Werner Fetz und Interviewgäste bei der Diskussion „Ein Ort am Wort“ in Langschlag
ORF/Robert Salzer
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„Ein Ort am Wort“

Der Wolf: Emotionale Debatte im Waldviertel

Wie gefährlich ist der Wolf? Eine Frage, die derzeit stark polarisiert. Der ORF Niederösterreich war Mittwochabend mit dem Diskussionsformat „Ein Ort am Wort“ zu Gast in Langschlag (Bezirk Zwettl). Es war eine hitzige Debatte mit unterschiedlichen Meinungen.

Der Wolf breitet sich in Niederösterreich aus und das führt insbesondere im Waldviertel bei vielen Menschen zu Verunsicherung. Seit Beginn des Jahres kam es in Niederösterreich zu 37 Nutztierrissen durch den Wolf. Damit hat sich die Zahl der Risse verglichen zum Vorjahr mehr als verdoppelt. Österreichweit zeigte sich zuletzt hingegen ein entgegengesetzter Trend. Hier ging die Zahl der Risse deutlich zurück.

Bei der Diskussion „Ein Ort am Wort“ im „Waldviertler-Hof“ in Langschlag meldete sich unter anderem Renate Pilz aus Rammelhof in Arbesbach (Bezirk Zwettl) zu Wort. Bei ihr wurden vor kurzem Schafe und Lämmer gerissen – mehr dazu unter Arbesbach: Vier Schafe und Lämmer gerissen (noe.ORF.at, 8.10.2023). Sie fühle sich mittlerweile eingeschränkt und wüsste auch nicht, was sie tun soll, wenn plötzlich der Wolf auftaucht: „Wie soll ich als Frau einen Wolf vergrämen? Der lacht mich doch aus, weil er auf jeden Fall stärker ist als ich.“ Auch Sylvia Käfer, Kindergartenpädagogin in Langschlag, zeigte sich besorgt. „Wenn ich mit den Kindern in den Wald gehe, dann hafte ich dafür, wenn etwas passiert“, führte sie aus.

Wolf als natürlicher Regulator

Johann Bauer argumentierte, dass es mittlerweile im Waldviertel viele Angriffe des Wolfs auf Rehwild gebe. „Es ist eine reine Frage der Zeit, bis man fast alle Wildarten dem Wolf geopfert hat und das kann es nicht sein.“ Christian Pichler von der Natur- und Umweltschutzorganisation WWF hielt dem entgegen, dass der Wolf eine wichtige Funktion habe. „Der Wolf ist ein natürlicher Regulator. Der Wolf frisst vor allem krankes und schwaches Wild. Das heißt, er kann Krankheiten eindämmen und hinterlässt auch Beutereste.“ Angst vor dem Wolf müsse man jedenfalls nicht haben, so Pichler.

Werner Fetz und eine Rednerin bei der Diskussion „Ein Ort am Wort“ in Langschlag
ORF/Robert Salzer
NÖ heute-Moderator Werner Fetz führte durch die einstündige Diskussion in Langschlag

Gefragt nach der Gefahr für den Menschen betonte der Verhaltensforscher und Mitbegründer des Wolfsforschungszentrums Ernstbrunn (Bezirk Korneuburg) Kurt Kotrschal, dass es seit 40 Jahren keinen kritischen Fall mit einem Wolf in Europa gegeben habe. „Da gibt es Daten und das sind Fakten. Das heißt, ich würde mich eher vor Wildschweinen und vor Rehböcken fürchten als vor Wölfen.“ Seine Bitte wäre, dass man nicht so „wahnsinnig viel negative Energie“ gegen den Wolf aufbringe, sondern dass man sich mehr damit auseinandersetzt, wie man mit dem Wolf zusammenleben könne.

Sendungshinweis:

Die einstündige Diskussion von „Ein Ort am Wort“ wird am Donnerstag, den 19.10., ab 20.03 Uhr auf Radio Niederösterreich ausgestrahlt. Ebenso kann sie auf gängigen Podcast-Plattformen nachgehört sowie in der ORF TVthek nachgesehen werden.

