Chronik

Listerientote: Mann bekennt sich nicht schuldig

Ein Prozess um Listerientodesfälle und -erkrankungen hat am Dienstag am Landesgericht Wr. Neustadt begonnen. Angeklagt ist der frühere Geschäftsführer der inzwischen geschlossenen Käserei Gloggnitz (Bezirk Neunkirchen). Er bekannte sich nicht schuldig.

Dem 39-jährigen Beschuldigten wird grob fahrlässige Tötung in fünf Fällen sowie grob fahrlässige schwere Körperverletzung bzw. grob fahrlässige Körperverletzung in je drei Fällen angelastet. Die Staatsanwältin sprach von einem „ganz besonders tragischen Fall“, der fünf Menschenleben gekostet habe, sechs Personen seien teilweise schwer an der Gesundheit geschädigt worden.

Der ehemalige Firmenchef soll Hygienebestimmungen missachtet und vom Lebensmittelinspektor aufgetragene Mängelbehebungen u. a. aus finanziellen Gründen nicht durchgeführt und Gerätschaften nicht instand gehalten haben. Einer mehrmals vorgeschriebenen gründlicheren Reinigung des Produktionsbetriebs sei man etwa „nur schleppend nachgekommen“, sagte die Staatsanwältin. „Die Hygienemaßnahmen haben nicht gepasst“, fasste sie zusammen.

Vorwürfe laut Anwalt „wackliges Konstrukt“

Verteidiger Elmar Kresbach bezeichnete die Listerienfälle als „emotionale und furchtbare Geschichte“, erklärte aber: „Die Brücke zwischen dem unbescholtenen Angeklagten und den traurigen Ereignissen ist nicht nachvollziehbar.“ Es handle sich um ein „wackliges Konstrukt“. Der Käse sei nicht direkt verkauft, sondern u. a. auch an die Gastronomie geliefert worden, hielt er fest.

ABD0010_20230926 – WIENER NEUSTADT – …STERREICH: Der Angeklagte frŸhere KŠserei-GeschŠftsfŸhrer vor Beginn eines Prozesses um ListerienfŠlle am Dienstag, 26. September 2023, im Landesgericht Wiener Neustadt. – FOTO: APA/ROBERT JAEGER
APA/Robert Jäger
Der Beschuldigte, dem u.a. grob fahrlässige Tötung in fünf Fällen vorgeworfen wird, bekannte sich vor Gericht nicht schuldig

Es habe nie Hygieneprobleme gegeben, meinte der Angeklagte in seiner Befragung. Beanstandungen bei Kontrollen hätten die Gerätschaften betroffen. „Es gab schon Phasen, als es nicht möglich war, alles zeitgerecht zu lösen, weil die Maschinen aus dem Ausland kamen“, sagte der Beschuldigte laut Dolmetscher. Der aus Serbien stammende Angeklagte war zuvor bei einem fleischverarbeitenden Betrieb tätig. Der 39-Jährige ist derzeit ohne Beschäftigung.

Listeriennachweis bereits 2018

Bereits im April 2018 waren laut der Einzelrichterin Listerien in dem Betrieb nachgewiesen worden. Davon habe er erst Jahre später erfahren, meinte der Angeklagte. Im September 2022 wurde laut der Staatsanwältin ein konkreter Bakterienstamm u. a. im Reiferaum der Käserei nachgewiesen, die Produktion wurde gestoppt. Die Käserei hatte Kajmak, Trinkjoghurt und Frischkäse zurückgerufen. Zuvor hatten routinemäßig durchgeführte Clusteranalysen der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) ergeben, dass mehrere Erkrankungen in Wien auf einen identen Listerienstamm zurückzuführen sind.

Fünf Menschen starben nach dem Verzehr kontaminierter Produkte. Zwei Personen erlitten eine dauerhafte Hirnschädigung, drei weitere eine chronische Nierenschwäche, Lungenentzündungen oder ausgeprägte Schwächezustände. Eine Frau soll wegen einer Listeriose eine Frühgeburt erlitten haben. Das Baby musste künstlich beatmet werden und erlitt eine lebensbedrohende Sepsis. Als Zeuge wurde am Dienstag ein 44-Jähriger befragt, der im September 2020 erkrankte. Der Mann, der früher am Bau arbeitete, wird nun über eine Sonde ernährt, weil er nicht mehr schlucken kann.

Sein Mandant sei ein „Pflegefall, sitzt im Rollstuhl und musste neu sprechen lernen“, sagte ein Privatbeteiligtenvertreter. Eine 73-Jährige, die ebenfalls als Zeugin befragt wurde, lag 2021 nach dem Verzehr einer Semmel mit Käse neun Tage lang im Krankenhaus. Seitdem leide sie etwa zwei- bis dreimal pro Monat an Übelkeit nach dem Essen, berichtete die Pensionistin. Für den 44-Jährigen wurden 15.000 Euro an Schmerzengeld beantragt, für die Frau 5.000 Euro.

Mitarbeiter berichten von Missständen

Eine ehemalige Büromitarbeiterin, die rund zwei Jahre in dem Unternehmen beschäftigt war, hatte laut ihrer Aussage 2019 je eine tote Ratte im Lagerraum und im Kaffeeautomaten gesehen. Die 42-Jährige verwies – ebenso wie ein ehemaliger Kollege – auf Finanzprobleme des Betriebs. Reinigungsmittel habe der Firmenchef etwa teilweise selbst mitgebracht, Käsekulturen seien aus Serbien gekommen. Die 42-Jährige berichtete auch über Beschwerden vor allem betreffend Kajmak, etwa wegen gewölbter Deckel.

Käserei Gloggnitz
Einsatzdoku/Lechner
Bereits 2018 sind laut der Richterin in dem Betrieb Listerien nachgewiesen worden

Insolvenz nach Listerienfällen

Das Unternehmen war in einem Gebäude untergebracht, das von einer Fleischerei zu einer Molkerei umgebaut worden war. 2017 wurde mit der Produktion begonnen. Das 2015 im Firmenbuch eingetragene Unternehmen, das bis zu fünf Mitarbeiter beschäftigte, meldete Ende 2022 zum zweiten Mal Insolvenz an. Ein Konkursverfahren war die Folge. Mit Beschluss vom 12. April wurde die Schließung des Betriebs angeordnet.

Der Prozess sollte ursprünglich bereits am 23. August über die Bühne gehen. Der Angeklagte erschien – letztlich entschuldigt wegen Krankheit – nicht – mehr dazu in Tote durch Listerien: Prozess vertagt (noe.ORF.at; 21.8.2023). Am Dienstag wurde der Prozess auf 23. November vertagt. Bei diesem Termin sollen weitere Zeugen sowie ein Sachverständiger zu Wort kommen.