Tempo 30 Gemeinden VCÖ Reform StVO Bad Fischau Achau Schwechat
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Verkehr

56 Gemeinden drängen auf Tempo 30 im Ort

Durch Unfälle sind im Ortsgebiet auf Niederösterreichs Straßen im Vorjahr 19 Menschen gestorben und Tausende verletzt worden. Um die Zahlen zu senken, fordern der VCÖ und 56 Gemeinden im Land Tempo 30 im Ort und eine Reform der Straßenverkehrsordnung.

Zone für Zone wurde in Bad Fischau-Brunn (Bezirk Wiener Neustadt) die erlaubte Geschwindigkeit von 50 auf 30 km/h reduziert. Mittlerweile gilt das auf allen Gemeindestraßen. Die Ausnahme bilden nur noch drei Landesstraßen, die durch den Ort führen. „Das sind etwa zwei Kilometer, die fehlen, aber dort gelingt es uns nicht“, schildert Bürgermeister Reinhard Knobloch (ÖVP) bei einem Lokalaugenschein von noe.ORF.at.

Mehrmals habe die Gemeinde bereits versucht, das Tempo im ganzen Ort zu reduzieren, auch weil die Landesstraßen an Schulen vorbeiführen. Zudem hätten Messungen der Gemeinde ergeben, dass 85 Prozent aller Verkehrsteilnehmenden sogar schneller als 50 km/h fahren. Doch die Bezirksbehörde habe die Ansuchen bisher immer abgelehnt, erzählt Knobloch, „weil das Landesstraßennetz dem übergeordneten Verkehr dienen soll und daher Geschwindigkeitsreduzierungen nicht vorgesehen sind.“

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In Bad Fischau-Brunn kann die Gemeinde etwa mit Hinweistafeln vor Schulen bisher nur an eine Temporeduktion appellieren

Die einzige Ausnahme ist ein Abschnitt direkt vor der Volksschule, wo für Fahrzeuge zumindest während des Schulbetriebs Tempo 30 gilt. Sonst kann die Gemeinde derzeit nur Hinweistafeln – etwa „Vorsicht Kinder“ – aufstellen. Selbst Bushaltestellen, bei denen der Bus auf der Straße stehen bleiben muss, sind willkommen, hört man, weil dadurch der Verkehr natürlich gebremst wird.

Auf Kraftfahrzeuge zugeschnitten

Die Behörde beruft sich bei ihren ablehnenden Entscheidungen auf die Straßenverkehrsordnung, die aber aus den 1960er Jahren stammt. Knobloch fordert deshalb eine Überarbeitung: „In den 1960er Jahren stand das Kraftfahrzeug im Vordergrund, und alles wurde auf das Kraftfahrzeug zugeschnitten. Die Situation hat sich seither wesentlich verändert, und jeder Verkehrsteilnehmer sollte gleichberechtigt behandelt werden.“

Konkret wünscht sich Knobloch ein Mitspracherecht der Gemeinden. „Die Landesstraße führt durch unser Gemeindegebiet, und ich will, dass die, die hier leben, auch vorschlagen oder mitbestimmen können.“ In der Bevölkerung würde Tempo 30 „große Akzeptanz“ finden, meint der Ortschef, deshalb unterstützt er auch die Initiative des VCÖ.

Tempo 30 gegen Mautflüchtlinge

Für Tempo 30 ist man auch in der Gemeinde Achau (Bezirk Mödling), dort sprach sich sogar der Gemeinderat dafür aus. In der 1.500-Seelen-Gemeinde kreuzen sich zwei Bundesstraßen. Der Ort leide vor allem unter dem Durchzugsverkehr, sagt Bürgermeister Johannes Würstl (Bürgerliste). Gerade viele Lkws würden die Straßen nutzen, um sich einen Teil der Lkw-Maut auf der Südautobahn (A2) bzw. Schnellstraße S1 zu ersparen.

