Murenabgang bei Gresten
Stamberg.at/Thomas Wagner
Stamberg.at/Thomas Wagner
Wissenschaft

Hangrutschungen: Frühwarnsystem machbar

Aufgrund großer Niederschläge ist es heuer bereits zu zahlreichen Hangrutschungen gekommen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeiten nun an einer Methode, um derartige Gefahren und Risiken in Österreich besser prognostizieren zu können.

Ein Team um den Wiener Geomorphologen Thomas Glade möchte in Österreich ein Frühwarnsystem zur Prognose von Hangrutschungen aufbauen. Auf der Basis von Daten zu rund 13.000 dokumentierten Rutschungen bis zum Jahr 2015 wurde bereits eine Gefahrenhinweiskarte für Rutschungen und Sturzprozesse für ganz Niederösterreich entwickelt (Projekt „MoNOE“).

In einem Folgeprojekt haben die Expertinnen und Experten für Risikoprävention und Katastrophenschutz der Universität Wien in Zusammenarbeit mit den niederösterreichischen Behörden mehr als 400 seither in Niederösterreich aufgetretene Ereignisse mit ihren detaillierten Gefahrenhinweiskarten verglichen. Das Ergebnis: 90 Prozent davon traten in den vorhergesagten gefährdeten Zonen auf.

Forscher: „Extreme werden extremer“

Die restlichen Ereignisse spielten sich nahezu ausschließlich in unmittelbarer Nähe – also zwischen zehn und 50 Metern – um diese Gebiete ab. „Das ist mehr oder weniger ein Volltreffer“, sagt Glade. Es sei damit möglich, Gebiete ausfindig zu machen, „wo bisher noch nichts passiert ist, aber wo es in der Zukunft potenzielle Gefährdungen gibt.“ Ein derart einheitliches, vergleichbares Bild über Gemeindegrenzen hinweg gebe es allerdings nicht in allen Bundesländern.

Von einer echten „Gefahrenkarte“ ist man aber noch ein Stück entfernt. Dazu bräuchte es eine Abschätzung über die potenziellen Konsequenzen der Rutschungen, also zum Beispiel darüber, ob, wie häufig und in welchem Ausmaß Straßen, Häuser und Menschen von den Rutschungen betroffen wären. Glade ist überzeugt, dass der Bedarf nach einer solchen Karte besteht: „Ich bin nach diesem Jahr umso mehr überzeugt, dass diese Ereignisse zunehmen werden. Extreme werden extremer.“

Mehr präventives statt reaktives Denken gefordert

Glade fordert in diesem Zusammenhang mehr präventives statt reaktives Denken. So könnten etwa aktuelle und erwartete Regendaten in echte Gefahren- und Risikokarten einbezogen werden. Außerdem gelte es „Multi-Gefahren“ und „Kaskadeneffekte“ besser zu verstehen und abzuschätzen: Erreichen nämlich Rutschungen Gerinne, kann das in der Folge zu Muren führen, die dann wiederum Flüsse blockieren oder mit viel Geschiebe und Geröll belasten können.

Das möglichst exakt abzubilden, wäre eine wissenschaftliche Herausforderung, die aber bewältigbar sei und an der man arbeitet, meint Glade. Grundsätzlich sei es möglich, vorauszusagen, welche Hänge bei welchen tatsächlichen Regenmengen an welchem Tag tatsächlich rutschgefährdet sind. Derzeit würden solche Einschätzungen von Expertinnen und Experten an Ort und Stelle getroffen – diese könnte man in Zukunft unterstützen, so der Forscher.