Dollfuß-Museum
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Chronik

Dollfuß-Museum: „Konstruktive Auflösung“ bis 2028

Das umstrittene und seit Anfang 2022 geschlossene Dr.-Engelbert-Dollfuß-Museum in Texingtal (Bezirk Melk) hat nun ein fixes Ablaufdatum. Das am Freitag präsentierte Konzept sieht eine „konstruktive Auflösung“ bis 2028 vor.

Texingtal ist die Heimatgemeinde von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP), in der er vor seinem Wechsel in die Bundesregierung auch Bürgermeister war. Das Museum im Geburtshaus des 1934 ermordeten austrofaschistischen Kanzlers war nach Karners Amtsantritt als Ressortchef in die Schlagzeilen gekommen. Es erinnerte bis vor kurzem an jenen Mann, der 1932 Bundeskanzler wurde und ab 1933 sukzessive die Demokratie ausgeschaltete.

Immer wieder gab es Diskussionen darüber, dass sich die Einrichtung zu wenig kritisch mit dieser Geschichte auseinandersetze. Im Mai 2022 wurde schließlich der Verein „MERKwürdig. Zeithistorisches Zentrum Melk“ von der Gemeinde, die als Trägerin des Museums fungiert, mit der Neukonzeption des Museums im Ortsteil Texing beauftragt.

„Huldigungsort für Dollfuß“

„Das Haus war mehr ein Huldigungsort für Dollfuß als ein kritisches Museum“, sagte Christian Rabl, Mitglied des Kuratorenteams, in einer Pressekonferenz in Wien. Er verwies etwa auf unkommentierte Objekte wie Dollfuß-Häferl oder Kistchen mit Grabeserde samt Echtheitszertifikat, die ausgestellt waren. Außerdem seien bei vielen Objekten weder Provenienz noch Authentizität bekannt.

Das Gebäude selbst sei von Hausschwamm und Holzwurm in Mitleidenschaft gezogen, die Besucherzahlen des vormals an Sonntagen zwischen 1. Mai und 26. Oktober geöffneten und von ÖVP-Gemeinderäten betreuten Museums hätten sich schon vor der Coronavirus-Pandemie nur noch im hohen zweistelligen Bereich pro Jahr bewegt, führte Rabl ins Treffen.

Dollfuß-Museum von außen in Texing
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Die Debatte um das Museum im Geburtshaus von Dollfuß flammte 2021 wieder auf, als der damalige Texinger Bürgermeister, Gerhard Karner, Innenminister wurde

Co-Kurator Remigio Gazzari unterstrich mit Verweis auf eine Gedenktafel aus 1934, dass das Geburtshaus schon kurz nach Dollfuß’ Tod propagandistisch als Gedenkstätte ausgeschlachtet wurde. „Von dieser Tradition konnte sich das (1998 eröffnete, Anm.) Museum nie wirklich lösen.“ Man habe im Zuge des sehr partizipativ angelegten Prozesses der Neukonzeptionierung nun nicht versucht, „diesen problematischen Erinnerungsort mit Erklärungstafeln zu entschärfen“, sondern wollte „einen klaren Schritt setzen“.

200 Objekte werden „kuratiert entfernt“

Kuratorin Johanna Zechner skizzierte den genauen Fahrplan. Die auf fünf Jahre ausgelegte Auflösung – 2028 läuft der jetzige Pachtvertrag zwischen Gemeinde und der Dollfuß-Familie als Hausbesitzerin aus – soll in jährlichen Schritten erfolgen. Dafür werden jeweils Gruppen von Einzelobjekten definiert, die zu einem thematischen Schwerpunkt, etwa „Führerkult“ oder „Wandel des bäuerlichen Lebens“ passen.

