Landestheater Niederösterreich Keypicture Kasimir und Karoline Laura Laufenberg und Konstantin Rommelfangen
Franz Kreis
Franz Kreis
Kultur

Vom Scheitern der Liebe: „Kasimir und Karoline“

Am Landestheater Niederösterreich in St. Pölten hat am Samstag Ödön von Horvaths „Kasimir und Karoline“ Premiere. Regisseur dieses 1932 uraufgeführten Stücks ist der gebürtige Niederösterreicher und Nestroy-Preisträger Moritz Franz Beichl.

In dem von Horvath bezeichneten „Volksstück“ fliegt ein Zeppelin am wolkenlosen, blauen Himmel, er ist ein Symbol des Fortschritts und der grenzenlos weiten Welt. Darunter, in München, wird das Oktoberfest gefeiert. Während dort ausgelassene Fröhlichkeit und optimistische Lebensfreude herrschen, stehen die Sterne für das Liebespaar Kasimir und Karoline ungünstig: Kasimir hat seine Arbeit als Chauffeur verloren.

Wenn man an seinen Erwartungen scheitert

Und weil das für ihn zu einer existenziellen Krise mit Statusverlust führt, schaut sich Karoline nach einem anderen um. Weil: „Wenn einer arbeitslos wird, die Liebe zu ihm nachlässt, und zwar automatisch.“ Im wilden Strudel des Volksfests, berauscht von Alkohol und dem Drang, etwas zu erleben, scheitern beide an ihren Erwartungen aneinander: „Man hat halt oft so eine Sehnsucht in sich – aber dann kehrt man zurück mit gebrochenen Flügeln und das Leben geht weiter, als wär’ man nie dabei gewesen.“

Landestheater Niederösterreich in St. Pölten
Alexi Pelekanos
„Ich habe meiner Bühnen- und meiner Kostümbildnerin gleich zu Beginn gesagt, dass ich keine Bierkrüge und kein Weiß-Blau-Kariert auf der Bühne sehen möchte“, so Beichl über seine Version von „Kasimir und Karoline“ am Landestheater.

Horvaths „Kasimir und Karoline“ ist angesiedelt in der von Armut und Wirtschaftskrise geprägten Zeit der untergehenden Weimarer Republik. Das Oktoberfest wird für seine Besucherinnen und Besucher aus verschiedenen sozialen Klassen zum Tanz auf dem Vulkan. Aber in der Liebe gelten „klare Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse, und so kann auf die Hoffnung nach gesellschaftlichem Aufstieg mit dem richtigen Partner schnell ein kolossaler Absturz folgen“, heißt es auf der Website des Landestheaters Niederösterreich.

Regisseur Moritz Franz Beichl, der in Hamburg, Göttingen und Wien arbeitet, inszeniert Horvaths Klassiker als melancholisch-poetisches Sittenbild über zwei, deren Umstände sie immer weiter vom gemeinsamen Glück entfernen. „Kasimir und Karoline“ ist eine Koproduktion mit dem Grand Theatre de la Ville de Luxembourg.

Über die wahren Tragödien in einem Durchschnittsleben

Über seine persönliche Beziehung zu „Kasimir und Karoline“ sagte Beichl in einem Interview: „Ich habe das Stück das erste Mal mit 17 gesehen: im Landestheater Niederösterreich! Auch heute, 14 Jahre später, gehört ‚Kasimir und Karoline‘ noch immer zu meinen absoluten Lieblingsdramen – mit seinen sehnsüchtigen, fragilen Figuren, die uns in Wahrheit sehr viel näher sind, als uns vielleicht lieb ist.“

Und weiter: „Das ist Horvaths Kunst, hochkomplexe psychologische und gesellschaftliche Phänomene zu einer poetischen Simplizität zu kondensieren und all diese schwierigen Fragestellungen in die einfache und leichte Poesie von ‚Kasimir und Karoline‘ umwandeln zu können! Die wahren Helden- und Heldinnen-Tragödien findet er vor allem im schlichten Alltag eines Durchschnittslebens.“

