Verkehr

S4-Ausbau: Politischer Zwist um Verzögerung

Der tödliche Verkehrsunfall Ende April auf der Mattersburger Schnellstraße (S4) lässt Forderungen nach einer Mitteltrennwand wieder aufleben. Seither hat sich ein politischer Zwist entsponnen, wer für die Verzögerung des seit langem geplanten Baus verantwortlich ist.

Der Frontalunfall im Gegenverkehrsbereich bei Katzelsdorf (Bezirk Wr. Neustadt) am 24. April war bei weitem nicht der erste schwere Verkehrsunfall auf der Mattersburger Schnellstraße. Die letzten beiden endeten jeweils tödlich. Nachdem ein Lkw auf die Gegenfahrbahn geraten war, stieß dieser frontal mit einem Pkw zusammen. Die beiden Insassinnen, eine 49-jährige Frau und deren 16-jährige Tochter, starben noch an der Unfallstelle, der Lkw-Lenker wurde schwer verletzt – mehr dazu in „Pkw gegen Lkw auf S4: Mutter und Tochter tot“ (noe.ORF.at; 24.4.2023).

Erst zwei Monate zuvor war es nur wenige Kilometer weiter bei Sigleß im Burgenland zu einem tödlichen Unfall gekommen. Damals kam eine 27-jährige Frau nach einem Zusammenstoß ums Leben – mehr dazu in „Lenkerin stirbt bei Unfall auf S4“ (burgenland.ORF.at; 22.2.2023). Warum die S4 nach all den schweren Verkehrsunfällen nach wie vor keine Mitteltrennwand hat, ist vielen unbegreiflich, zumal sich die Debatten über einen Sicherheitsausbau mittlerweile seit Jahren zieht. Über die Zuständigkeit herrscht aber Uneinigkeit.

Offener Brief an Verkehrsministerin Gewessler

Zwei Tage nach dem jüngsten Unfall erging ein Offener Brief an Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne). Absender war die Gemeinde Katzelsdorf, in deren Gemeindegebiet der Pkw mit dem Lkw zusammengestoßen war. Darin forderte allen voran Katzelsdorfs Bürgermeister Michael Nistl (ÖVP), den Sicherheitsausbau der S4 „raschest“ voranzutreiben.

In dem Brief enthalten ist auch ein schwerwiegender Vorwurf: „Leider sind von den zuständigen Bundesstellen bis dato keine konkreten Umsetzungsschritte zur Realisierung des erwähnten Sicherheitsprojektes getroffen worden. Vielmehr entsteht mehr und mehr der Eindruck, dass dieses – aus welchen Gründen auch immer – verzögert wird.“

Nach drei Jahren fix: Keine UVP notwendig

Dass es in der Vergangenheit Verzögerungen gegeben hat, liegt an einem Rechtsstreit, der sich bis in höchste Instanz zum Verwaltungsgerichtshof zog. Der Sicherheitsausbau zwischen Wr. Neustadt und Mattersburg wurde laut ASFINAG erstmals 2019 verfahrensanhängig. Dabei ging es vor allem um die Frage, ob eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) notwendig ist.

2021 hatte das Umwelt- und Verkehrsministerium letztlich entschieden, dass für den Ausbau doch keine UVP-Pflicht besteht. Die Folge waren 15 Bescheidbeschwerden – zunächst beim Bundesverwaltungsgericht sowie in letzter Instanz schließlich beim Verwaltungsgerichtshof. Nach Jahren der Verzögerung entschied der Verwaltungsgerichtshof schließlich, dass der Sicherheitsausbau der S4 nicht UVP-pflichtig ist. Final festgestellt wurde dies im Oktober letzten Jahres.

Rettungseinsatz nach tödlichem Unfall auf S4
Feuerwehr Mattersburg
Wegen zahlreicher schwerer, teils tödlicher Unfälle ist die Forderung nach Mittelleitwänden auf der Schnellstraße Jahre alt

Uneinigkeit über Zuständigkeit zwischen Bund und Land

Doch wer ist jetzt zuständig, den Ausbau voranzutreiben und wer blockiert möglicherweise? In Katzelsdorf sieht man offenbar das Ministerium in der Verantwortung und selbige Vorwürfe wie in dem Offenen Brief äußerte zuletzt auch der für den Verkehr zuständige Landeshauptfrau-Stellvertreter Udo Landbauer (FPÖ).

Der Sicherheitsausbau der S4 müsse ihm zufolge rasch umgesetzt werden, „es ist alles genehmigt und es gibt keinen Grund, zu verzögern“, so Landbauer per Aussendung, wenige Tage nach dem letzten schweren Unfall. „Es ist die Aufgabe der Politik, die Sicherheit zu erhöhen und nicht aus ideologischen Gründen zu blockieren“, lautete Landbauers Kritik an Ministerin Gewessler, der er Fahrlässigkeit vorwarf.

In Gewesslers Büro konnte man die Kritik auf Nachfrage von noe.ORF.at nicht nachvollziehen und wies den Vorwurf ideologischer Blockade zurück. Weder sei man derzeit zuständig, noch stünde das Ministerium auf der Bremse. In einer schriftlichen Stellungnahme heißt es: „Der Klimacheck des ASFINAG-Bauprogramms war in dieser Hinsicht immer eindeutig: Alle Sicherheitsmaßnahmen werden wie geplant umgesetzt. Vonseiten des Verwaltungsgerichtshofs wurde im Jahr 2022 abschließend festgestellt, dass für den Sicherheitsausbau keine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich ist. Die ASFINAG setzt alles daran, die erforderlichen Genehmigungen in den Bundesländern so rasch wie möglich zu bekommen.“

Streckenabschnitt der S4, auf dem gebaut werden soll
Asfinag
Von dem Sicherheitsausbau betroffen ist ein ca. 14 Kilometer langer Straßenabschnitt

ASFINAG wartet auf Genehmigungen

Also sind dem Ministerium zufolge doch die Länder in der Pflicht? In diesem Fall Niederösterreich und das Burgenland? Die ASFINAG bestätigte das im Gespräch mit noe.ORF.at. Nach dem Entscheid des Verwaltungsgerichtshofes seien die weiteren Schritte eingeleitet worden, um den Sicherheitsausbau der S4 zu starten. Derzeit würden die Materienrechte abgewickelt – darunter fallen etwa Wasserrecht, Forstrecht oder Naturschutzrecht.

Damit bleiben momentan zwar viele Details weiter offen, aber grundsätzlich äußerten alle Beteiligten ein Bekenntnis zu einem möglichst baldigen Baustart – von kommunaler über Landes- bis Bundesebene. Realistisch ist ein Baubeginn laut Einschätzung der ASFINAG aber erst in zweieinhalb Jahren, frühestens im Herbst 2025 – „vorbehaltlich erneuter Beschwerdeverfahren“. Sollten Beschwerden nach Jahren der Rechtsstreitigkeiten diesmal ausbleiben, rechnet die ASFINAG mit einer möglichen Fertigstellung im Jahr 2028.