Kein Angeklagter, keine Verhandlung – da der ehemalige Käserei-Chef am Mittwoch nicht bei Gericht erschien, musste der Prozess vertagt werden. Die Richterin wollte den Mann vorführen lassen, dieser konnte allerdings eine Krankmeldung vorweisen. Der Prozess soll nun am 26. August stattfinden. Dem ehemaligen Chef der inzwischen geschlossenen Käserei wird das Vergehen der grob fahrlässigen Tötung vorgeworfen. Laut Anklage soll er die erforderlichen Hygienebestimmungen missachtet haben, wodurch es zu einem Ausbruch von Listerien gekommen sein soll.
Fünf Opfer seien getötet worden, zwei dauerhaft am Hirn geschädigt, ein Baby wurde zu früh geboren und erlitt eine Sepsis, bei drei weiteren Personen seien chronische Nierenschwächen, Lungenentzündungen und ausgeprägte Schwächezustände verursacht worden, heißt es in der Anklage. Als Tatzeitraum gilt März 2020 bis Oktober 2022 – mehr dazu in Rückruf von Käserei: Verdacht auf Listerientote (noe.ORF.at; 16.9.2022).
Für den Prozess, der am Mittwoch am Landesgericht Wiener Neustadt stattfinden hätte sollen, sind elf Zeuginnen und Zeugen geladen, darunter Angehörige der verstorbenen Personen sowie jene Personen, die teils schwer erkrankt sind. Die Staatsanwaltschaft hat auch ein Gutachten beauftragt. Ein Sachverständiger soll erläutern, ob die Todes- und Erkrankungsfälle in Zusammenhang mit Produkten des Unternehmens standen.
Listerien
Listerien sind Bakterien, die für gesunde Menschen in der Regel ungefährlich sind, bei immungeschwächten Personen aber schwere Erkrankungen bis hin zum Tod auslösen können.
Angeklagter bestreitet Vorwurf
Der Angeklagte wird den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit vor Gericht weiterhin bestreiten, sagte sein Verteidiger, Andreas Reichenbach, vor Prozessbeginn gegenüber noe.ORF.at. Dass es Listerienfälle im Betrieb gegeben habe, sei klar, inwiefern aber ein Zusammenhang mit den verstorbenen Personen bestand, sei wohl eine „Sachverständigenfrage“. Der Verteidiger verwies auf den langen vermeintlichen Tatzeitraum, in dem regelmäßig Kontrollen stattgefunden hätten und es seinem Mandanten gegenüber keine Beanstandungen gegeben habe. Im Fall einer Verurteilung drohen dem Angeklagten bis zu drei Jahre Haft.
Die Käserei hatte im September 2022 Kajmak, Trinkjoghurt und Frischkäse zurückgerufen. Zuvor hatten routinemäßig durchgeführte Clusteranalysen der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) ergeben, dass acht seit 2020 aufgetretene Erkrankungen in Wien auf einen identen Listerienstamm zurückzuführen sind. Der Betrieb galt als mögliche Quelle. Das Unternehmen meldete Ende 2022 zum zweiten Mal Insolvenz an, ein Konkursverfahren war die Folge. Mit Beschluss vom 12. April wurde die Schließung des Betriebs angeordnet.