Konstituierende Landtagssitzung
APA/HELMUT FOHRINGER
APA/HELMUT FOHRINGER
Politik

Künstler orten „finsteres politisches Kapitel“

Anlässlich der Konstituierenden Sitzung des NÖ Landtags sprechen Würdigungspreisträger des Landes und Schriftsteller/innenverbände von einem „finsteren politischen Kapitel“. Nun sei „nichts mehr ausgeschlossen“, warnen die Künstlerinnen und Künstler.

Die personellen Besetzungen der Landesregierung und das Arbeitsübereinkommen von ÖVP und FPÖ seien „nicht zu rechtfertigen“, hieß es in einer Gemeinschaftsstellungnahme. Es werde „eine Regierung gebildet, die FPÖ-Funktionären vom rechtesten Rand erlaubt, sich in die erste Reihe der politischen Repräsentanten zu stellen. Ein FPÖ-Politiker wie Udo Landbauer, der auf Grund seiner politischen Vorgeschichte bis jetzt in Wikipedia als ‚rechtsextremer österreichischer Politiker‘ geführt wird, ist nunmehr Landeshauptfrau-Stellvertreter.“

Verwiesen wird auch auf die umstrittenen Aussagen und Skandale von FPÖ-Politiker Gottfried Waldhäusl. Er sei „der Erfinder der mit Stacheldraht umzäunten Asylunterkunft für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“ und er habe „Schüler/inn/en, die selbst oder deren Eltern nicht aus Österreich kommen, für unerwünscht in Österreich erklärt, ist nunmehr Zweiter Landtagspräsident und bekleidet damit eines der höchsten repräsentativen Ämter des Landes“, wurde betont.

Cov-Fonds sei „pure politische Scharlatanerie“

„Dementsprechend“ sei das Arbeitsübereinkommen der ÖVP mit der FPÖ zur Bildung der neuen niederösterreichischen Regierung gestaltet. Es habe „als wichtigstes Ergebnis einen Pandemie-Wiedergutmachungstopf in der Höhe von 30 Millionen Euro, der pure politische Scharlatanerie ist, die nicht das Geringste mit verantwortungsvoller Politik zu tun hat, sondern eine Anerkennung für Coronaleugner, Verschwörungstheoretiker und andere FPÖ-Sympathisantengruppen aus der Anti-Corona-Maßnahmen-Bewegung ist: Sie sollen die ‚Corona-Opfer‘ sein, nicht die an Corona Gestorbenen und ihre Angehörigen, nicht an Corona Erkrankte oder durch Long-Covid Geschädigte“, so die 22 Künstlerinnen und Künstler, die alle in der Vergangenheit vom Land einen Würdigungspreis erhalten haben, sowie die vier bundesweiten Schriftsteller/innenverbände.

„Dieser Topf ist eine Beleidigung aller, und das ist die weitaus überwiegende Mehrheit der Bevölkerung, die sich an die Corona-Regeln gehalten haben, und er untergräbt generell die Notwendigkeit und Legitimität von politischen Entscheidungen. Er will angeblich die gesellschaftliche Spaltung beseitigen und schafft sie“, so die Unterzeichner.

Hader, Komarek, Lechner, Turrini bei Unterzeichnern

Zu den Würdigungspreisträgerinnen und -preisträger des Landes Niederösterreich zählen etwa Zdenka Becker, Walter Grond, Josef Hader, Josef Haslinger, Peter Henisch, Gerhard Jaschke, Franz Koglmann, Alfred Komarek, Otto Lechner, Helmut Peschina, Martin Pollack, Gerhard Ruiss, Robert Schindel, Evelyn Schlag, Ferdinand Schmatz, Julian Schutting, Franz S. Sklenitzka, Gerald Szyszkowitz, Peter Turrini, Renate Welsh, Herbert J. Wimmer und Gernot Wolfgruber sowie IG Autorinnen Autoren, Österreichischer PEN Club, Grazer Autorinnen Autorenversammlung, Österreichischer Schriftsteller/innenverband und literatur:vorarlberg.

