Chronik

Grafenwörth: Wirbel um Kosten für Lärmschutzwand

Die Causa um Grundstücksgeschäfte von Alfred Riedl (ÖVP), Bürgermeister von Grafenwörth (Bezirk Tulln), ist um eine Facette reicher. Die Gemeinde soll 350.000 Euro für eine Lärmschutzwand gezahlt haben, damit Flächen umgewidmet werden können.

In der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der SPÖ an Verkehrs- und Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) wurde festgehalten, dass für eine Umwidmung der Flächen nahe der Stockerauer Schnellstraße (S5) die Erhöhung der bestehenden Lärmschutzwände auf eine Gesamthöhe von 4,5 Metern nötig war.

„Daher trat 2017 Bürgermeister Riedl im Namen der Marktgemeinde Grafenwörth mit dem Wunsch der Erhöhung der bestehenden Lärmschutzwand an die ASFINAG heran“, hieß es. Am 30. November 2017 habe es eine erste Besprechung gegeben, 2021 folgte die Umsetzung. Seitens der Gemeinde Grafenwörth sei eine Zahlung in der Höhe der laut Vertrag pauschal festgelegten 350.000 Euro zur Erweiterung der bestehenden Lärmschutzmaßnahme getätigt worden.

Riedl: „Gemeinde sind keine Kosten entstanden“

Riedl sprach auf APA-Anfrage ebenfalls davon, dass die Erhöhung der bestehenden Lärmschutzwand eine Auflage für die Umwidmung gewesen sei. Der Gemeinde seien jedoch keine Kosten entstanden – ein Teil sei im Zuge „naturschutzbehördlicher Bewilligungen“ von der ASFINAG übernommen worden, der Rest durch den Betreiber des Projekts „Sonnenweiher“, VI-Engineers, sagte der ÖVP-Politiker.

Riedl verwies auf einen Gemeinderatsbeschluss zur Erhöhung der Lärmschutzwand entlang der S5. In diesem wurden die Gesamtkosten mit bis zu 350.000 Euro angegeben, in Anwendung der Dienstanweisung für Lärmschutz an Bundesstraßen wurde die Höhe des von der Gemeinde zu leistenden Zuschusses mit 120.000 bis 170.000 Euro errechnet. Festgehalten wurde laut Riedl u. a., dass spätere Erhaltung und künftige Kosten durch die ASFINAG übernommen werden. Weiters wurde den Angaben zufolge eine Vereinbarung mit VI-Engineers zur Übernahme betreffend die der Gemeinde entstandenen bzw. entstehenden Kosten getroffen.

ASFINAG: „Gemeinde hat volle Summe überwiesen“

„Seitens der ASFINAG sind keine Zahlungen geflossen, inwiefern der Gemeinde Teile dieser Kosten durch Dritte ersetzt wurden, entzieht sich unserer Kenntnis“, stellte das Unternehmen hingegen auf Anfrage klar. Festgehalten wurde, dass Maßnahmen, die über die Vorgaben der Dienstanweisung Lärmschutz hinausgehen, durch Zahlungen Dritter umgesetzt werden können.

„Zwischen der ASFINAG und der Gemeinde Grafenwörth wurde ein Vertrag geschlossen, wonach die Gemeinde die Kosten für die Erhöhung der Lärmschutzwand in der Höhe von 350.000 Euro zur Gänze zu tragen hat“, hieß es. Diese Summe sei entsprechend der vertraglichen Modalitäten seitens der Gemeinde Grafenwörth in voller Höhe überwiesen worden, erläuterte die ASFINAG.

Die Seehäuser am Sonnenweiher
APA/VI-Engineers/Squarebytes
Rund um das Bauprojekt „Sonnenweiher“ in Grafenwörth gibt es seit dem Sommer Aufregung

Kritik an Riedl kam vom SPÖ-Abgeordneten Andreas Kollross, Bürgermeister von Trumau (Bezirk Baden), wie auch Medien am Freitag berichteten: „Als Bürgermeister finde ich nichts Verwerfliches daran, wenn Lärmschutzwände zur Erschließung neuer Siedlungen aufgestellt werden. Verwerflich wird es aber, wenn diese Wände auf Kosten der Gemeinde und somit der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler aufgestellt werden, damit der Bürgermeister schönen Profit machen kann.“ Er ortete „einen Hauch von Amtsmissbrauch“.

Riedl soll mit Grundstücksverkauf verdient haben

Das Projekt „Sonnenweiher“, das in Medien als „Mini-Dubai des Weinviertels“ bezeichnet wurde, umfasst mehr als 200 Häuser um einen Foliensee. Riedl soll laut Berichten mit dem Verkauf von Grundstücken mehr als eine Million Euro verdient haben, im Sommer wurden weitere Geschäfte bekannt. Der ÖVP-Politiker hat seine Funktion als Gemeindebund-Präsident inzwischen ruhend gestellt.

Die SPÖ Niederösterreich forderte in einer Aussendung den endgültigen Rückzug von Riedl aus allen Ämtern sowie mehr Kontrolle in Stadt und Land. Landesparteichef und Landesrat Sven Hergovich sah auch Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) gefordert einzuschreiten und meinte: „Das Konstrukt, das Riedl hier geschaffen hat, um ein Prestigeprojekt zu errichten, das – laut Medienberichten – auch seine eigenen Taschen gut gefüllt hat, ist zusammengebrochen. Es ist höchst an der Zeit, alle Ämter, die er noch bekleidet, zurückzulegen.“

Auch die Grünen verlangten einen Rücktritt Riedls aus allen Ämtern. „Alfred Riedl hat den Bogen spätestens jetzt überspannt. Bürgermeister, Treuhänder und Aufsichtsratsmitglied dürften für Riedl allem Anschein nach die Dreifaltigkeit der dubiosen Grundstückdeals sein“, so Generalsekretärin Olga Voglauer in einer Aussendung.

Indra Collini, Landesparteichefin der NEOS Niederösterreich, befand, Riedl habe „nun mehrfach bewiesen, dass er als Bürgermeister nicht mehr tragbar ist“. „Nachdem er selbst nicht den Anstand aufbringt und zurücktritt, wird es Zeit, dass die ÖVP-Landespartei die Reißleine zieht und ihn zum Rückzug bewegt“, teilte Collini in einer Aussendung mit. Die Causa zeige, „wie wichtig die Abschaffung des Amtsgeheimnisses auch in kleinen Gemeinden des Landes wäre“.