Ab kommenden Jahr sollen die rund 200 Objekte schrittweise und kuratiert entfernt bzw. an andere Institutionen weitergegeben oder an die privaten Leihgeber retourniert werden, gab das Projektteam bekannt. Die Ausstellungsstücke sollen vor ihrer Entfernung quellenkritisch analysiert und erforscht werden, bevor sie an Partnerinstitutionen weitergereicht werden.

Fotos von Dollfuß im Museum in Texing
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Kritisiert wurde, dass sich das Museum zu wenig kritisch mit Dollfuß auseinandersetze

Dieser Prozess soll gemeinsam mit Bewohnerinnen und Bewohnern der Region – Erwachsene, aber auch Schülerinnen und Schüler – sowie Personen aus dem künstlerischen und wissenschaftlichen Umfeld erfolgen. Ein Besuch des Museums soll im Zuge der Auflösung an bestimmten Tagen und im Beisein von Expertinnen und Experten möglich sein. Die entstehenden Lücken werden sichtbar und inhaltlich kommentiert. „Es soll nachvollziehbar bleiben, was dort war“, erklärte Zechner. „Am Ende wird das Haus leer stehen, die Objekte aber nicht verschwunden sein, sondern woanders in einem neuen Kontext präsentiert.“

Vor der eigentlichen Auflösungsphase wird bereits der Eingangsbereich umgestaltet, um das Projekt vorzustellen. Zudem wird im Frühjahr eine Website online gehen, die den Prozess dokumentiert. „Wir sperren das Museum nicht sang- und klanglos zu, sondern es wird konstruktiv aufgelöst“, sprach Gazzari von einem „umgekehrten Museumsprojekt“ in dem Sinne, dass hier nicht Dinge laufend eingebracht, sondern eben entfernt würden. Er hofft, mit der Vorgangsweise die Diskussion „von der lokalen auf die nationale Ebene hinaufheben“ und damit zur Auseinandersetzung mit der Nationalgeschichte beitragen zu können.

Finanzierung noch nicht geklärt

Texingtals Bürgermeister Günther Pfeiffer (ÖVP) stellte klar: „Die Gemeinde steht hinter diesem Konzept.“ Die Finanzierung ist allerdings noch nicht komplett unter Dach und Fach. Projektleiter Alexander Hauer rechnete heute mit jährlichen Kosten von rund 50.000 Euro. Man sei aber in guten Gesprächen mit diversen Förderstellen und insofern „sehr optimistisch, dass wir die recht überschaubaren Mitteln gut aufstellen können“. Die Gemeinde selbst wird laut Pfeiffer jedenfalls „unseren Beitrag leisten“, auch wenn dieser wegen begrenzter Budgetmittel nicht allzu groß sein könne.

Historiker Ernst Langthaler vom wissenschaftlichen Beirat, der das Projekt begleitet, zog Vergleiche zum Umgang mit dem Hitler-Geburtshaus in Braunau. „Man könnte meinen, das Ausräumen eines Museums und der Umbau des Hitler-Hauses (im Auftrag des Innenministeriums in eine Polizeistation, Anm.) laufe am Ende auf das gleiche hinaus. Aber die Unterschiede könnten nicht größer sein.“ Hier werde nicht neutralisiert, sondern reflektiert, nicht obrigkeitsbestimmt, sondern partizipativ, nicht nach dem Motto „Red’ ma nicht drüber“, sondern „Kommen wir ins Gespräch“ vorgegangen.

Wie es mit dem Dollfuß-Haus selbst nach 2028 weitergehen soll, ist noch unklar. Auf die Frage, ob die Gemeinde den Pachtvertrag eventuell verlängern wolle oder ob dies vom Tisch sei, sagte der Bürgermeister: „Nichts ist vom Tisch.“ Fakt sei aber auch, dass das Haus im Familienbesitz und baufällig sei. Außerdem soll das Auflösungsprozedere 2026 einer Evaluierung unterzogen werden, woraus sich womöglich auch Ideen für den weiteren Umgang mit dem Gebäude ergeben könnten.