Zäune und Hunde als effektiver Herdenschutz

Max Rossberg, Herdenschutzmanager und Experte von LifestockProtect betonte, dass vor allem ein effizienter Herdenschutz wichtig sei. „Die große Frage, die wir in den vergangenen zehn bis 15 Jahren nicht klären konnten, ist: Wer zahlt das? Und diese Frage lähmt und sie lähmt uns alle.“

Er brachte zur Diskussion „Ein Ort am Wort“ auch den erfahrenen Herdenschutzhund Tribulator mit. Der Hund war bis vor kurzem auf einer Alm in Tirol im Einsatz, dort habe man keine Risse mehr. „Aber diese Hunde kann man nicht von der Stange im Supermarkt kaufen. Es ist eine Umstellung in den Betrieben notwendig und damit muss man rechtzeitig beginnen“, betonte Rossberg.

Hannes Neidl, Obmann des niederösterreichischen Landesverbandes für Schafe und Ziegen, pochte in der Diskussion ebenfalls auf höhere Förderungen für die Landwirte. Er forderte eine „hundertprozentige Kostenübernahme des Herdenschutzes, aber nicht aus dem Landwirtschaftsbudgets, sondern aus dem Naturschutzbudget“.

Gerhard Fallent, Gründer der Initiative „WolfStopp“, forderte eine strenge Regulierung des Wolfes. „Das heißt Bejagung entlang eines Wolfmanagementplanes“, so Fallent. Man müsse „wolffreie Zonen schaffen, dort wo sie notwendig sind“ und er ergänzte: „Aus unserer Sicht können Wölfe friedlich in Nationalparks leben, aber nicht in unserer Kulturlandschaft, die unsere Bauern über Jahrhunderte geschaffen haben.“

„Der Wolf ist ein Thema, das die Menschen hier im Waldviertel bewegt“, sagte der Landesdirektor des ORF Niederösterreich, Alexander Hofer. Das Diskussionsformat „Ein Ort am Wort“ sei eine Plattform für die Gesellschaft, um Diskussionen zuzulassen. „Wichtig ist uns, die Menschen zusammenzubringen, um miteinander zu reden. Das ist das Ziel des Formates und ich denke, dass das bei dieser Premiere sehr gut gelungen ist.“

Wolf galt lange Zeit als ausgerottet

In Niederösterreich wurde erst Anfang April eine neue Wolfsverordnung erlassen. Seither können Wölfe schneller vergrämt bzw. erlegt werden. Gleichzeitig wurden auch die Förderungen für Herdenschutzmaßnahmen erhöht, statt 50 Prozent bekommen Landwirte inzwischen 80 Prozent der Kosten ersetzt. Auch europaweit sorgt der Wolf derzeit regelmäßig für Diskussionen.

Thomas Puchinger und ein Redner bei der Diskussion „Ein Ort am Wort“ in Langschlag
ORF/Robert Salzer
Beim Diskussionsformat „Ein Ort am Wort“ nutzten viele Menschen die Möglichkeit mitzudiskutieren

Weil sich der Wolf zunehmend ausbreitet, wurde zuletzt immer wieder die Forderung laut, dass der strenge Schutz des Wolfes aufgeweicht werden sollte. Der strenge Schutz hat jedoch einen wesentlichen Hintergrund. Wölfe galten in Österreich lange Zeit als ausgerottet. 1882 wurde der sogenannte „letzte Wolf Österreichs“ im Wechselgebiet erlegt.

Erst seit 2015 gab es laut dem „Österreichzentrum – Bär Wolf Luchs“ in Österreich erstmals wieder konkrete Nachweise für den Wolf. 2016 wurde in Allentsteig (Bezirk Zwettl) das österreichweit erste Wolfsrudel bestätigt. Inzwischen gibt es in Niederösterreich vier Wolfsrudel, in Allentsteig, Gutenbrunn, Arbesbach (jeweils Bezirk Zwettl) und Harmanschlag (Bezirk Gmünd).