Hofesh Shechter Contemporary Dance
Lennart Sjoberg
Lennart Sjoberg
Kultur

Festspielhaus: Tanz, Musik und mehr Tanz

In der kommenden Saison bleibt das Festspielhaus seinem Ruf als Haus von Weltrang für zeitgenössischen Tanz treu. Zudem wird es ab Herbst in St. Pölten eine eigene Jugendtanzkompanie geben, und natürlich warten auch musikalische Höhepunkte.

Für zeitgenössischen Tanz ist das Festspielhaus weit über die Grenzen Österreichs hinaus bekannt, und mit einer Österreich-Premiere hochkarätigen zeitgenössischen Tanzes startet das Festspielhaus auch in die Saison 2023/24. Im September ist die renommierte schwedische GöteborgsOperans Danskompani im Rahmen eines Doppelabends von zwei der international gefragtesten Choreografinnen und Choreografen zu Gast: Hofesh Shechter und Sharon Eyal. Beide sind dem Festspielhauspublikum bereits durch andere Produktionen aus der Vergangenheit bekannt – allerdings mit anderen Kompanien.

Die nächste tänzerische Österreich-Premiere folgt knapp darauf: Die sieben Todsünden beschäftigen die Menschheit seit Jahrtausenden. Anfang Oktober werden sie im Festspielhaus von sieben der bekanntesten Choreografinnen und Choreografen auf die Festspielhausbühne gebracht: Aszure Barton, Sidi Larbi Cherkaoui, Sharon Eyal, Marco Goecke, Marcos Morau, Hofesh Shechter und Sasha Waltz widmen sich dem sündhaften Reigen rund um Habgier und Faulheit, Hochmut und Völlerei, Wollust, Zorn und Neid.

Internationale und nationale Produktionen

Das Ballet du Grand Theatre de Geneve gastiert im Dezember 2023 in Form eines speziellen Doppelabends: In Damien Jalets aufwendiger Erfolgsproduktion „Skid“ gerät die Bühne sprichwörtlich aus den Fugen. Dabei tanzen die Tänzerinnen und Tänzer den gesamten Abend über auf einer um 34 Grad geneigten Plattform – „wie Bergsteiger oder wie Sisyphos, der immer wieder den Berg hinaufklettert und herunterfällt“, so die ankündigende Beschreibung von Bettina Masuch, der künstlerischen Leiterin des Festspielhauses.

Aber auch österreichischer Tanz findet sich wieder im Programm – unter anderem mit der Uraufführung der Produktion „SONNE“, die das Festspielhaus im Rahmen der Choreographic Platform Austria (CPA) in Koproduktion auf die Bühne bringt.

Fotostrecke mit 7 Bildern

Sharon Eyal – SAABA
Tilo Stengel
Die GöteborgsOperans Danskompani tanzt unter Sharon Eyals „SAABA“ einerseits in den für die Choreografin typischen körperlichen Extremhaltungen …
Hofesh Shechter Contemporary Dance
Lennart Sjoberg
… und genauso bildgewaltig unter Hofesh Shechters Interpretationen von „Contemporaty Dance“
Gauthier Dance – Seven Sins
Jeannette Bak
Eric Gauthier widmet sich den sieben Todsünden, tanzend auf die Bühne gebracht durch die Zusammenarbeit von sieben Choreografinnen und Choreografen
Cecile McLorin Salvant
Karolis Kaminskas
Die Jazzsängerin Cecile McLorin Salvant ist bereits Grammy-prämiert und tritt mit ihrem aktuellen Album „Melusine“ endgültig ins Rampenlicht des modernen Jazz
Damien Jalet – Skid
Gregory Batardon
In Damien Jalets Erfolgsproduktion „Skid“ tanzt die Compagnie gegen eine Bühne im 34-Grad-Winkel an
„Beethoven“ von Sasha Waltz & Guests
Sebastian Bolesch
„Beethoven 7“: Die deutsche Choreografin Sasha Waltz kreierte bereits 2021 in der antiken Tempelstätte von Delphi eine Choreografie zu zwei Sätzen der Symphonie und widmet sich nun dem kompletten Werk
Fatoumata Diawara
Alun Be
Die malische Sängerin Fatoumata Diawara kommt Anfang Dezember ins Festspielhaus und bringt moderne afrikanische Klänge mit