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Die Gemeinde Achau ist mit ihren beiden Bundesstraßen stark vom Durchzugsverkehr belastet

Mit Tempo 30 könnte man dem entgegenwirken, glaubt Würstl: „Ich glaube, dass die Strecke durch Achau dann wesentlich weniger attraktiv wäre.“ Zugleich könnte die Polizei wesentlich effizienter Geschwindigkeitskontrollen durchführen, „weil es ein Unterschied ist, ob jemand statt 50 60 fährt oder statt 30 50, da könnte man wesentlich effektiver durchgreifen.“

Doch die bisherigen Versuche, etwa für den Schulweg vieler Kinder eine Ausnahme zu bekommen, sind wie in Bad Fischau-Brunn gescheitert, sagt Würstl: „Das ist für uns schwer verständlich.“ Das Ziel sei aber weiterhin im gesamten Ortsgebiet Tempo 30 zu erlassen, weil für die Bevölkerung damit „mehr Lebensqualität“ verbunden sei. Auf den Gemeindestraßen gilt das bereits.

Gemeinden wollen „einfach mitreden“

Aber nicht nur kleine Gemeinden, auch Städte wie Schwechat wollen beim Thema Landes- und Bundesstraßen mehr Flexibilität: „Ob dann letztendlich die ganze Stadt eine Tempo-30-Zone werden soll oder man es für gewisse Straßenzüge machen kann oder will, das wird man dann entscheiden, wenn wir das Recht bekommen, einfach mitzureden“, sagt Stadtchefin Karin Baier (SPÖ).

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In Schwechat will die Stadt den innerstädtischen Verkehr mit mehr Tempo-30-Zonen auf die Umfahrungsstraßen lenken

Die Kompetenz soll durch eine Reform nicht allein zu den Gemeinden wandern, die Länder können auch weiter eingebunden bleiben, sagt Baier. Ziel der Stadt sei es aber, denn innerstädtischen Verkehr auf die Umfahrungsstraßen zu bringen. „Wir glauben, dass mehr 30er-Bereiche das durchaus unterstützen würden.“ Zugleich sollten auch Tempokontrollen auf Landes- und Bundesstraßen einfacher umgesetzt werden können, „manche wollen es nicht anders verstehen.“

Sportliche Stadtbewohner

Außerdem könnte man mit Tempo 30 gezielt Anreize schaffen, glaubt Baier. Schwechat ist zwar eine Stadt mit mehr als 20.000 Bewohnerinnen und Bewohnern, „aber trotzdem kann man viele Wege zu Fuß oder mit dem Rad erledigen, und ein Weg kann auch sein, das Tempo so herunterzuregeln, dass man sagt: ‚Das Tempo kann ich mit dem Fahrrad auch fahren.‘ Dann hätten wir vielleicht auch mehr sportliche Schwechaterinnen und Schwechater.“

Der VCÖ fordert deshalb in seiner Initiative mit dem Österreichischen Städtebund und mehr als 230 Gemeinden und Städten „die Bundesregierung und den Nationalrat auf, umgehend die rechtlichen Voraussetzungen in der StVO dahingehend anzupassen, dass Städte und Gemeinden ohne Einschränkungen und Hindernisse Tempo 30 als Höchstgeschwindigkeit innerorts dort umsetzen können, wo sie es mit Hinblick auf die notwendige Verkehrswende für sinnvoll erachten“.

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Laut den Gemeinden würde in den Ortschaften ohnehin oftmals schneller als die erlaubten 50 km/h gefahren

Ministerin unterstützt Initiative

In Niederösterreich unterschrieben zuletzt bereits 56 Gemeinden die Initiative. Die Resolution wurde vor wenigen Tagen auch an Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) übergeben. „Geringeres Tempo bedeutet mehr Sicherheit und mehr Lebensqualität für die Menschen vor Ort. Es führt zu weniger Verkehrstoten, verursacht weniger klimaschädliche Emissionen“, betonte Gewessler und sagte ihre Unterstützung zu.

Laut Gewessler wird in Verkehrsministerium derzeit ein Gesetzesentwurf für eine Reform der Straßenverkehrsordnung ausgearbeitet, „um das Anliegen der Petition voranzutreiben und möglichst schnell in Umsetzung zu bringen.“ Doch einen konkreten Zeitplan konnte man auf Nachfrage von noe.ORF.at nicht nennen. Bis in Bad Fischau-Brunn und Achau überall Tempo 30 gilt, wird es wohl noch dauern.