Wissenschaft

Bohrung führt 233 Mio. Jahre in Vergangenheit

Die Region um Lunz am See (Bezirk Scheibbs) ist für ihre Ablagerungen aus der Triaszeit bekannt. Jetzt wurde dort mit einem riesigen Bohrer 233 Millionen Jahre in die Vergangenheit gebohrt, um eine der größten Umweltkatastrophen der Erdgeschichte zu erforschen.

Die Karnische Krise vor 233 bis 235 Millionen Jahren war auf eine Serie an Vulkanausbrüchen zurückzuführen, der enorme CO2-Ausstoß und die Asche vernichteten das Leben auf fast dem gesamten Erdball und konservierten gleichzeitig die Tier- und Pflanzenwelt. Eine der weltweit bekanntesten Fundstellen aus dieser Zeit ist das Gebiet Polzberg zwischen Lunz am See und Gaming (beide Bezirk Scheibbs).

Dort werden schon seit 140 Jahren hervorragend erhaltene Fossilien gefunden. Diese Zeugen aus dem Erdmittelalter sind sogar in Bachbetten an der Erdoberfläche ersichtlich. Alexander Lukeneder ist der Leiter eines Forschungsprojektes des Naturhistorischen Museums zusammen mit der Akademie der Wissenschaften und dem Land Niederösterreich. Er hatte die Idee, mit einer Kernbohrung in die untersten Schichten vorzustoßen – mehr dazu in Bohrungen zu Massensterben in der Triaszeit (noe.ORF.at; 4.5.2023).

Urzeitgestein
ORF
Ein Blick 233 Millionen Jahre in die Vergangenheit: Das Gestein wurde mit einem Tiefenbohrer ans Tageslicht befördert

30 Meter tief in Steinbruch gebohrt

Von Montag bis Donnerstag stieß man nun mit einem Tiefenbohrer Meter für Meter in die Urzeit vor, 30 Meter tief. Und zwar in einem alten Steinbruch zwischen Lunz und Göstling (Bezirk Scheibbs). Alexander Lukeneder hätte ursprünglich lieber direkt im Gebiet Polzberg gebohrt, allerdings gab es technische Probleme, und er musste neu zu suchen beginnen.

„Ich habe die ganze Zone zwischen Großreifling in der Nordsteiermark und dem Wiener Becken nach diesen ‚Reingrabner Schichten‘ abgesucht, in denen sich die Karnische Krise manifestiert“, erklärt Lukeneder. In dem kleinen Steinbruch habe er dann die Schichten wiederentdeckt, der Besitzer sei mit der Forschungsbohrung einverstanden gewesen.

Bohrungen in Mostviertler Urzeitgestein

Urzeitforscher weltweit blicken gebannt ins Mostviertel. Dort gibt uns ganz besonders wertvolles Gestein Aufschluss über die Welt vor der Zeit der Karnischen Krise, ausgelöst durch Vulkanausbrüche, die auf der Erde damals ein Massensterben ausgelöst haben.

Ergebnisse werden weltweit analysiert

Die Ergebnisse waren ursprünglich dürftig, weil die Bohrkerne in kleine Steinchen zerfielen. Je tiefer aber vorgedrungen wurde, umso kompakter wurden die Bohrkerne und umso besser ablesbar die Schichten des Urzeitgesteins. Die Ergebnisse werden nun weltweit analysiert.

„Das ist so etwas wie das Archiv der Erdgeschichte. Es gibt schon ein weltweites Netzwerk an Forschern zu dieser Karnischen Krise“, so Lukeneder. Er verschickt die Proben rund um die Welt: China, USA, Frankreich, Deutschland – alle haben ihr Spezialgebiet. Die einen befassen sich mit Pollenanalysen, die anderen mit dem Quecksilbergehalt.

Bohrung Lunz am See
ORF
Das Gestein wird nun in den verschiedensten Ländern analysiert

Großes Ziel: Fund eines Ichthyosauriers

Nur eines ist noch niemandem gelungen: den „Predator X“ zu finden. Dieser gigantische Meeressaurier wurde schon in zahlreichen Funden nachgewiesen, vor allem in Exkrementen. Aber von dem Ichthyosaurier selbst wurden bis dato noch keine Überreste gefunden.

Das wäre für Alexander Lukeneder der Gipfel seiner Forschung. „Der muss hier in der Gegend herumgeschwommen sein. Wir haben Raubfische und fliegende Fische gefunden, aber den Haupträuber würden wir noch gern finden, damit wir wissen, wer der Chef im Ring im Reiflinger Becken war“, sagt Lukeneder.