Nestroy-Preis für eine Landestheater-Inszenierung

Im November 2019 erhielt der 1992 in Wien geborene Regisseur für seine Inszenierung des Romans „Der Tag, an dem mein Großvater ein Held war“ von Paulus Hochgatterer am Landestheater Niederösterreich den Nestroy-Preis in der Kategorie „Männlicher Nachwuchs“. Er hoffe, im nächsten Jahr auch noch den weiblichen Nachwuchs-Preis einheimsen zu können, sagte er und schloss familiär: „Mama, ich liebe Dich!“

Cathrine Dumont, Tobias Artner, Josephine Bloéb, Elena Wolff in „Der Tag, an dem mein Großvater ein Held war“
Alexi Pelekanos
Cathrine Dumont, Tobias Artner, Josephine Bloeb und Elena Wolff (v.l.) in „Der Tag, an dem mein Großvater ein Held war“

APA-Theaterkritiker Ewald Baringer schrieb im März 2019 über die Uraufführung: „Einen Roman auf die Bühne zu hieven stellt immer eine besondere Herausforderung dar. Dem jungen Regisseur Moritz Beichl, Jahrgang 1992, ist dieses Kunststück am Landestheater Niederösterreich in St. Pölten mit der Dramatisierung von Paulus Hochgatterers ‚Der Tag, an dem mein Großvater ein Held war‘ überzeugend gelungen. […] Weder Abgleiten in Klamauk noch in Pathos unterläuft Beichls durchaus leicht überdrehter Inszenierung.“ Am Landestheater Niederösterreich inszenierte Beichl außerdem im März 2022 Georg Büchners „Leonce und Lena“ – mehr dazu in Mehr burlesk als poetisch: „Leonce und Lena“ (noe.ORF.at; 19.3.2022).

2022 erschien im Residenz Verlag Beichls Debütroman „Die Abschaffung der Wochentage“. Ebenfalls im Vorjahr wurde im S. Fischer Verlag seine queer-feministische Komödienüberschreibung „Effi, Ach, Effi Briest“ veröffentlicht, die er bei der Uraufführung im Wiener Theater Bronski & Grünberg inszenierte.

In der Kritik: „Beichl lässt Platz für Humor“

Am 12. Oktober feiert Beichl sein Klagenfurter Regie-Debüt mit William Shakespeares „Sturm“ in der Fassung von Joachim Lux. In der Koproduktion mit den Salzkammergut Festwochen Gmunden spielen Josephine Bloeb, Sona MacDonald und Sebastian Wendelin.

Moritz Franz Beichl, August 2022
APA/Eva Manhart
Moritz Franz Beichl: „Man wandert für sich allein über diesen seltsamen Planeten und hofft dabei, dass man auf dem Weg ein paar Leuten begegnen wird, die ihn ein bisschen erträglicher machen“

APA-Theaterkritikerin Verena Leiss schrieb im Juli über die Aufführung in Gmunden: „Moritz Franz Beichl lässt Platz für Humor und gibt den Schauspielern Raum sich auszuprobieren, ohne selbst den Faden zu verlieren – sich zu verzetteln wäre bei der literarischen Vorlage eine reale Gefahr gewesen. Er beschert dem Publikum gemeinsam mit Robin Metzer, der für Bühne, Kostüme und die Videos zuständig ist, eine ästhetische, unterhaltsame und dennoch Shakespeare-treue und nichts unterschlagende Kurzausgabe der vielschichtigen Handlung.“

Bis 18. Jänner in St. Pölten zu sehen

Die Premiere von „Kasimir und Karoline“ ist am 30. September, das Stück steht außerdem am 6., 11. und 12. Oktober auf dem Spielplan, am 4. November, 2. und 5. Dezember sowie am 18. Jänner 2023. Mit im „leading team“ von Regisseur Moritz Franz Beichl sind Anouk Schiltz (Bühne), Astrid Klein (Kostüme), Philipp Auer (Musik) und Thorben Meißner (Dramaturgie).

Auf der Bühne des Landestheaters Niederösterreich in St. Pölten stehen Konstantin Rommelfangen als Kasimir, Laura Laufenberg als Karoline (beide im Bild ganz oben), Tobias Artner (Schürzinger), Franz Lennart Preining (Der Merkl), Jeanne Werner (Erna), Michael Scherff (Rauch), Simon Bauer (Speer) und Philipp Auer (Troubadour).