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Islamismus in St. Pölten unter Beobachtung

Zwei Männer, die am Samstag vor der Regenbogenparade in Wien wegen eines möglichen geplanten Terroranschlags festgenommen worden sind, leben in St. Pölten. Das Landesamt für Verfassungsschutz ortet Spuren der Islamismusszene in der Landeshauptstadt.

Eine Stunde vor Beginn der 27. Regenbogenparade auf der Wiener Ringstraße, wurden drei mutmaßliche islamistische Gefährder im Alter von 14, 17, und 20 Jahren festgenommen. Der 20-Jährige konnte inzwischen die Justizanstalt St. Pölten wegen geringen Tatverdachts verlassen, über seinen 17-jährigen Bruder und einen 14-jährigen Wiener wurde die Untersuchungshaft verhängt – mehr dazu in Anschlagspläne: Zwei Jugendliche in U-Haft (noe.ORF.at; 18.6.2023).

Es ist nicht das erste Mal, dass St. Pölten mit der extremistischen Szene in Verbindung gebracht wird. Auch beim Terroranschlag in Wien im November 2020 ließen sich Spuren nach St. Pölten verfolgen – mehr dazu in Nach Anschlag: Suche nach Komplizen läuft (noe.ORF.at, 3.11.2020).

20 Personen von Verfassungsschutz überprüft

„Was wir in St. Pölten beobachten ist, dass es hier fünf bis sechs Personen gibt, die teilweise schon verurteilt oder teilweise mehrfach verurteilt sind. Diese Personen halten an dieser Ideologie fest und versuchen auch andere Personen davon zu überzeugen“, sagt Roland Scherscher, Leiter des Landesamts für Verfassungsschutz gegenüber noe.ORF.at.

20 Personen habe man aufgrund von möglicher Amtshandlungen im Bereich islamistischer Extremismus und Terrorismus im Großraum St. Pölten überprüft. Bei einem Drittel habe es auch Ermittlungen gegeben, so Scherscher. Vorfälle dieser Art würden sich aber nicht nur in St. Pölten, sondern über ganz Niederösterreich verteilen. Insgesamt gab es heuer im ganzen Bundesland 80 Anlassfälle, heißt es vom Verfassungsschutz.

Verfassungsschutz bei sozialen Medien Hände gebunden

Den Beamtinnen und Beamten würde bei den Ermittlungen eines besonders auffallen: Die Radikalisierung der Personen fände zunehmend im Internet statt, bekanntlich nutzen das jüngere Menschen am meisten. „Gerade Tiktok ist bekannt für ein- bis zweiminütige Videos. Das sehen sich ältere Menschen nicht an. Man kann also schon davon ausgehen, dass solche Plattformen zur Radikalisierung von jugendlichen Menschen beitragen“, erklärt Scherscher.

Eine Mammutaufgabe für die Ermittler sei es, dass IS-Sympathisanten oft über Messenger-Dienste kommunizieren. Man habe zwar die Möglichkeit Telefonie abzuhören, aber eben nicht Telefonie über das Internet zu verfolgen. „Die Eingriffsintensität ist aber dieselbe. Das eine dürfen wir nur, das andere eben nicht“, betont Scherscher. Der vereitelte Anschlag hat am Montag auch eine Diskussion über die Zugriffsmöglichkeiten des Staatschutzes auf Messenger-Dienste ausgelöst – mehr dazu in U-Haft für zwei jugendliche Verdächtige (news.ORF.at, 19.6.2023).

ÖVP: „Müssen uns dringend unterhalten“

Die St. Pöltner Volkspartei forderte am Dienstagvormittag in einer Aussendung einen Gipfel mit Sicherheitsbehörden, Integrationsexperten und allen Gemeinderatsfraktionen, „denn hier wurde von den Verantwortlichen lange genug weggeschaut". Laut dem Klubobmann der ÖVP im Gemeinderat, Florian Krumböck sei “ es unerträglich, dass St. Pölten immer wieder bei Terror-Ermittlungen zum Thema wird.“

Krumböck verwies auf die aktuell aufgedeckten Anschlagspläne, den Terroranschlag im November 2020 in Wien oder Hausdurchsuchungen 2017 nach der Explosion einer Pizzeria in Hollabrunn: „Die Landeshauptstadt rückt hier immer wieder in den Fokus. Wir müssen uns in St. Pölten daher dringend darüber unterhalten, wie wir die religiöse und gesellschaftliche Radikalisierung von jungen Menschen hintanhalten können.“

SPÖ verweist auf Landeszuständigkeit

Die Kritik weist der St. Pöltner Vizebürgermeister Harald Ludwig (SPÖ) am Dienstag zurück. „Da Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung bei der Exekutive auf Ebene der Bundesländer angesiedelt sind, macht eine kleinteilige Diskussion keinen Sinn“, so Ludwig. Sollte es einen Sicherheitsgipfel mit den zuständigen Landes- und Bundesbehörden geben, werde die Stadt St. Pölten aber gerne vertreten sein. „Politik mit Ängsten zu machen ist entschieden abzulehnen“, heißt es in einem Statement gegenüber noe.ORF.at, St. Pölten sei eine sichere Stadt, so Ludwig.