Es war ein Erpressungsversuch. Das Institut hat sich entschlossen, kein Lösegeld zu zahlen. Der Schaden war natürlich groß. Zum Glück sind wissenschaftliche Daten nicht verloren gegangen. Das Institut hat eine externe Untersuchung in Auftrag gegeben. Wir werden den Bericht sehr bald erhalten und natürlich die Lektionen lernen und uns entsprechend in der Zukunft so aufstellen, dass wir mit einer Hackerattacke, deren Risiko wir nie komplett auf Null reduzieren können, zumindest umgehen können und den Schaden wirklich minimieren.

noe.ORF.at: Wann wird der erste Nobelpreisträger aus Klosterneuburg kommen?

Hetzer: Ich glaube, der oder die Nobelpreisträgerin ist bereits hier. Wann das passiert, ist eine Frage, die ich nicht beantworten kann. Sie wissen, dass es oft sehr lange dauert, bis das Nobelpreiskomitee Forschung anerkennt. Ich glaube, dass das nicht das einzige Maßstab sein sollte. Er ist zwar einer der bekanntesten Preise, aber letztlich geht es darum, grundlegende Zusammenhänge in der Natur, im Universum zu verstehen. Und hier können wir große Beiträge leisten.