EU Schwerpunkt Alexander Bernhuber ÖVP Parlament
© European Union 2023 – Source : EP
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Politik

„EU-Stimmung spiegelt nicht Realität wider“

Mit der Frage, welche Pestizide in der EU verwendet werden dürfen, beschäftigt sich der EU-Abgeordnete Alexander Bernhuber (ÖVP) aus Kilb (Bez. Melk). Seit 2019 ist der 30-Jährige Mandatar im Europäischen Parlament. Die EU-Stimmung spiegle „nicht Realität wider.“

660.000 Quadratmeter Bürofläche, 15 Stockwerke, mehr als ein Dutzend Sitzungssäle – sich im Europäischen Parlament zurechtzufinden, sei anfangs alles andere als leicht gewesen, erzählt Alexander Bernhuber. Mittlerweile hat der 30-Jährige seinen Platz aber gefunden – und der ist im Pflanzenbau. Bernhuber ist Mitglied im Umweltausschuss, dem größten Ausschuss im EU-Parlament, in dem Themen von Umweltschutz über öffentliche Gesundheit bis hin zu Lebensmittelsicherheit behandelt werden.

Derzeit befasst sich der Agrarexperte mit dem Thema Pflanzenschutz. Der Ausschuss überarbeitet die aktuell gültige Richtlinie – 80 bis 90 Seiten Gesetzestext: „Da geht es um Zielsetzungen, wie viel Pflanzenschutzmittel künftig eingesetzt werden sollen, welche Auflagen Landwirte haben, wo Pflanzenschutz angewendet werden kann, zu welchen Bedingungen.“ Die Kommission will den Pestizideinsatz bis 2030 um die Hälfte reduzieren, auch ein Verbot von chemischen Mitteln in Schutzgebieten stand zur Diskussion.

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Seit 2019 ist Alexander Bernhuber Mitglied im Europäischen Parlament

„Angst“ der ÖVP-Fraktion

Eine Reduktion von Pflanzenschutzmitteln sei „wichtig, dahinter steht auch jeder Landwirt“, sagt Bernhuber. Man arbeite mit der Natur, „man probiert ohnehin schon, so wenig wie nötig einzusetzen.“ Trotzdem stößt sich die ÖVP-Fraktion an den fixen Reduktionszielen. „Wir haben die Angst, dass, wenn wir uns nur auf das Ziel fokussieren, dann zu wenig über die Versorgungssicherheit gesprochen wird“, etwa beim Kartoffelanbau.

In Presseaussendungen und Medienberichten wurde zudem schon vom Ende der Wachauer Marille gewarnt, obwohl diese Einsparziele laut Experten erst verhandelt und so nicht kommen werden. Ängste wolle man damit nicht schüren, entgegnet Bernhuber: „Ja, es gibt andere Vorschläge, nur fix ist das noch lange nicht.“ Die Verhandlungen darüber hätten gerade erst begonnen, „und erst wenn das wirklich gelungen ist, dann kann ich das sagen.“

Mit Vorzugsstimmen ins Parlament

Zwei bis drei Tage pro Woche verbringt Alexander Bernhuber seit vier Jahren in Brüssel. 2019 wurde der 30-Jährige aus dem Mostviertel doch etwas überraschend ins EU-Parlament gewählt. Als Listen-Elfter der ÖVP rückte er nur dank der vielen Vorzugsstimmen nach vorne. Die restliche Zeit, vor allem am Wochenende, ist er bei Terminen oder Veranstaltungen in Österreich unterwegs.

Zwischendurch geht sich für Bernhuber noch „die eine oder andere Stunde“ am Traktor aus. Denn nach wie vor führt er im Mostviertel einen landwirtschaftlichen Betrieb. Aufgefallen ist Bernhuber während der Pandemie, als er einmal aus Zeitgründen eine Ausschussrede vom Traktor aus hielt.

Darüber hinaus ist Bernhuber für die Agenden Bildung und Jugend zuständig. Bernhuber unterstützte etwa eine Petition der Jungen Volkspartei, dass Studierende trotz des Brexits weiterhin in Großbritannien studieren können. Den Durchbruch gab es aber noch nicht. „Wir haben das Thema angesprochen, das ist wichtig, dass wir das auf der Tagesordnung halten, aber es ist eben leider noch zu keinen Lösungen gekommen.“

Echte Bürgerbeteiligung

Jeder Bürger bzw. jede Bürgerin, die sich in ihrem EU-Recht ungerecht behandelt fühlt, kann eine Petition einbringen, die dann im Ausschuss vom Petenten, der Kommission und den Abgeordneten des Petitionsausschusses diskutiert wird. Für Bernhuber, der Mitglied im Ausschuss ist, ist das eine echte Form der Bürgerbeteiligung, denn „es genügt wirklich das Anliegen eines Bürger und es braucht dafür nur seine eigene Unterschrift.“