Gilberto Gils einziger Abschiedsauftritt in Österreich

Musikalisch zählt die brasilianische Musiklegende Gilberto Gil zu den Highlights der kommenden Saison. Der Mitbegründer der Tropicalismo-Bewegung sowie politische Revolutionär gibt im Rahmen seiner weltweiten Abschiedstournee seinen einzigen Österreich-Termin in St. Pölten.

Klassisch stehen natürlich Konzerte des Festspielhaus-Residenzorchesters fix auf dem Programm: das Tonkünstler Orchester Niederösterreich, unter anderem beim alljährlichen Neujahrskonzert. Die Tonkünstler werden aber nicht nur in ihrem Stammhaus spielen, sondern im Herbst auch bei der Eröffnung des neu gestalteten St. Pöltner Domplatzes auftreten und Tanzproduktionen musikalisch begleiten – etwa Ende November unter der Leitung von Titus Engel.

Freundinnen und Freunde bekannter und aufstrebender Jazzstars kommen ab November auf ihre Kosten. Auf der Bühne stehen dann beispielsweise die bereits mehrfach Grammy-prämierte US-Amerikanerin Cecile McLorin Salvant sowie die isländische Jazzmusikerin Anna Greta Sigurdardottir, die mittlerweile weit über den skandinavischen Raum hinaus gefragt ist. Und auch abseits des Jazz locken Musikerinnen und Musiker wie beispielsweise Fatoumata Diawara aus Mali, die einen mitreißenden Mix aus Afropop, Afrofolk und Afrofuturism ins Festspielhaus bringt.

Gilberto Gil
Geovane Peixoto
Gilberto Gil hat angekündigt, zum letzten Mal auf Tour zu gehen. Diese führt ihn auch nach St. Pölten.

St. Pölten bekommt eigene Jugendtanzcompagnie

Besonders stolz ist man im Festspielhaus auf eine Kooperation, durch die St. Pölten eine eigene Jugendtanzkompanie bekommt – gemeinsam mit dem Musik und Kunst Schulen Management Niederösterreich und der Musikschule St. Pölten.

„Ich wünsche mir, dass Menschen sich dieser Kompanie anschließen, weil sie in einen Dialog treten möchten“, beschreibt Bettina Masuch das Ziel der neuen Truppe, „vielleicht gänzlich nonverbal, dafür umso mehr über Bewegung, Annäherung, Berührung und Verantwortung für den eigenen und für andere Körper“.

Masuch will Energie „in den Zuschauerraum pumpen“

noe.ORF.at: Frau Masuch, gestatten Sie mir eine freche Frage zu Beginn: Jahr für Jahr können wir mit österreichischen Erstaufführungen im Festspielhaus rechnen. Wie gelingt es, dass das quasi schon erwartbar ist?

Bettina Masuch: Das ist eine Mischung aus guten Kontakten und langfristiger Planung. Grundsätzlich muss ich aber sagen: Mir ist natürlich daran gelegen, unserem Publikum immer wieder neue Künstlerinnen und Künstler vorzustellen. Ich finde, es gibt international so viele herausragende Künstlerinnen und Künstler. Da wäre es doch schade, wenn man immer wieder ausschließlich die guten alten Bekannten sieht, die natürlich auch regelmäßig zu sehen sein sollen. Aber ab und zu ein neuer Blickwinkel und eine neue Perspektive sind natürlich gerade in so einem vielfältigen Programm, wie wir das anbieten, ganz wichtig.

noe.ORF.at: Neben vielfältiger Musik ist gerade der zeitgenössische Tanz einer der Schwerpunkte im Festspielhaus. Wie lockt man denn die internationalen Topstars nach St. Pölten?

