Thomas Reinhold Landesgalerie NÖ
Christian Redtenbacher
Christian Redtenbacher
Politik

Kultur bekennt sich zu „Toleranz und Menschlichkeit“

Der Regierungspakt von ÖVP und FPÖ hat die NÖ Kulturwirtschaft (NÖKU) zu einem ungewöhnlichen Schritt veranlasst. In einer Stellungnahme bekennen sich die Kunst- und Kulturbetriebe zu „Offenheit, Toleranz und Menschlichkeit“. Die ÖVP ortet eine „künstliche Aufregung“.

„Wir, die NÖKU-Gruppe, nehmen die berechtigten Sorgen und Ängste unserer Mitarbeiter:innen, unserer Künstler:innen, unserer Wissenschaftler:innen, unserer Geschäftspartner:innen und nicht zuletzt unserer Besucher:innen in Bezug auf das Regierungsübereinkommen mit der FPÖ und dessen Inhalte sehr ernst“, heißt es darin. Man fühle sich „jetzt mehr denn je den demokratischen und humanistischen Werten verpflichtet“.

Die NÖKU-Gruppe mit ihren 15 Tochtergesellschaften und knapp über 40 künstlerischen und wissenschaftlichen Institutionen habe sich in diversen Grundsatzdokumenten „auf gemeinsame künstlerische bzw. wissenschaftliche und gesellschaftliche Ansprüche, Werte und Haltungen verständigt, die unser Denken und Handeln ganz maßgeblich prägen und leiten. Teile des Arbeitsübereinkommens zwischen ÖVP und FPÖ stehen im klaren Widerspruch zu diesen unseren Überzeugungen.“

„Diskriminierende“ Formulierungen

Die Kunst- und Kulturbetriebe der NÖKU-Gruppe, zu denen das Arnulf Rainer Museum, die Kunsthalle Krems und die Landesgalerie ebenso zählen wie die Bühne Baden, das donaufestival, die Festspiele Reichenau, das Festspielhaus St. Pölten oder das Landestheater Niederösterreich zählen, „sind und bleiben Orte der Offenheit, der Toleranz und Menschlichkeit.“ Man teile „die diskriminierenden und wissenschaftsfeindlichen und von Expert:innen bereits in Frage gestellten Passagen des Regierungsabkommens in keiner Weise“.

Kulturchef Paul Gessl zum Aufschrei der Künstler

Paul Gessl, Geschäftsführer der Niederösterreichichen Kulturwirtschaft NÖKU, jenem Verband, in dem über 40 künstlerische und wissenschaftlichen Institutionen im Land organisiert sind, spricht mit Werner Fetz über die aktuelle Verunsicherung in der heimischen Kulturszene.

Im „NÖ heute“-Interview konkretisiert Paul Gessl, Geschäftsführer der NÖKU, dass man mit dieser Aktion „der sorgenvollen Stimmung Rechnung tragen“ will. Die Kultur sei bisher in Niederösterreich von „Unabhängigkeit, Planungssicherheit und Klarheit geprägt“ gewesen, „und ich hoffe, dass diese Arbeit auch für die Zukunft abgesichert ist.“ Es gebe für die Kultur zwar Herausforderungen, aber derzeit keine Ansagen „von Einsparungen oder Schließungen.“

„Finsteres Kapitel für die Demokratie“

Bereits am Vorabend der konstituierenden Landtagssitzung vergangenen Donnerstag veröffentlichte Gerhard Ruiss im Namen der IG Autoren einen Protestbrief. Darin hieß es etwa: „Mit der Regierungsbildung und dem Arbeitsübereinkommen zwischen ÖVP und FPÖ wird ein finsteres Kapitel für die Demokratie in Österreich aufgeschlagen.“ Den offenen Brief unterzeichneten mehr als 20 Kultur-Würdigungspreisträger des Landes.

Ausstellung Kunst von 1960 bis heute in der Landesgalerie Niederösterreich in Krems
Kunstmeile Krems/Foto: Walter Skokanitsch
Das Nitsch-Museum in Mistelbach steht für Paul Gessl sinnbildlich für die offene Kulturpolitik des Landes in den vergangenen Jahren

Theater-Intendant Christian Spatzek hatte sich im Wahlkampf noch an der Seite von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) gezeigt. Auf die Regierungszusammenarbeit mit den Freiheitlichen reagiert der Schauspieler nun erbost: „Ich bin nicht nur enttäuscht, sondern auch entsetzt und sprachlos, dass sie (Anm.: Johanna Mikl-Leitner) das gemacht hat.“

Zweifel an christlichen Werten der ÖVP

Spatzek ist damit einer von vielen namhaften Künstlern, die seit der Präsentation des Arbeitsübereinkommens vor einer Woche ihren Unmut äußerten. Bereits bei der diesjährigen Festivaleröffnung von Imago Dei in Krems war der Pakt ausgiebig diskutiert. Schriftsteller Robert Menasse zweifelte dabei etwa die christlichen Werte der ÖVP an. Filmemacherin Ruth Beckermann und Komponist Christian Muthspiel nahmen auch die Bundespolitik nicht aus der Verantwortung.

Am Freitag zeigte sich auch der Vorstand der Wiener Secession in einem offenen Brief an Mikl-Leitner besorgt über die Entscheidung, „mit der rechtsextremen FPÖ in Niederösterreich zu koalieren. Die menschenverachtende und kulturfeindliche Haltung eines Udo Landbauer hat das Potential, das gesellschaftliche Klima in unserem Land und darüber hinaus nachhaltig zu schädigen.“ Die „rückwärtsgewandte, klimagefährdende und wissenschaftsfeindliche Politik, wie sie gegenwärtig von ÖVP und FPÖ vertreten wird“ sei eine „ernsthafte Bedrohung für die Menschen in Österreich.“

ÖVP ortet „künstliche Aufregung“

Der neue ÖVP-Klubobmann im Landtag, Jochen Danninger, wies die Kritik aus der Kulturszene zurück. „Ich orte eine gewisse künstliche Aufregung, weil es eine Zusammenarbeit zwischen ÖVP und FPÖ gibt“, sagte Danninger dem „Kurier“. „Ich orte diese Aufregung aber viel, viel weniger, wenn es (…) eine Zusammenarbeit von SPÖ und FPÖ gegeben hat. Für mich ist das derzeit ein gewisser Beißreflex.“

Die Kulturpolitik selbst betreffend hielt Danninger fest, dass diese wie in den vergangenen Jahren fortgesetzt werde: „Mit einer Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner wird es im kulturellen Bereich nie eine Einengung geben.“