Politik

Bilanz: 95 Tage „freiheitliche Handschrift“

Seit 95 Tagen sind die niederösterreichischen Freiheitlichen in Regierungsverantwortung. Am Montag zog die FPÖ eine erste Bilanz: Coronavirus-Hilfsfonds, Wohn- und Heizkostenzuschuss sowie Pflegescheck trügen eine „freiheitliche Handschrift“.

Landeshauptfrau-Stellvertreter Udo Landbauer (FPÖ) räumte in einer Bilanz über die ersten 95 Tage in Regierungsverantwortung ein, dass es Meinungsverschiedenheiten mit dem Regierungspartner ÖVP gebe. Realpolitik sei „kein Kindergeburtstag“ und inhaltliche Differenzen demnach „normal“. Landbauer versprach, dass es diese Meinungsverschiedenheiten auch in Zukunft geben werde, am Ende zähle aber das Ergebnis und hier sei man „auf einem sehr, sehr guten Weg“.

Als inhaltliche Erfolge verbuchten die Freiheitlichen unter anderem die Einrichtung des Coronavirus-Hilfsfonds, den Ausschluss von Asylwerberinnen und Asylwerbern sowie Kriminellen vom niederösterreichischen Wohn- und Heizkostenzuschuss, die Abschaffung der vom Land eingehobenen Zusatzabgabe auf die ORF-GIS-Gebühr und den im März angekündigten Pflegescheck.

Scharfe Kritik an EVN

Dem Energieversorger EVN warf Landbauer angesichts fortlaufend hoher Preise „Managementversagen“ vor. Es würden sich „einige wenige eine goldene Nase verdienen“, so der Landeshauptfrau-Stellvertreter, ohne konkrete Namen zu nennen. Die EVN ist mehrheitlich im Besitz des Landes Niederösterreich, vom Gewinn des Unternehmens profitiert also auch das Land maßgeblich.

Landbauer, der die Preisgestaltung „Gier“ nannte, forderte niedriger und transparentere Preise und ein Ende hoher Werbeausgaben. Sollte die EVN-Führung dem nicht nachkommen, werde man „zu gegebener Zeit wieder darüber diskutieren“, so Landbauer.

Für den Herbst kündigte Landbauer die Umsetzung der Wirtshausprämie an, die Details sollen „zu gegebener Zeit“ präsentiert werden. Die Prämie gilt wegen ihrer Bevorzugung traditioneller Küche als umstritten. Ebenso kündigten die Freiheitlichen bis zum Sommer einen Erlass gegen das Gendern in allen öffentlichen Dokumenten an – mehr dazu in „Wirtshausprämie“ und Stimmzettelreform (noe.ORF.at; 19.3.2023).

Vergleich mit „lutherischer Reformpolitik“

Warum die FPÖ ausgerechnet nach 95 Tagen – und nicht wie üblich nach 100 Tagen – eine erste Regierungsbilanz zog, erklärte Klubobmann Reinhard Teufel mit einer Luther-Analogie. Martin Luthers 95 These hätten „zu einer grundlegenden Rückbesinnung auf die wahren Werte des Glaubens in der alten katholischen Kirche“ geführt, so Teufel.

„Viele können sich vielleicht im Geschichtsunterricht noch erinnern: 1517 schlug Martin Luther seine 95 Thesen an die Schlosskirche zu Wittenberg. Das war der Beginn der Reformation.“ Die niederösterreichischen Freiheitlichen verstünden sich im Geiste eines Reformprozesses von unten – nach Vorbild Luthers, so Teufel.