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Wirtschaft

Bruck: Boehringer streicht Milliardeninvestition

Eigentlich wäre heuer der Spatenstich geplant gewesen, nun hat der deutsche Pharmakonzern Boehringer Ingelheim seine Pläne für eine neue Produktionsanlage in Bruck an der Leitha gestrichen. Im Vorjahr wurde „das größte Ansiedelungsprojekt“ des Landes noch gefeiert.

Die Konzernführung von Boehringer Ingelheim informierte das Land am Dienstag, dass man die Konzernstrategie geändert habe und das Investment in Bruck an der Leitha nicht weiterverfolgen werde. Die Pläne für das Milliardenprojekt – laut Angaben des Landes handelt es sich um das größte Ansiedelungsprojekt in der niederösterreichischen Geschichte – wurden erst im April 2022 bekannt.

Der deutsche Pharmakonzern hatte den Bau einer neuen Produktionsanlage angekündigt und bis zu 800 Arbeitsplätze in Aussicht gestellt. In der „BioNex“ genannten biopharmazeutischen Anlage sollten Medikamente gegen Krebs, Herzinfarkte und Schlaganfälle hergestellt werden. Der Spatenstich für das 1,2 Milliarden Euro teure Projekt sollte 2023 erfolgen, 2026 hätte der Betrieb starten sollen.

Produktionsbedarf laut Konzern gedeckt

In einer schriftlichen Stellungnahme begründete der Konzern den Schritt mit „einer klaren Fokussierung und Priorisierung“. Eine Beschleunigung der Entwicklung von neuen Arzneimitteln in Therapiegebieten mit derzeit ungedecktem medizinischen Bedarf stehe zwar weiter im Mittelpunkt, hieß es. Doch der erwartete Bedarf für Produktionskapazitäten in der Biopharmazie sei mit den bestehenden Produktionsanlagen abgedeckt.

Erst im Oktober 2021 eröffnete Boehringer Ingelheim eine neue Zellkulturanlage in Wien. In einer Aussendung bekräftigte der Pharmakonzern sein Bekenntnis zum Standort Österreich und verwies darauf, dass man in den vergangenen zehn Jahren mehr als eine Milliarde Euro in den Standortausbau investiert habe. Für 2024 sei die Eröffnung eines neuen Krebsforschungsgebäudes am bestehenden Standort geplant.

„Herber Schlag für Wirtschaftsstandort“

Doch nun wurden die Pläne gekippt. Als einen „herben Schlag für den Wirtschaftsstandort Österreich“, bezeichnet Jochen Danninger, Aufsichtsratsvorsitzender der Wirtschaftsagentur ecoplus, in einer Aussendung die Entscheidung. Im Vorjahr hatte Danninger in seiner damaligen Funktion als Wirtschaftslandesrat das Ansiedlungsprojekt noch intensiv begleitet. „Gemeinsam mit der Bundesregierung haben wir uns massiv für diese Produktionsanlage in Bruck eingesetzt.“

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Martin Hörmandinger
Bei der Präsentation in Wien waren (v. l.) Wirtschaftslandesrat Jochen Danninger, Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck, Boehringer-Ingelheim-Österreich-Chef Philipp von Lattorff, Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, Bruck an der Leithas Bürgermeister Gerhard Weil und ecoplus-Geschäftsführer Helmut Miernicki

Einen herben Schlag bedeutet das auch für den Wirtschaftsstandort in Niederösterreich. Erst vergangene Woche hatte Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) im „NÖ heute“-Sommergespräch die aus ihrer Sicht gute Entwicklung bzw. „gute Basis des Wirtschaftsstandortes“ mit der gelungenen Betriebsansiedelung des Pharmakonzerns begründet, „wo wir im Wettbewerb mit anderen Ländern wie Spanien, Deutschland oder den USA gestanden sind – und wir haben es geschafft“.

Bekenntnis zu Biotech Campus

In einer Reaktion am Dienstag hielt Mikl-Leitner fest: „Wir werden uns weiter mit vollem Einsatz dieser prosperierenden Wirtschaftsregion rund um Bruck an der Leitha widmen.“ Am Biotech Campus Hainburg inklusive FH-Lehrgang und Gymnasium halte man daher „selbstverständlich fest.“ Die in der Region ansässigen Biotech-Firmen wie Takeda und Pfizer haben großen Bedarf an Fachkräfte im Bereich der Biotechnologie.

Der Bürgermeister von Bruck an der Leitha, Gerhard Weil (SPÖ), zeigte sich in einer Stellungnahme „maßlos enttäuscht“: „Wir haben bereits viele Vorarbeiten geleistet. Ich muss die Entscheidung aber zur Kenntnis nehmen.“ Dennoch gab sich Weil überzeugt, dass der Wirtschaftsstandort Bruck an der Leitha „weiterhin perfekte Voraussetzungen für Betriebsansiedlungen“ biete.

Schmerzhaftes Warnsignal

Danninger sieht die Entscheidung von Boehringer Ingelheim – „auch wenn diese unternehmensinterne Gründe hat“ – als Warnsignal für die Zukunft bzw. „schmerzhaften Warnschuss“: „Wir müssen noch stärker darauf achten, die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Österreichs wieder zu stärken und uns auch gegen jede Maßnahme, die dem Wirtschaftsstandort schadet, entschieden zur Wehr setzen.“

Niederösterreich bzw. Österreich sei im globalen Wettbewerb, sagt dazu ecoplus-Geschäftsführer Helmut Miernicki gegenüber noe.ORF.at: „Der Wettbewerb wird härter, und Österreich muss alles daransetzen, im globalen Wettbewerb wettbewerbsfähig zu sein.“ Generell merkt man bei ecoplus, dass Investitionsentscheidungen von Unternehmen, auch wenn sie öffentlich kommuniziert wurden, „dreimal hinterfragt werden, insofern sind die Zeiten herausfordernd“.

Als „eine Katastrophe für den Wirtschaftsstandort Niederösterreich“ bezeichnete Landesrat und SPÖ-Landesparteichef Sven Hergovich die Unternehmensentscheidung. Die Absage „macht eine komplette Neubewertung der Wirtschaftspolitik notwendig“. Und: „Es braucht einen Schulterschluss aller Parteien und Sozialpartner, um ein rasches und möglichst gleichwertiges Alternativinvestment für die Region und damit Arbeitsplätze zu sichern.“