Masuch: Das Festspielhaus hat eine sehr besondere Bühne, die speziell für den zeitgenössischen Tanz sehr gut ausgestattet ist und zudem sehr groß ist. Außerdem haben wir das Tonkünstler Orchester Niederösterreich und damit die Möglichkeit, mit den Künstlerinnen und Künstlern gemeinsam zu arbeiten. Das ist für viele Choreografinnen und Choreografen eine einmalige Chance. Die möchte ich natürlich auch gerne bieten.

Bettina Masuch
ORF
Bettina Masuch präsentiert einmal mehr ein internationales Programm. Nichtsdestotrotz will sie das Festspielhaus noch mehr mit anderen Kultureinrichtungen der Stadt St. Pölten verbinden.

noe.ORF.at: Was mit Blick auf Ihr Tanzprogramm auffällt: Sie haben heuer gewissermaßen einen israelischen Schwerpunkt gesetzt.

Masuch: Wir arbeiten oft mit thematischen Verdichtungen, und in diesem Jahr ist es mir eine große Freude, dass es gelungen ist, herausragende Vertreterinnen und Vertreter der israelischen Tanzszene ans Festspielhaus zu holen. Da gibt es ja so einen Nukleus um die Batsheva Dance Company mit ihrem Chefchoreografen Ohad Naharin, der stilprägend war für ganze Generationen von Choreografinnen und Choreografen, die in der Regel alle als Tänzerinnen und Tänzer dort angefangen haben und dann irgendwann angefangen haben, eigene Arbeiten zu choreografieren.

Den Anfang machen Hofesh Shechter und Sharon Eyal. Sie sind sehr besonders, weil sie beide einen ganz eigenen Stil präsentieren, der sehr körperbetont und sehr energiegeladen ist. Es war mir ein großes Anliegen, dass man da sozusagen Energie von der Bühne in den Zuschauerraum pumpt. Und das ist wirklich Tanz der Meisterklasse.

noe.ORF.at: Gerade wenn man Topstars ans Haus holt, die weltweit gefragt sind: Wie lange im Voraus müssen Sie da hinter den Kulissen planen?

Masuch: Pi mal Daumen würde ich sagen, dass wir ein Jahr Vorlaufzeit brauchen, wobei ich sagen muss, dass wir gerade bei den großen und aufwendigen Produktionen mittlerweile schon an der Saison 2024/25, teils sogar schon 2025/26 planen. Hier spielt – neben meiner künstlerischen Fantasie – natürlich die Technik eine ganz wichtige Rolle, ebenso wie die Produktion. Da muss abgeklärt werden, ob alle Vorstellungen und Pläne überhaupt umsetzbar sind. Da geht eines ins andere über.

noe.ORF.at: Bei aller Internationalität suchen Sie dieses Jahr aber offensichtlich trotzdem auch besonders viele Anknüpfungspunkte und Kooperationen innerhalb St. Pöltens. Warum?

Masuch: Mir ist es einfach wichtig, dass das Festspielhaus kein UFO ist, das hier landet, sondern dass es ein Bestandteil der Stadt St. Pölten ist. Wir gründen gemeinsam mit dem Musikschulmanagement und der Musikschule St. Pölten eine Jugendtanzkompanie, und die wird natürlich sehr, sehr viel mit der Stadt St. Pölten zusammen zu tun haben. Außerdem wird heuer ja der Domplatz neu gestaltet. Auch da wird bei der Eröffnung das Festspielhaus gemeinsam mit unserem Residenzorchester, den Tonkünstlern, eine wichtige Rolle spielen. Hier gibt es also sehr viele Aspekte, mit denen wir uns in die Stadt hineinvernetzen.