Katrin Prapotnik im Studio
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„Wähler könnten ein Auge zudrücken“

Das Arbeitsbündnis von ÖVP und FPÖ stößt auf viel Kritik. Für Politikwissenschaftlerin Katrin Praprotnik hängt der Erfolg der Regierungsarbeit von „Leuchtturmprojekten“ ab, es gibt aber auch Knackpunkte. Die SPÖ sieht sie in einer „sehr schwierigen Situation“.

Bei der konstituierenden Landtagssitzung wurden am Donnerstag die Landeshauptfrau und die Landesregierung sowie das Landtagspräsidium formell gewählt und angelobt. Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) wurde dabei nur mit 24 von 56 möglichen Stimmen zur Landeshauptfrau gewählt – ein historischer Tiefstand. SPÖ, NEOS und Grüne hatten bereits im Vorfeld angekündigt, gegen Mikl-Leitner zu stimmen. Die Abgeordneten der FPÖ, die mit der ÖVP ein Arbeitsübereinkommen beschlossen hatte, votierten ungültig.

Aus Sicht der Politikwissenschafterin Katrin Praprotnik war es ein „schlechter er Start“ in die neue Legislaturperiode, wie sie im „Niederösterreich heute“-Interview sagt: „Vor allem auch wenn man bedenkt, dass Johanna Mikl-Leitner sogar eine Stimme weniger als Landeshauptfrau-Stellvertreter Landbauer bekommen hat.“ Auch der Vergleich mit 2018 falle nicht positiv aus: Damals haben noch 53 der 56 Abgeordneten Mikl-Leitner zur Landeshauptfrau gewählt.

Keine Liebesbeziehung – vielleicht eine Arbeitsbeziehung

Vor diesem Hintergrund werde das Bündnis von ÖVP und FPÖ „keine Liebesbeziehung“ werden, sagt Praprotnik. Vielmehr werde die Zusammenarbeit davon abhängen, „wie Mikl-Leitner und Landbauer ihre Arbeitsbeziehung ausgestalten – trotz der Verwerfungen, die in diesem aber auch schon im letzten Wahlkampf stattgefunden haben.“ Als inhaltlichen Knackpunkt sieht die Expertin die Coronapolitik – hier hatten sich ÖVP und FPÖ auf eine Rückerstattung von Strafen geeinigt.

Politikwissenschafterin Praprotnik zur neuen Regierung

Im NÖ heute-Studio spricht die Politikwissenschafterin Katrin Praprotnik mit ORF NÖ-Moderator Thomas Birgfellner über die Zukunft der neuen Landesregierung.

Mit Blick auf die Wählerinnen und Wähler sagt die Politikwissenschaftlerin: „Ich denke, die Knackpunkte werden sein, inwieweit beide Parteien es schaffen, für sich selbst auch Leuchtturmprojekte zu identifizieren, diese zu verfolgen und zu sagen: Das ist meine Bilanz. Dann drücken die Wählerinnen und Wähler der beiden Parteien vielleicht auch ein Auge zu, dass sich jetzt auch eine ÖVP-FPÖ-Koalition gefunden hat, die in den Augen der Wählerinnen nicht die beliebteste Koalition war“, so Praprotnik.

„Von Tag eins Oppositionspolitik“

Die SPÖ sieht Praprotnik in einer „wirklich sehr, sehr schwierigen Situation“: „Formal muss man Mitverantwortung tragen, ist Teil dieser Regierung. Politisch-faktisch hat man aber keine Möglichkeiten, keinen wirklich großen Spielraum, hier eigene Politik umzusetzen und muss eigentlich von Tag eins auf Oppositionspolitik setzen und versuchen, nach außen zu kommunizieren.“

Gegen das schwarz-blaue Bündnis protestierten am Donnerstag vor dem Landhaus hunderte Demonstrierende unter dem Motto „Keine Koalition mit Rassisten“. Nicht nur die Debatte der Klubobleute in der konstituierenden Landtagssitzung war von massiver Kritik am ÖVP-FPÖ-Arbeitsübereinkommen geprägt, auch Würdigungspreisträger des Landes und Schriftsteller/innenverbänden kritisierten die De-facto-Koalition – mehr dazu in Künstler orten „finsteres politisches Kapitel“ (noe.ORF.at, 23.3.2023).