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Bernhuber beschäftigt sich unter anderem mit den Themen Umweltschutz und Lebensmittelsicherheit

Ausgehend von einer Petition, „wo oft wirklich ein Ungleichgewicht gefunden werden kann, wo man sich ungerecht behandelt fühlt“, können am Ende durchaus europäische Rechtsvorschriften abgeändert werden, erzählt Bernhuber aus der Praxis, „oder es wird dem Petenten zumindest geholfen, indem man das Problem lokal löst.“ Österreich ist mit nur etwa 20 solcher Petitionen pro Jahr Nachzügler, Spitzenreiter sei Spanien mit mehr als 1.000 Petitionen.

Diskussion unter „Profis“

Um sich als Abgeordneter Gehör zu verschaffen sei es wichtig, sich auf Themengebiete zu fokussieren. Dadurch sei man nicht mehr einer von 705 Abgeordneten, sondern „dann gibt es nur noch zehn, 15 Profis im Haus und dann kann man wirklich auf einer professionellen Fachebene ganz spezifisch diskutieren.“ Auf diese Weise könne man auch innerhalb weniger Jahre „viel erreichen“.

Die EU im Blickpunkt

In einem EU-Schwerpunkt widmet sich der ORF NÖ von 22. bis 27. Mai in allen Medien der politischen Arbeit der Abgeordneten in Brüssel und den Gestaltungsmöglichkeiten der Regionen.

Bernhuber war zuletzt etwa Chefverhandler der Europäischen Volkspartei (EVP) zum Thema CO2-Speicherung im Boden. Landwirte, die Äcker nachhaltig bewirtschaften und den Humusgehalt im Boden fördern, wodurch mehr Kohlenstoff gespeichert werden kann, können im Gegenzug CO2-Zertifikate verkaufen und damit Geld verdienen. Der Vorschlag, der nun über ganz Europa ausgerollt werden soll, wurde mit großer Mehrheit angenommen, „eine tolle Erfahrung.“

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Als Mandatar trifft Bernhuber regelmäßig auch Interessensvertreter, teilweise auch über Parteigrenzen hinweg, etwa SPÖ-Mandatar Günther Sidl (r.)

„Allianzen schmieden“

Dafür trifft man regelmäßig auch Interessenvertreter und stimmt sich oft über Parteigrenzen hinweg ab. Im Alltag geht es darum, „Allianzen zu schmieden“. Denn anders als in Österreich gibt es im EU-Parlament keine Regierungsmehrheiten. Am Ende muss eine Mehrheit der 705 Abgeordneten aus mehr als 200 Parteien überzeugt werden, schildert der ÖVP-Mandatar, „man muss jede Partei gewinnen, kann manchmal aber auch einzelne Abgeordnete überzeugen, die dann nicht mit der großen Fraktionslinie mitstimmen.“

Im Wahlkampf vor vier Jahren versprach Bernhuber, sich für weniger Bürokratie einzusetzen. „Weniger Schreibtisch, mehr Stammtisch“ war der Slogan. Doch gerade im Bereich der Verwaltung „ist nicht so viel gelungen“, gibt der ÖVP-Politiker zu: „Ein weniger ist es sicher nicht geworden.“ Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte Anfang des Jahres zwar eine Reduktion der Verwaltung an, „ich bin gespannt, ob wir da im nächsten Jahr noch etwas schaffen.“

Ein großer Profiteur

Trotz Kritik habe gerade Niederösterreich von der EU profitiert. Das reicht von Radwegen über landwirtschaftliche Gebäude bis zu neugebauten Kindergärten oder Hochwasserschutzprojekten. Dafür müsse man nur mit offenem Auge durch Niederösterreich fahren. Auf Hinweistafeln, „wo steht mit Unterstützung des Landes, des Bundes und der EU, müsste man oft die EU größer machen, weil wirklich so viel mitfinanziert wird.“

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Das Logo der EU müsste auf Grund der finanziellen Unterstützung oft viel größer sein, sagt Bernhuber

Darin sieht Bernhuber auch seine Aufgabe bis zu den Parlamentswahlen im kommenden Jahr. „Auf das Positive hinzuweisen“, sagt er: „Weil ich glaube, die Stimmung, die derzeit in Österreich über die Europäische Union herrscht, spiegelt nicht die Realität wieder, es passiert viel Richtiges und das ist mein Auftrag, das bis nächstes Jahr zu erzählen.“