Jüdische Friedhöfe mit Kriegsgräbern gleichgesetzt?

Ein anderer Schwerpunkt im Arbeitsübereinkommen sei „die vorgebliche Integration, die im Wesentlichen aus vollkommen irrationalen nationalistischen Ansätzen besteht. In Schulhöfen soll das Deutschsprechen in Hausordnungen festgelegt werden und die Wohnbauförderung wird an deutsche Sprachkenntnisse geknüpft. Die Grundversorgung von Asylwerber/inne/n soll durch Sachleistungen ersetzt, die Asylquartierbelastung soll gering gehalten werden, Integrationsprojekte werden Sparsamkeitsvorgaben unterworfen“.

Das Programm enthalte auch ein – „selbstverständlich ebenfalls nationalistisch gefärbtes – Rauschkugel-Abkommen“, wurde im Zusammenhang mit der geplanten „Wirtshausprämie“ betont. Eine ganz und gar skandalöse Gleichsetzung finde sich im Kapitel „Kultur“: „Erhaltung und Sanierung der jüdischen Friedhöfe sowie Fürsorge für die Kriegs- und Opfergräber.“

Die Rektorinnen und Rektoren der österreichischen Universitäten zeigen sich wegen einer „Wissenschaftsskepsis“ im Programm besorgt und verweisen auf die ÖVP-FPÖ-Einigung, die CoV-Schutzimpfung nicht mehr zu bewerben und auf ein „wissenschafts- und fremdenfeindliches Klima durch bedenkliche Äußerungen einzelner Regierungsmitglieder“. Dadurch würde die Wissenschaftsskepsis gefördert werden.

Rote Freiheitskämpfer „besorgt“

„Nichts ist mehr ausgeschlossen“, resümierten die Unterzeichner des Schreibens im Zusammenhang mit der Regierungsbildung und dem Arbeitsübereinkommen von ÖVP und FPÖ in Niederösterreich. „Vor allem nicht, dass sich die ÖVP auch auf Bundesebene zur Wegbereiterin der bisher nur auf die FPÖ beschränkt gewesenen nationalistischen Politik in Österreich macht.“

„Besorgt“ zeigte sich anlässlich der Wahl der neuen NÖ Landesregierung der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Freiheitskämpfer und aktiven Antifaschisten in Niederösterreich, Abg. a.D. Anton Heinzl. Der schwarz-blaue Pakt stehe für einen klaren Rechtsruck im Land. „Mit dem Bündnis der ÖVP mit der FPÖ werden Rassismus, Alltagsfaschismus, Ausgrenzung und die ständige Spaltung der Bevölkerung salonfähig gemacht“, so Heinzl.

Klimaschutz fehle „komplett“

Die Umweltschutzorganisation Global 2000 übte scharfe Kritik am schwarz-blauen Regierungsprogramm. Während die Folgen der Klimakrise in Niederösterreich immer mehr zu spüren seien und Landwirtinnen und Landwirte aktuell unter der Trockenheit stöhnten, „fehlt im Regierungsübereinkommen Klimaschutz praktisch komplett. Statt einem Bekenntnis zur Klimaneutralität 2040 und einem Plan für ein Ende der Gasabhängigkeit will die neue Landesregierung den Straßenbau vorantreiben. Mit diesem Programm droht Niederösterreich zum Klima-Nachzügler Österreichs zu werden“, betonte Johannes Wahlmüller, Klima- und Energiesprecher von Global 2000.

Donnerstagvormittag demonstrierten anlässlich der Konstituierenden Sitzung einige hundert Menschen vor dem Landhaus. Die Demo wurde u.a. organisiert von der Initiative #aufstehn, SOS Mitmensch, Omas gegen Rechts, der Schriftstellerin Gertraud Klemm, der Sprachwissenschaftlerin Ruth Wodak oder dem Verein Willkommen Scheibbs – mehr dazu in Hunderte Demonstrierende vor Landhaus (noe.ORF.at; 23.3.2023).